Finsternis

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Die Finsternis ist im geisteswissenschaftlichen Sinn nicht bloß zu verstehen als die Abwesenheit von Licht, sondern sie ist eine dem Licht polar entgegenwirkende, wesenhaft gestaltende Kraft. In ihr wirken die Geister der Finsternis. Das sind vornehmlich ahrimanische, aber auch asurische Wesenheiten, wobei letztere als Geister der Nacht (hebr. לילה Laj'lah "Nacht") den Elohim bei ihrem Schöpfungswerk dienlich waren. Sie haben sich gewisse Eigenschaften aus dem alten Saturndasein bewahrt, wo es noch kein Licht gab und die ganze Welt in Finsternis getaucht war. Dieser Zustand wurde am 1. Schöpfungstag wiederholt, wo es in der Genesis heißt:

„Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“

Auch Goethe spricht in seiner Farbenlehre von dieser Polarität von Licht und Finsternis:

„Dem, was die Goethesche Farbenlehre in sich schließt, liegt zugrunde das Geheimnis des Zusammenwirkens von Licht und Finsternis als zweier polarischer wesenhafter Entitäten in der Welt. Und das, was man heute in phantastischer Weise als den Begriff der Materie bezeichnet, was überhaupt so, wie es vorgestellt wird, gar nicht vorhanden, sondern eine Illusion ist, das ist etwas, was sich als ein geistig-seelisches Wesen überall da verbirgt, wo der polarische Gegensatz des Lichtes, die Finsternis, auftritt. In Wahrheit ist das, was als physikalischer Begriff von Materie bezeichnet wird, eine Phantasterei. In den Gebieten des Raumes, wo man, wie die Physik sagt, das zu suchen hat, was als Materie spukt, da ist in Wahrheit nichts anderes vorhanden als ein gewisser Grad von Finsternis. Und ausgefüllt ist dieser finstere Rauminhalt von seelischgeistig Wesenhaftem, das verwandt ist mit dem, was schon in der Genesis konstatiert wird, da wo die Gesamtmasse dieses Seelisch-Geistigen durch die Finsternis charakterisiert wird und wo gesagt wird, daß diese Finsternis über dem elementarischen Dasein wogt. Alle diese Dinge liegen eben ungeheuer viel tiefer, als die gegenwärtige Naturwissenschaft sich träumen läßt. Also wir haben es zu tun, wenn von Finsternis gesprochen wird in der Genesis, mit der Offenbarung der zurückgebliebenen saturnischen Wesenheiten, und wenn von Licht gesprochen wird, haben wir es mit der Offenbarung der fortgeschrittenen Wesenheiten zu tun. Die wirken und weben ineinander.“ (Lit.:GA 122, S. 96f)

Die Finsternis ist derart zugleich nichtoffenbares, zurückgehaltenes, gleichsam gefangenes Licht, und bildet in diesem Sinn, als gefesselte Energie, die Grundlage der Materie.

Goethe hat in seiner Farbenlehre anhand der beiden Urphänomene der Chromatik gezeigt, wie die Farben aus der Wechselwirkung von Licht und Finsternis entstehen. Wird reines weißes Licht verfinstert, verfärbt es sich zunächst zum Gelb, das sich durch weitere Abdunklung bis zum Rot steigert. Wird hingegen die Finsternis durch das Licht aufgehellt, erscheinen die violetten und blauen Farbtöne. Im weiteren Verlauf mischen sich Gelb und Blau zum Grün und Violett und Rot steigern sich zum Purpur, womit sich der sechsteilige Farbkreis schließt.

„Wenn man erst das Auseinandergehen des Gelben und Blauen wird recht gefasst, besonders aber die Steigerung ins Rote genugsam betrachtet haben, wodurch das Entgegengesetzte sich gegeneinander neigt, und sich in einem Dritten vereinigt, dann wird gewiss eine besondere geheimnisvolle Anschauung eintreten, dass man diesen beiden getrennten, einander entgegengesetzten Wesen eine geistige Bedeutung unterlegen könne, und man wird sich kaum enthalten, wenn man sie unterwärts das Grün und oberwärts das Rot hervorbringen sieht, dort an die irdischen, hier an die himmlischen Ausgeburten der Elohim zu gedenken.“

Goethe: Zur Farbenlehre, § 919

Dreitägige Finsternis

Eine dreitägige Finsternis wird im 2. Buch Mose als die neunte der dort besprochenen zehn Plagen erwähnt, die das Land der Ägypter traf.

