Waldorfpädagogik

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Dr. phil. Rudolf Steiner (1861-1925), der erste Herausgeber von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften, Begründer der anthroposophischen Bewegung, Entwickler der Erziehungskunst, wie sie in den Waldorfschulen angewendet wird, und von 1919 bis 1925 Leiter der ersten Waldorfschulein Stuttgart
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Graphische Übersichten zur Entwicklung des Kindes und Jugendlichen

Die Waldorfpädagogik ist eine von Rudolf Steiner entwickelte Lehr- und Erziehungsmethode, die darauf ausgerichtet ist, die freie Entfaltung der einzigartigen Individualität des heranwachsenden Kindes nach besten Kräften zu fördern.

"Ein Rätsel der Natur, das er zu lösen hat, soll jedes werdende Menschenwesen dem Menschen sein, der Erzieher sein will." (Lit.: GA 52, S. 216)

Waldorfpädagogische Einrichtungen

Die Waldorfpädagogik wird heute vor allem in folgenden Einrichtungen angewendet und weiterentwickelt:

Von vielen anderen pädagogischen Methoden unterscheidet sich die Waldorfpädagogik dadurch, dass sie das Kind nicht primär zu fertig vorgegebenen Bildungszielen hinführen will, sondern die Kräfte aufzuwecken sucht, die - ganz individuell - in dem Kind selbst schlummern.

"Die Waldorfschul-Pädagogik ist überhaupt kein pädagogisches System, sondern eine Kunst, um dasjenige, was da ist im Menschen, aufzuwecken. Im Grunde genommen will die Waldorfschul-Pädagogik gar nicht erziehen, sondern aufwecken. Denn heute handelt es sich um das Aufwecken. Erst müssen die Lehrer aufgeweckt werden, dann müssen die Lehrer wieder die Kinder und jungen Menschen aufwecken." (Lit.: GA 217, S. 36)

Klare Erkenntnis der menschlichen Wesenheit als Grundlage

Waldorf Ressourcen - Für Fachleute: Impulse, Artikel, Veranstaltungskalender, Foren und Links zur Waldorfpädagogik. Realisiert von der Internationalen Konferenz der waldorfpädagogischen Bewegung in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Sektion am Goetheanum.
Der Bund der Freien Waldorfschulen e.V. ist Herausgeber der Zeitschrift Erziehungskunst, in der aktuelle Fragen zur Waldorfpädagogik besprochen werden.

Wirkliche Erziehungskunst erfordert eine ganz klare, an den Fakten orientierte Erkenntnis der menschlichen Wesenheit und ihrer Entwicklung. Ganz bewusst gebraucht Rudolf Steiner hier sogar den Vergleich mit der Maschine. So wie man bei dieser genau wissen muss, wie ihre Teile zusammenarbeiten müssen, damit sie gut läuft, so muss man auch beim Menschen mit klarem, geradezu nüchternen Verstand ganz konkret erkennen, wie seine Wesensglieder am besten zusammenwirken, um eine gute Entwicklung zu gewährleisten.

„Nicht allgemeine Redensarten, wie etwa «harmonische Ausbildung aller Kräfte und Anlagen» und dergleichen, können die Grundlage einer echten Erziehungskunst sein, sondern nur auf einer wirklichen Erkenntnis der menschlichen Wesenheit kann eine solche aufgebaut werden. Es soll nicht etwa behauptet werden, daß die angedeuteten Redensarten unrichtig wären, sondern nur, daß sich mit ihnen ebensowenig anfangen läßt, wie wenn man etwa einer Maschine gegenüber behaupten wollte, man müsse alle ihre Teile harmonisch in Wirksamkeit bringen. Nur wer nicht mit allgemeinen Redensarten, sondern mit wirklicher Kenntnis der Maschine im einzelnen an sie herantritt, kann sie handhaben. So handelt es sich auch für die Erziehungskunst um eine Kenntnis der Glieder der menschlichen Wesenheit und deren Entwickelung im einzelnen... Man muß wissen, auf welchen Teil der menschlichen Wesenheit man in einem bestimmten Lebensalter einzuwirken hat, und wie solche Einwirkung sachgemäß geschieht. Es ist ja kein Zweifel, daß sich eine wirklich realistische Erziehungskunst, wie sie hier angedeutet wird, nur langsam Bahn brechen kann. Das liegt in der Anschauungsweise unserer Zeit, die noch lange die Tatsachen der geistigen Welt als den Ausfluß einer tollen Phantastik ansehen wird, während ihr allgemeine, völlig unwirkliche Redensarten als das Ergebnis einer realistischen Denkungsart erscheinen werden. Hier soll rückhaltlos gezeichnet werden, was gegenwärtig von vielen als Phantasiegemälde genommen werden wird, was aber einmal als selbstverständlich gelten wird.“ (Lit.:GA 34, S. 322f)

Förderung der Individualität

Bildet auch die Erkenntnis des Menschenwesens im Allgemeinen die notwendige Grundlage der Pädagogik, so ist doch jeder Mensch einzigartig und muss daher auf ganz individuelle Weise unterstützt werden, um seine besonderen Fähigkeiten zu entfalten.

"Auf Dogmen, Prinzipien und Lehren kommt es nicht an; auf das Leben kommt es an und auf die Umsetzung der Kräfte, welche aus der Selbstlosigkeit und dadurch aus der Wahrnehmungsfähigkeit für den Geist fließen." (Lit.: GA 52, S. 216)

Am heranwachsenden Kind selbst ist die ihm gemäße Pädagogik immer wieder neu abzulesen - unter weitestgehender Zurückstellung der eigenen Persönlichkeit des Lehrers oder Erziehers.

"Eine Auslöschung der eigenen Persönlichkeit in gewissem Sinne ist nun aber auch notwendig bei einer einzelnen Aufgabe, die eine unendliche Wichtigkeit für das alltäglichste menschliche Leben hat, beim menschlichen Erziehungswesen. In jedem heranwachsenden Menschen, von der Geburt des Kindes an, durch die Entwicklungsjahre hindurch, ist es ja im innersten Kern der menschlichen Wesenheit der Geist, der sich entwickeln soll; der Geist, der zunächst verborgen ruht innerhalb des Körpers, verborgen ruht innerhalb der Seelenregungen des sich entwickelnden Menschen. Stellen wir uns diesem Geist gegenüber, mit unseren Interessen - ich will nicht einmal sagen Wünschen und Begierden -, machen wir den heranwachsenden Menschen von unseren Interessen abhängig, dann lassen wir unseren Geist einströmen in den Menschen und wir entwickeln im Grunde genommen das, was in uns ist, in dem werdenden Menschen. Aber ich will nicht einmal sprechen davon, daß wir unsere Wünsche und Begierden tätig sein lassen bei der Erziehung eines heranwachsenden Menschen, sondern nur davon, daß nur allzuoft, ja, daß es fast Regel ist, daß der Erzieher seinen Verstand sprechen läßt, daß der Erzieher seine Vernunft vor allen Dingen fragt, was zu geschehen hat behufs dieser oder jener Erziehungsmaßregel. Dabei berücksichtigt er nicht, daß er einen werdenden Geist vor sich hat, der nur dann sich seinem Wesen entsprechend bilden kann, wenn er sich diesem Wesen entsprechend allseitig frei und ungehindert entfalten kann, und wenn ihm von dem Erzieher Gelegenheit gegeben wird zu dieser Entfaltung. Einen fremden Menschengeist haben wir vor uns. Einen fremden Menschengeist müssen wir auf uns wirken lassen, wenn wir Erzieher sind. Wie wir gesehen haben, daß in der Hypnose, im abnormen Zustand der Geist unmittelbar auf den Menschen wirkt, so wirkt in einer anderen Gestalt, wenn wir das Kind vor uns haben, der sich entwickelnde Geist des Kindes unmittelbar auf uns und muß auf uns wirken. Dieser Geist wird aber nur von uns ausgebildet werden können, wenn wir uns, ebenso wie bei anderen höheren Verrichtungen, auszulöschen vermögen, wenn wir imstande sind, ohne Einmischung unseres Selbst, ein Diener des uns zur Erziehung anvertrauten Menschengeistes zu sein, wenn dieser Menschengeist von uns in die Gelegenheit versetzt wird, sich frei zu entfalten." (Lit.: GA 52, S. 213f)

Die grundlegende Bedeutung der Kunst für die Waldorfpädagogik

Erziehungskunst

Ein Künstler, der kein Lehrer ist,
den sollte doch der Kuckuck holen!
Ein Lehrer, der kein Künstler ist,
der hüte Ferkel, Kälber, Fohlen!

Georg Michael[1]

Die Wissenschaft kann ihrem Wesen nach nur das erfassen, was allgemein gültig ist. Die Kunst hingegen entspringt aus dem individuellen schöpferischen Tun. Die künsterlische Gesinnung und Befähigung ist daher besonders geeignet, das individuelle Wesen des Kindes zu erfassen. Pädagogik im Sinn Rudolf Steiners sollte sich daher nicht einseitig auf eine wie auch immer geartete Erziehungswissenschaft gründen, sondern wirkliche Erziehungskunst werden. Künstlerisches Gestalten und Empfinden bildet darum die methodische Grundlage des Unterrichts in jedem Fach, insbesondere auch in jenen Fächern, die scheinbar mit Kunst nichts oder wenig zu tun haben, wie etwa Mathematik, Geographie, Biologie, Chemie, Physik usw.

„Wenn man den Menschen mit abstraktem wissenschaftlichem Inhalt erziehen will, so erlebt er nichts von Ihrer Seele. Von Ihrer Seele erlebt er nur dann etwas, wenn Sie ihm künstlerisch entgegentreten, denn im Künstlerischen muß jeder individuell sein, im Künstlerischen ist jeder ein anderer. Das wissenschaftliche Ideal ist ja gerade, daß jeder so wie der andere ist. Es wäre eine schöne Geschichte - so sagt man heutzutage -, wenn jeder eine andere Wissenschaft lehrte. Das kann ja nicht sein, weil die Wissenschaft reduziert ist auf dasjenige, was für alle Menschen gleich ist. Im Künstlerischen ist aber jeder Mensch eine Individualität. Durch das Künstlerische kann daher auch ein individuelles Verhältnis des Kindes zu dem sich regenden und betätigenden Menschen Zustandekommen, und das ist notwendig. Zwar hat man dadurch nicht, wie in den ersten Kinderjahren, ein totales physisches Empfinden des anderen Menschen, wohl aber die totale Empfindung von der Seele desjenigen, der einem als Führer gegenübersteht.