„21 Da sprach der HERR zu Mose: Recke deine Hand gen Himmel, dass eine solche Finsternis werde in Ägyptenland, dass man sie greifen kann. 22 Und Mose reckte seine Hand gen Himmel. Da ward eine so dicke Finsternis in ganz Ägyptenland drei Tage lang, 23 dass niemand den andern sah noch weggehen konnte von dem Ort, wo er gerade war, drei Tage lang. Aber bei allen Israeliten war es licht in ihren Wohnungen.“

2. Buch Mose: 10,21-23 LUT

Äußere Finsternis

Die äußere Finsternis oder äußerste Finsternis, die im Matthäus-Evangelium dreimal erwähnt wird (Mt 8,12 EU, 22,13 EU und 25,30 EU), ist ein Ort, in den ein Mensch "hinausgeworfen" werden kann und wo "Heulen und Zähneknirschen" herrscht. Im Allgemeinen wird die äußere Finsternis für die Hölle gehalten; viele Christen assoziieren die äußere Finsternis jedoch allgemeiner mit einem Ort der Trennung von Gott oder von dem metaphorischen "Hochzeitsmahl", das der Christus bei seiner Wiederkunft abhalten soll.

Geistige Finsternis um 1250

Um 1250 trat für eine kurze Zeit eine völlige geistige Finsternis ein, während der auch geistig höchstentwickelnden Persönlichkeiten der Einblick in die geistige Welt verwehrt war. Auch für die Eingeweihten erlosch das Hellsehen vollkommen und sie konnten nur aus der Erinnerung über die geistigen Zusammenhänge sprechen. Das Verhältnis des Menschen zur kosmischen Intelligenz änderte sich. Es wurde das Zeitalter des Intellekts und eine diesem Zeitalter angemessene neue Form der Einweihung, die Rosenkreuzer-Einweihung vorbereitet.

Auch in den Wirkungen der höheren geistigen Hierarchien gab es einschneidende Veränderungen. Die Archai, die Zeitgeister oder Geister der Persönlichkeit, haben im positiven Sinne sehr stark in die irdische Entwicklung eingegriffen seit der ägyptisch-babylonischen Zeit. Ab dem Jahr 1250 ist das anders geworden, die Archai greifen nicht mehr so stark unmittelbar in das irdische Geschehen ein, sondern wirken mehr in den höheren Welten. Das hängt äußerlich zusammen mit einer Änderung der Stellung der Erdachse um diese Zeit, was auch die Jahreszeiten beeinflusst hat, die früher gleichmäßiger verteilt waren. Zugleich übernehmen aber seit dem Asuras, böse Geister der Persönlichkeit, auch Geister des Egoismus genannt, ihren Platz und wecken in einzelnen menschlichen Persönlichkeiten den bewussten Willen zum Bösen, wie er erst seit dem Bewusstseinsseelen-Zeitalter möglich ist. Beispiele sind etwa die Borgia-Päpste, die Konquistatoren und überhaupt die sich unter den Herrschenden immer stärker ausbreitende macchiavellistische Gesinnung.

„Heute soll nun genauer auf einen außerordentlich wichtigen Zeitpunkt hingewiesen werden, auf das dreizehnte Jahrhundert. Man kann sagen, daß die zu jener Zeit inkarnierten Menschen etwas ganz Besonderes erlebten, etwas, was die zu andern Zeiten verkörperten Menschen nicht haben erleben können. Und was ich jetzt sagen werde, das sage ich in einem Sinne mit allen denen, die ein gewissermaßen erhöhtes geistiges Leben haben durchmachen dürfen und die heute wieder inkarniert sind. Die wissen das alle.

Im dreizehnten Jahrhundert war für alle Menschen eine geistige Finsternis, selbst für die erleuchtetsten Geister, auch für die Eingeweihten. Alles, was damals im dreizehnten Jahrhundert gewußt wurde von geistigen Welten, das wußte man durch Überlieferung oder von schon früher Eingeweihten, die ihre Erinnerung an das, was sie damals erlebt hatten, weckten. Aber für eine kurze Zeit konnten auch diese Geister nicht unmittelbar hineinblicken in die geistige Welt. Diese kurze Zeit der Verfinsterung mußte damals sein, um das Charakteristische unseres jetzigen Zeitalters vorzubereiten: die heutige intellektuelle, verstandesmäßige Kultur. Das ist das Wichtige, daß wir das heute in der fünften nachatlantischen Kulturperiode haben. Das war nicht so in der griechischen Kulturperiode. Da war an Stelle des jetzigen verstandesmäßigen Denkens die unmittelbare Anschauung das Dominierende. Der Mensch wuchs sozusagen zusammen mit dem, was er sah und hörte, ja, auch mit dem, was er dachte, wuchs der Mensch damals zusammen. Damals wurde nicht so viel spintisiert, wie es heute geschieht und geschehen muß, denn das ist die Aufgabe der fünften nachatlantischen Kulturperiode.“ (Lit.:GA 130, S. 228f)

Der Kampf von Licht und Finsternis als Schwellenerlebnis

„... der Mensch muß gewahr werden, wie er dem Lichte, das Licht ihm verwandt wird im esoterischen Erleben der Welt. Dann aber, dann tritt einem sehr klar vor das Bewußtsein, wie in dem Augenblicke, wo man die Schwelle betritt, das Licht recht wesenhaft wird und einen harten Kampf zu bestehen hat gegen die finsteren Mächte. Da wird Licht und Finsternis real. Und da tritt etwas vor dem Menschen auf, durch das er sich sagt: Wenn ich ganz mit meinem Denken im Lichte aufgehe, dann verliere ich mich an das Licht. Denn in dem Augenblicke, wo ich mit meinem Denken in das Licht aufgehe, erfassen mich Lichtwesen, die zu mir sagen: Du Mensch, wir lassen dich nicht wiederum aus dem Lichte los, wir halten dich im Lichte zurück. - Und das drückt auch das Wollen dieser Lichtwesen aus. Diese Lichtwesen wollen fortwährend durch das Denken des Menschen den Menschen an sich ziehen, ihn mit dem Lichte eins machen, ihn entreißen allen Erdenmächten und ihn verweben mit dem Lichte [...]