Die Erziehung muß Seele haben, aber als Wissenschafter kann man nicht Seele haben. Seele kann man nur haben durch dasjenige, was man künstlerisch ist. Seele kann man haben, wenn man die Wissenschaft künstlerisch gestaltet durch die Art des Vorbringens, aber nicht durch den Inhalt der Wissenschaft, so wie sie heute aufgefaßt wird. Die Wissenschaft ist keine individuelle Angelegenheit. Daher begründet sie kein Verhältnis zwischen Führendem und Geführtem im volksschulpflichtigen Alter. Da muß der ganze Unterricht von Kunst, von menschlicher Individualität durchdrungen sein, und mehr als alles ausgedachte Programmatische bedeutet eben die Individualität des Unterrichtenden und Erziehenden. Diese ist es, die in der Schule wirken muß.“ (Lit.:GA 217, S. 160)

„Wir können nicht durch Studium Erzieher werden. Wir können andere zum Erzieher nicht dressieren, schon aus dem Grunde nicht, weil jeder von uns einer ist. In jedem Menschen ist ein Erzieher; aber dieser Erzieher schläft, er muß aufgeweckt werden, und das Künstlerische ist das Mittel zum Aufwecken. Wenn das entwickelt wird, bringt es den Erziehenden als Menschen denjenigen näher, die er führen will. Menschlich muß der zu Erziehende dem Erzieher nahekommen, er muß menschlich etwas von ihm haben. Es wäre gräßlich, wenn jemand glauben wollte, er könne dadurch ein Erzieher sein, daß er viel weiß oder im Sinne des Wissens - was man heute ja sogar auch schon sagen kann — viel «kann».“ (S. 162)

„Was ich gelernt habe, hat gar keine Bedeutung für das, was ich dem Kinde bis zum Zahnwechsel als Erzieher bin. Nach dem Zahnwechsel beginnt es schon eine gewisse Bedeutung zu haben. Aber es verliert alle Bedeutung, wenn ich es so beibringe, wie ich es in mir trage. Man muß es künstlerisch umsetzen, alles ins Bild bringen, wie wir noch sehen werden. Ich muß wiederum imponderable Kräfte zwischen mir und dem Kinde wachrufen. Und für die zweite Lebensepoche, für die Lebensepoche vom Zahnwechsel bis zur Geschlechtsreife, hat viel mehr als die Fülle des Stoffes, die ich gelernt habe, viel mehr als das, was ich in mir, in meinem Kopfe trage, Bedeutung, ob ich in anschauliche Bildlichkeit, in lebendiges Gestalten umsetzen kann, was ich um das Kind entwickle und in das Kind hineinwellen lassen soll. Und erst für diejenigen, die schon durch die Geschlechtsreife gegangen sind, und für diese dann bis zum Anfang der zwanziger Jahre, bekommt eine Bedeutung, was man selber gelernt hat. Für das kleine Kind bis zum Zahnwechsel ist das Wichtigste im Erziehen der Mensch. Für das Kind vom Zahnwechsel bis zur Geschlechtsreife ist das Wichtigste im Erziehen der in lebendige Lebenskünstlerschaft übergehende Mensch. Und erst mit dem vierzehnten, fünfzehnten Lebensjahre fordert das Kind für den erziehenden Unterricht und das unterrichtende Erziehen dasjenige, was man selber gelernt hat, und das dauert so bis über das zwanzigste, einundzwanzigste Jahr hin, wo dann das Kind ganz erwachsen ist - es ist ja schon vorher eine junge Dame und ein junger Mann - , und wo eben der Zwanzigjährige dann als Gleichberechtigter dem anderen Menschen, auch wenn er älter ist, gegenübersteht.“ (Lit.:GA 308, S. 22)

Gerade in der Zeit vom 7. bis zum 14. Lebensjahr ist die künstlerische Gestaltung des Unterrichts von essentieller Bedeutung für die Entwicklung des Kindes. Alles muss da in bildhaft-künstlerischer Weise an das Kind herangebracht werden.

„Das Kind ist zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife ein Artist, wenn eben auch in kindlicher Weise, wie es in der ersten Lebensepoche bis zum Zahnwechsel in naturhafter Weise ein Homo religiosus, ein religiöses Geschöpf ist. Da das Kind jetzt fordert, alles in bildhaft-künstlerischer Weise zu bekommen, hat ihm der Lehrende, Erziehende gegenüberzustehen als ein solcher, der alles, was er an das Kind heranbringt, als ein künstlerisch Formender an das Kind heranbringt. Das ist dasjenige, was als eine Forderung an den Erziehenden und Unterrichtenden unserer heutigen Kultur gestellt werden muß, was in die Erziehungskunst einfließen muß. Künstlerisches muß sich abspielen zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife zwischen dem Unterrichtenden und Erziehenden und dem heranwachsenden Menschen. In dieser Beziehung haben wir als Lehrer gar mancherlei zu überwinden. Denn unsere Zivilisation und Kultur, die uns äußerlich zunächst umgeben, sind ja so geworden, daß sie nur noch auf den Intellekt berechnet sind, daß sie auf das Künstlerische noch nicht berechnet sind.“ (Lit.:GA 308, S. 37)

Die drei goldenen Regeln der Erziehungs- und Unterrichtskunst

"Religiöse Dankbarkeit gegenüber der Welt, die sich in dem Kinde offenbart, vereinigt mit dem Bewußtsein, daß das Kind ein göttliches Rätsel darstellt, das man mit seiner Erziehungskunst lösen soll. In Liebe geübte Erziehungsmethode, durch die das Kind sich instinktiv an uns selbst erzieht, so daß man dem Kinde die Freiheit nicht gefährdet, die auch da geachtet werden soll, wo sie das unbewußte Element der organischen Wachstumskraft ist.