Das ist das Wesenhafte, was uns entgegentritt bei der Begegnung mit dem Hüter der Schwelle, daß die Natur, die vorher ruhig außer uns war und keinen Anspruch an uns gemacht hat für unser gewöhnliches Bewußtsein, daß diese Natur gewinnt die Kraft, zu uns zu sprechen in moralischer Weise. Auf tritt diese Natur, wie in der Sonne, als eine Verlockerin. Was erst nur ruhig scheinendes Sonnenlicht war, wird sprechend, wird verlockend, wird verführend, wird versuchend. Und die erste Art, wodurch wir gewahr werden aus dem Sonnenlichte, daß Geistiges in diesem Sonnenlichte webt und lebt, das erste ist, daß uns im Lichte der Sonne die verlokkenden, die versuchenden Wesen erscheinen, die uns von der Erde hinwegtragen wollen. Denn diese Wesenheiten sind im fortwährenden Kampfe mit demjenigen, was das Erdeninnere ausmacht, mit der Finsternis.

Und wenn wir dann ins Extrem verfallen - und man tut das durchaus, denn die Erlebnisse vor dem Hüter der Schwelle sind eben durchaus ernste und tiefgehende und die Menschenseele ergreifende -, wenn wir gewahr werden, wie verlockend das Sonnenlicht ist durch seine Lichteswesen, dann wollen wir davon los, wenn wir noch eine Erinnerung daran haben, daß wir Mensch sein sollen. Und diese Erinnerung dürfen wir nicht verlieren. Wenn wir sie verlieren, werden wir eben - wenn auch wir zunächst noch das physische Leben auf der Erde fortleben -, wir werden in einer gewissen Weise seelisch gelähmt. Aber wenn wir gewahr werden, wie verlockend das Sonnenlicht ist, dann wenden wir uns nach der entgegengesetzten Seite, dann wollen wir Ruhe finden vor diesen Verlockungen in der Finsternis, mit der das Licht immerdar kämpft. Und pendeln wir hin aus dem Lichte in die Finsternis, dann verfallen wir in das entgegengesetzte Extrem. Dann droht uns in der Finsternis dieses Selbst - das hinaustragen wollte ins helle, scheinende Sonnenlicht die eine Seite des Daseins -, dieses Selbst droht uns in der Finsternis einsam zu werden, getrennt zu werden von allem übrigen Sein. Und wir Menschen können nur in der Gleichgewichtslage zwischen Licht und Finsternis leben.

Das ist das große Erlebnis vor dem Hüter der Schwelle: daß wir der Verlockung des Lichtes gegenüberstehen; der entselbstenden Gewalt der Finsternis gegenüberstehen. Licht und Finsternis werden moralische Mächte, die moralische Gewalt über uns haben. Und wir Menschen müssen uns sagen: Es ist gefährlich, das reine Licht, gefährlich, die reine Finsternis zu schauen. Und wir werden innerlich erst beruhigt an der Schwelle, wenn wir sehen, wie die mittleren Götter, die guten Götter, die Götter des normalen Fortschrittes uns das Licht abdämpfen zum hellen Gelb, zur hellen Röte, und wenn wir wissen, daß wir nicht mehr für die Erde verloren sein können, wenn wir nicht das Licht gewahr werden, das uns im Erblenden verlockt, sondern wenn wir gewahr werden die Farbe im Geiste, die abgedämpftes Licht ist.

Und ebenso gefahrvoll ist es, sich hinzugeben der reinen Finsternis. Und wir werden innerlich befreit, wenn wir nicht der reinen schwarzen Finsternis gegenüberstehen im Geisterland, sondern wenn wir gegenüberstehen der aufgehellten Finsternis in dem Violetten, in dem Blauen. Gelb und Rot sagen uns im Geisterland: Es wird das Licht dich nicht durch seine Verlockungen von der Erde hinwegheben können. Violett und Blau sagen uns: Es wird die Finsternis dich nicht in der Erde begraben können als Seele; du wirst dich halten können gegenüber demjenigen, was die Schwere der Erde auf dich auswirkt.

Das sind die Erlebnisse, wo Natürliches und Moralisches in eins verwachsen, wo Licht und Finsternis wesenhaft werden. Und ohne das, daß Licht und Finsternis wesenhaft werden, werden wir nicht gewahr die wirkliche Natur des Denkens.“ (Lit.:GA 270a, S. 106ff)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.