Das Kind in Ehrfurcht aufnehmen
In Liebe erziehen
In Freiheit entlassen

" (Lit.: GA 269, S. 179)

Pädagogik auf menschenkundlicher Grundlage

Motto für die Pädagogik

Durchdringe dich mit Phantasiefähigkeit,
habe den Mut zur Wahrheit,
schärfe dein Gefühl für seelische Verantwortlichkeit.

Rudolf Steiner (Lit.:GA 269, S. 174)

Der Waldorfpädagogik liegt eine Menschenbild zu Grunde, dass dem ganzen Menschen gerecht wird, der aus Leib, Seele und Geist besteht, und nicht der Einseitigkeit des Materialismus verfällt.

„Man hat heute die Meinung, wenn man von Materialismus spricht, daß der Materialismus eine falsche Weltanschauung ist, daß er abzulehnen ist, weil er nicht richtig ist. So einfach verhält sich die Sache nicht. Der Mensch ist ein seelisch-geistiges Wesen, er ist ein leiblich-physisches Wesen. Aber das Leiblich-Physische ist ein getreues Abbild des Seelisch-Geistigen, insofern wir leben zwischen Geburt und Tod. Und wenn die Menschen so verphilistert sind in den materialistischen Gedanken, wie das geworden ist im Laufe des 19. Jahrhunderts und bis in die Gegenwart hinein, dann wird immer mehr das Leiblich-Physische ein Abdruck dieses Seelisch-Geistigen, das selbst in den materialistischen Impulsen lebt. Dann ist es nicht etwas Falsches, wenn man sagt, das Gehirn denkt, dann wird es richtig. Es werden durch das Fest-darin-Stecken im Materialismus nicht bloß Menschen erzeugt, die schlecht denken über das Leibliche, Seelische und Geistige, sondern es werden materiell denkende und materiell fühlende Menschen erzeugt. Das heißt, der Materialismus bewirkt, daß der Mensch ein Denkautomat wird, daß der Mensch ein Wesen wird, das als physisches Wesen denkt, fühlt und will. Und es ist nicht bloß die Aufgabe der Anthroposophie, an die Stelle einer falschen Weltanschauung eine richtige zu setzen — das ist eine theoretische Forderung—, das Wesen der Anthroposophie heute besteht darin, daß angestrebt wird nicht nur eine andere Idee, sondern eine Tat: das Geistig-Seelische wieder herauszureißen aus dem Leiblich-Physischen, den Menschen heraufzuheben in die Sphäre des Geistig-Seelischen, damit er nicht ein Denk-, Fühl- und Empfindungsautomat sei. Die Menschheit steht heute in der Gefahr — einiges soll auch morgen im Zweigvortrag angedeutet werden —, das Seelisch-Geistige zu verlieren. Denn das, was leiblich-physisch ein Abdruck des Geistig-Seelischen ist, das steht heute, weil viele Menschen so denken, weil das Geistig-Seelische schläft, vor der Gefahr, in die ahrimanische Welt überzugehen, und das Geistig-Seelische wird sich verflüchtigen im Weltall. Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen die Gefahr vor sich haben, durch den materialistischen Impuls die Seele zu verlieren. Dies ist eine ernste Sache. Dieser Tatsache steht man gegenüber. Diese Tatsache soll eigentlich heute das Geheimnis, das immer mehr und mehr offenbar werdende Geheimnis werden, aus dem heraus wir überhaupt fruchtbar wirken wollen. Sehen Sie, aus einer Erkenntnis dieser Notwendigkeit eines Hinwendens der Menschheit zu einer spirituellen Betätigung — nicht bloß zu einer Umänderung einer Theorie —, aus dieser Erkenntnis heraus sind solche Dinge entstanden wie die Didaktik und Pädagogik der Waldorfschule. Und aus einem solchen Geiste heraus sollte hier gewirkt werden.“ (Lit.:GA 300a, S. 163f)

In seinem Aufsatz «Die pädagogische Grundlage der Waldorfschule» schreibt Rudolf Steiner:

"Verhängnisvoll müßte es werden, wenn in den pädagogischen Grundanschauungen, auf denen die Waldorfschule aufgebaut werden soll, ein lebensfremder Geist waltete. Ein solcher tritt heute nur allzu leicht dort hervor, wo man ein Gefühl dafür entwickelt, welchen Anteil an der Zerrüttung der Zivilisation das Aufgehen in einer materialistischen Lebenshaltung und Gesinnung während der letzten Jahrzehnte hat. Man möchte, durch dieses Gefühl veranlaßt, in die Verwaltung des öffentlichen Lebens eine idealistische Gesinnung hineintragen. Und wer seine Aufmerksamkeit der Entwickelung des Erziehungs- und Unterrichtswesens zuwendet, der wird diese Gesinnung vor allem andern da verwirklicht sehen wollen. In einer solchen Vorstellungsart gibt sich viel guter Wille kund. Daß dieser anerkannt werden soll, ist selbstverständlich. Er wird, wenn er sich in der rechten Art betätigt, wertvolle Dienste leisten können, wenn es sich darum handelt, menschliche Kräfte für ein soziales Unternehmen zu sammeln, für das neue Voraussetzungen geschaffen werden müssen. - Dennoch ist gerade in einem solchen Falle nötig, darauf hinzuweisen, wie der beste Wille versagen muß, wenn er an die Verwirklichung von Absichten geht, ohne die auf Sach-Einsicht begründeten Voraussetzungen in vollem Maße zu berücksichtigen. Damit ist eine der Forderungen gekennzeichnet, die heute bei Begründung einer solchen Anstalt in Betracht kommen, wie die Waldorfschule eine sein soll. In ihrem pädagogischen und methodischen Geiste muß Idealismus wirken; aber ein Idealismus, der die Macht hat, in dem aufwachsenden Menschen die Kräfte und Fähigkeiten zu erwecken, die er im weiteren Lebensverlauf braucht, um für die gegenwärtige Menschengemeinschaft Arbeitstüchtigkeit und für sich einen ihn stützenden Lebenshalt zu haben.

Die Pädagogik und Schulmethodik wird eine solche Forderung nur erfüllen können mit wirklicher Erkenntnis des heranwachsenden Menschen. Einsichtige Menschen verlangen heute eine Erziehung und einen Unterricht, die nicht auf einseitiges Wissen, sondern auf Können, nicht auf bloße Pflege der intellektuellen Anlagen, sondern auf Ertüchtigung des Willens hinarbeiten. Die Richtigkeit dieses Gedankens kann nicht angezweifelt werden. Allein man kann den Willen und das ihm zugrunde liegende gesunde Gemüt nicht erziehen, wenn man nicht die Einsichten entwickelt, die in Gemüt und Willen tatkräftige Antriebe erwecken. Ein Fehler, der nach dieser Richtung hin in der Gegenwart häufig gemacht wird, besteht nicht darin, daß man zu viel an Einsicht in den aufwachsenden Menschen hineinträgt, sondern dann, daß man Einsichten pflegt, denen die Stoßkraft für das Leben mangelt. Wer glaubt, den Willen bilden zu können, ohne die ihn belebende Einsicht zu pflegen, der gibt sich einer Illusion hin. - In diesem Punkte klar zu sehen, ist Aufgabe der Gegenwarts-Pädagogik. Dieses klare Sehen kann nur aus einer lebensvollen Erkenntnis des ganzen Menschen hervorgehen.

So wie sie vorläufig gedacht ist, wird die Waldorfschule eine Volksschule sein, die ihre Zöglinge so erzieht und unterrichtet, daß Lehrziele und Lehrplan aufgebaut sind auf die in jedem Lehrer lebendige Einsicht in das Wesen des ganzen Menschen, soweit dies unter den gegenwärtigen Verhältnissen schon möglich ist. Es ist selbstverständlich, daß die Kinder in den einzelnen Schulstufen so weit gebracht werden müssen, daß sie den Anforderungen entsprechen können, die man nach den heutigen Anschauungen stellt. Innerhalb dieses Rahmens aber sollen Lehrziele und Lehrpläne so gestaltet werden, wie sie sich aus der gekennzeichneten Menschen- und Lebenserkenntnis ergeben.

Der Volksschule wird das Kind anvertraut in einem Lebensabschnitte, in dem die Seelenverfassung in einer bedeutungsvollen Umwandlung begriffen ist. In der Zeit von der Geburt bis zum sechsten oder siebenten Lebensjahre ist der Mensch dazu veranlagt, sich für alles, was an ihm zu erziehen ist, ganz an die ihm nächststehende menschliche Umgebung hinzugeben und aus dem nachahmenden Instinkt heraus die eigenen werdenden Kräfte zu gestalten. Von diesem Zeitpunkte an wird die Seele offen für ein bewußtes Hinnehmen dessen, was vom Erzieher und Lehrer auf der Grundlage einer selbstverständlichen Autorität auf das Kind wirkt. Diese Autorität nimmt das Kind hin aus dem dunklen Gefühl heraus, daß in dem Erziehenden und Lehrenden etwas lebt, das in ihm auch leben soll. Man kann nicht Erzieher oder Lehrer sein, ohne mit voller Einsicht sich so zu dem Kinde zu stellen, daß dieser Umwandlung des Nachahmungstriebes in die Aneignungsfähigkeit auf Grund selbstverständlichen Autoritätsverhältnisses im umfänglichsten Sinne Rechnung getragen wird. Die auf bloße Natureinsicht begründete Lebensauffassung der neueren Menschheit geht nicht mit vollem Bewußtsein an solche Tatsachen der Menschheitsentwickelung heran. Ihnen kann nur die notwendige Aufmerksamkeit zuwenden, wer Sinn hat für die feinsten Lebensäußerungen des Menschenwesens. Ein solcher Sinn muß in der Kunst des Erziehens und Unterrichtens walten. Er muß den Lehrplan gestalten; er muß in dem Geiste leben, der Erzieher und Zöglinge vereinigt. Was der Erzieher tut, kann nur in geringem Maße davon abhängen, was in ihm durch allgemeine Normen einer abstrakten Pädagogik angeregt ist; es muß vielmehr in jedem Augenblicke seines Wirkens aus lebendiger Erkenntnis des werdenden Menschen heraus neu geboren sein. Man kann natürlich einwenden, solch ein lebensvolles Erziehen und Unterrichten scheitere an Schulklassen mit großer Schülerzahl. Innerhalb gewisser Grenzen ist dieser Einwand gewiß berechtigt; wer ihn über diese Grenzen hinaus macht, der beweist aber dadurch nur, daß er von dem Gesichtspunkte einer abstrakten Norm-Pädagogik aus spricht: denn eine auf wahrer Menschenerkenntnis beruhende lebendige Erziehungs- und Unterrichtskunst durchzieht sich mit einer Kraft, die in dem einzelnen Zögling die Anteilnahme anregt, so daß man nicht nötig hat, ihn durch das unmittelbare, «individuelle» Bearbeiten entsprechend bei der Sache zu halten. Man kann, was man im Erziehen und Unterrichten wirkt, so gestalten, daß der Zögling im Aneignen es selbst individuell für sich faßt. Dazu ist nur nötig, daß, was der Lehrende tut, genügend stark lebt. Wer den Sinn für echte Menschenerkenntnis hat, dem wird der werdende Mensch in einem solch hohen Maße zu einem von ihm zu lösenden Lebensrätsel, daß er in der versuchten Lösung das Mitleben der Zöglinge weckt. Und ein solches Mitleben ist ersprießlicher als ein individuelles Bearbeiten, das den Zögling nur allzu leicht in bezug auf echte Selbstbetätigung lahmt. Wiederum innerhalb gewisser Grenzen gemeint, darf behauptet werden, daß größere Schulklassen mit Lehrern, die voll des von wahrer Menschenerkenntnis angeregten Lebens sind, bessere Erfolge erzielen werden als kleine Klassen mit Lehrern, die, von einer Norm-Pädagogik ausgehend, solches Leben nicht zu entfalten vermögen.

Weniger deutlich ausgeprägt, aber für Erziehungs- und Unterrichtskunst gleich bedeutungsvoll wie die Umwandlung der Seelenverfassung im sechsten oder siebenten Lebensjahre, findet eine eindringliche Menschenerkenntnis eine solche um den Zeitpunkt der Vollendung des neunten Lebensjahres herum. Da nimmt das Ich-Gefühl eine Form an, welche dem Kinde ein solches Verhältnis zur Natur und auch zur andern Umgebung gibt, daß man zu ihm mehr von den Beziehungen der Dinge und Vorgänge zueinander sprechen kann, während es vorher fast ausschließlich Interesse entwickelt für die Beziehungen der Dinge und Vorgänge zum Menschen. Solche Tatsachen der Menschenentwickelung sollen von dem Erziehenden und Unterrichtenden ganz sorgfältig beachtet werden. Denn wenn man in die Vorstellungs- und Empfindungswelt des Kindes hineinträgt, was in einem Lebensabschnitt gerade mit der Richtung der Entwickelungskräfte zusammenfällt, so erstarkt man den ganzen werdenden Menschen so, daß die Erstarkung das ganze Leben hindurch ein Kraftquell bleibt. Wenn man gegen die Entwickelungsrich-tung in einem Lebensabschnitt arbeitet, so schwächt man den Menschen.

In der Erkenntnis der besonderen Anforderungen der Lebensabschnitte liegt die Grundlage für einen sachgemäßen Lehrplan. Es liegt darinnen aber auch die andere Grundlage für die Art der Behandlung des Lehrstoffes in den aufeinanderfolgenden Lebensabschnitten. Man wird das Kind bis zum vollendeten neunten Lebensjahre in allem, was durch die Kulturentwickelung in das menschliche Leben eingeflossen ist, bis auf eine gewisse Stufe gebracht haben müssen. Man wird gerade die ersten Schuljahre deshalb mit Recht zum Schreibe- und Leseunterricht verwenden müssen; aber man wird diesen Unterricht so gestalten müssen, daß die Wesenheit der Entwickelung in diesem Lebensabschnitt ihr Recht findet. Lehrt man die Dinge so, daß einseitig der Intellekt des Kindes und nur ein abstraktes Aneignen von Fertigkeiten m Anspruch genommen werden, so verkümmert die Willens- und Gemütsnatur. Lernt dagegen das Kind so, daß sein ganzer Mensch an seiner Betätigung Anteil hat, so entwickelt es sich allseitig. Im kindlichen Zeichnen, ja selbst im primitiven Malen kommt der ganze Mensch zur Entfaltung eines Interesses an dem, was er tut. Man sollte deshalb das Schreiben aus dem Zeichnen heraus entstehen lassen. Aus Formen, an denen der kindlich-künstlerische Sinn des Kindes zur Geltung kommt, entwickle man die Buchstabenformen. Aus einer Beschäftigung, die als künstlerisch den ganzen Menschen zu sich heranzieht, entwickle man das Schreiben, das zum Sinnvoll-Intellektuellen hinführt. Und erst aus dem Schreiben heraus lasse man das Lesen erstehen, das die Aufmerksamkeit stark in das Gebiet des Intellektuellen zusammenzieht.

Durchschaut man, wie stark aus der kindlich-künstlerischen Erziehung das Intellektuelle herauszuholen ist, so wird man der Kunst im ersten Volksschulunterricht die angemessene Stellung zu geben geneigt sein. Man wird die musikalische und auch die bildnerische Kunst in das Unterrichtsgebiet richtig hineinstellen und mit dem Künstlerischen die Pflege der Körperübungen entsprechend verbinden. Man wird das Turnerische und die Bewegungsspiele zum Ausdrucke von Empfindungen machen, die angeregt werden von dem Musikalischen oder von Rezitiertem. Die eurythmische, die sinnvolle Bewegung wird an die Stelle derjenigen treten, die bloß auf das Anatomische und Physiologische des Körpers sich aufbaut. Und man wird finden, welch starke willen- und gemütbildende Kraft in der künstlerischen Gestaltung des Unterrichtes liegt. Wirklich fruchttragend werden aber nur solche Lehrer in der hier angedeuteten Art erziehen und unterrichten können, die durch eindringliche Menschenerkenntnis den Zusammenhang durchschauen, der besteht zwischen ihrer Methode und den in einem bestimmten Lebensabschnitt sich offenbarenden Entwickelungskräften. Der ist nicht wirklicher Lehrer und Erzieher, der Pädagogik sich angeeignet hat als Wissenschaft von der Kindesbehandlung, sondern derjenige, in dem der Pädagoge erwacht ist durch Menschenerkenntnis.

Bedeutungsvoll für die Gemütsbildung ist, daß das Kind vor Vollendung des neunten Lebensjahres die Beziehung zur Welt so entwickelt, wie der Mensch geneigt ist, sie in phantasievoller Art auszugestalten. Wenn der Erziehende selbst nicht Phantast ist, so macht er auch das Kind nicht zum Phantasten, indem er in märchen-fabelartiger und ähnlicher Darstellung die Pflanzen- und Tier-, die Luft- und Sternenwelt in dem Gemüte des Kindes leben läßt. Wenn man aus einer materialistischen Gesinnung heraus den gewiß innerhalb gewisser Grenzen berechtigten Anschauungsunterricht auf alles mögliche ausdehnen will, so beachtet man nicht, daß in der menschlichen Wesenheit auch Kräfte entwickelt werden müssen, die nicht durch Anschauung allein vermittelt werden können. So steht das rein gedächtnismäßige Aneignen gewisser Dinge in Zusammenhang mit den Entwickelungskräften vom sechsten oder siebenten bis zum vierzehnten Lebensjahre. Und auf diese Eigenschaft der menschlichen Natur soll der Rechenunterricht aufgebaut sein. Er kann geradezu zur Pflege der Erinnerungskraft verwendet werden. Berücksichtigt man dieses nicht, so wird man vielleicht gerade im Rechenunterricht das anschauliche Element gegenüber dem gedächtnisbildenden unpädagogisch bevorzugen. In den gleichen Fehler kann man verfallen, wenn man ängstlich bei jeder Gelegenheit über ein richtiges Maß hinaus anstrebt, daß das Kind alles verstehen müsse, was man ihm übermittelt. Diesem Bestreben liegt gewiß ein guter Wille zugrunde. Aber dieser rechnet nicht damit, was es für den Menschen bedeutet, wenn er in einem späteren Lebensalter in seiner Seele wieder erweckt, was er sich in einem früheren rein gedächtnismäßig angeeignet hat, und nun findet, daß er durch die errungene Reife jetzt zum Verständnisse aus sich selbst kommt. Allerdings wird notwendig sein, daß die bei dem gedächtnismäßigen Aneignen eines Lernstoffes gefürchtete Teilnahmslosigkeit des Zöglings durch die lebensvolle Art des Lehrers verhindert wird. Steht der Lehrer mit seinem ganzen Wesen in seiner Unterrichtstätigkeit drinnen, dann darf er dem Kinde auch beibringen, wofür es im späteren Nacherleben mit Freude das volle Verständnis findet. Und in diesem erfrischenden Nacherleben liegt dann stets Stärkung des Lebensinhaltes. Kann der Lehrer für solche Stärkung wirken, dann gibt er dem Kinde ein unermeßlich großes Lebensgut mit auf den Daseinsweg. Und er wird dadurch auch vermeiden, daß sein «Anschauungsunterricht» durch das Übermaß an Einstellen auf das «Verständnis» des Kindes in Banalität verfällt. Diese mag der Selbstbetätigung des Kindes Rechnung tragen; allein ihre Früchte sind nach dem Kindesalter ungenießbar geworden; die weckende Kraft, die das lebendige Feuer des Lehrers in dem Kinde entzündet bei Dingen, die in gewisser Beziehung noch über seinem «Verständnis» liegen, bleibt wirksam durch das ganze Leben hindurch.

Wenn man mit Naturbeschreibungen aus der Tier- und Pflanzenwelt nach dem vollendeten neunten Lebensjahre beginnt und dieselben so hält, daß aus den Formen und Lebensvorgängen der außermenschlichen Welt die menschliche Form und die Lebenserscheinungen des Menschen verständlich werden, so kann man diejenigen Kräfte im Zögling wecken, die in diesem Lebensabschnitt nach ihrem Entbundenwerden aus den Tiefen des Menschenwesens streben. Dem Charakter, den das Ich-Gefühl in dieser Lebensepoche annimmt, entspricht es, das Tier- und Pflanzenreich so anzusehen, daß, was in ihnen an Eigenschaften und Verrichtungen auf viele Wesensarten verteilt ist, in dem Menschenwesen als dem Gipfel der Lebewelt wie in einer harmonischen Einheit sich offenbart.

Um das zwölfte Lebensjahr herum ist abermals ein Wendepunkt in der Menschenentwickelung eingetreten. Der Mensch wird da reif, diejenigen Fähigkeiten zu entwickeln, durch die er in einer für ihn günstigen Art zum Begreifen dessen gebracht wird, das ganz ohne Beziehung zum Menschen aufgefaßt werden muß: des mineralischen Reiches, der physikalischen Tatsachenwelt, der Witterungserscheinungen und so weiter.

Wie aus der Pflege solcher Übungen, die ganz aus der Natur des menschlichen Betätigungstriebes heraus gestaltet sind ohne Rücksicht auf die Ziele des praktischen Lebens, sich andere entwickeln sollen, die eine Art Arbeitsunterricht sind, das ergibt sich aus der Erkenntnis des Wesens der Lebensabschnitte. Was hier für einzelne Teile des Lehrstoffes angedeutet ist, läßt sich ausdehnen auf alles, was dem Zögling bis in sein fünfzehntes Lebensjahr hinein zu geben ist.

Man wird nicht zu befürchten haben, daß der Zögling in einer dem äußeren Leben fremden Seelen- und Körperverfassung aus der Volksschule entlassen wird, wenn in der geschilderten Art auf dasjenige gesehen wird, was aus der inneren Entwickelung des Menschenwesens als Unterrichts- und Erziehungsprinzipien sich ergibt. Denn das menschliche Leben ist selbst aus dieser inneren Entwickelung heraus gestaltet, und der Mensch wird in der besten Art in dieses Leben eintreten, wenn er durch die Entwickelung seiner Anlagen sich mit dem zusammenfindet, was aus den gleichgearteten menschlichen Anlagen heraus Menschen vor ihm der Kulturentwickelung einverleibt haben. Allerdings, um beides, die Entwickelung des Zöglings und die äußere Kulturentwickelung, zusammenzustimmen, bedarf es einer Lehrerschaft, die sich nicht mit ihrem Interesse in einer fachmäßigen Erziehungs- und Unterrichtspraktik abschließt, sondern die mit vollem Anteil sich hineinstellt in die Weiten des Lebens. Eine solche Lehrerschaft wird die Möglichkeit finden, in den heranwachsenden Menschen den Sinn für die geistigen Lebensinhalte zu wecken, aber nicht weniger das Verständnis für praktische Gestaltung des Lebens. Bei solcher Haltung des Unterrichts wird der vierzehn- oder fünfzehnjährige Mensch nicht verständnislos sein für das Wesentliche, was aus der Landwirtschaft, der Industrie, dem Verkehre dem Gesamtleben der Menschheit dient. Die Einsichten und die Fertigkeiten, die er sich angeeignet hat, werden ihn befähigen, sich orientiert zu fühlen in dem Leben, das ihn aufnimmt." (Lit.: GA 298, S. 9ff)

Erziehung und Wesensglieder

Ein wesentliches, von Rudolf Steiner entdecktes pädagogisches Gesetz besteht darin, dass der Erzieher mit seinem nächsthöheren Wesensglied auf das darunter liegende Wesensglied des Kindes wirkt. So wirkt etwa der Ätherleib des Erziehers auf den physischen Leib des Kindes, der Astralleib auf den Ätherleib usw.

„Da tritt uns eben ein pädagogisches Gesetz entgegen, das ja in aller Pädagogik erscheint. Das ist dieses, daß wirksam ist in der Welt auf irgendein Glied der menschlichen Wesenheit, wo es auch immer herkommt, das nächsthöhere Glied, und daß es nur dadurch wirksam zur Entwickelung kommt. Zur Entwickelung auf den physischen Leib kann wirksam sein ein im Ätherleib Lebendes, in einem ätherischen Leib Lebendes. Zur Entwickelung auf einen Ätherleib kann nur wirksam ein in einem astralischen Leib Lebendes sein. Zur Entwickelung auf einen astralischen Leib kann wirksam nur ein in einem Ich Lebendes sein. Und auf ein Ich kann wirksam sein nur ein in einem Geistselbst Lebendes. Ich könnte es noch weiter fortführen über das Geistselbst hinaus, aber da würden wir schon in die Unterweisung des Esoterischen hineinkommen.

Was heißt das? Wenn Sie gewahr werden, daß in einem Kinde der Ätherleib in irgendeiner Weise verkümmert ist, so müssen Sie Ihren eigenen astralischen Leib so gestalten, daß er korrigierend auf den Ätherleib des Kindes wirken kann. Wir können geradezu sagen, mit Bezug auf das Erziehungsschema kann hierher geschrieben werden:

Kind: physischer Leib Erzieher: Ätherleib
Ätherleib astralischer Leib
astralischer Leib Ich
Ich Geistselbst

Der eigene Ätherleib des Erziehers muß - und das muß durch seine Seminarvorbildung geschehen -, er muß auf den physischen Leib des Kindes wirken können. Der eigene astralische Leib muß auf den Ätherleib des Kindes wirken können. Das eigene Ich des Erziehers muß auf den Astralleib des Kindes wirken können. Und jetzt werden Sie innerlich sogar erschrecken, denn hier steht das Geistselbst des Erziehers, von dem Sie glauben werden, daß es nicht entwickelt ist. Das muß auf das Ich des Kindes wirken. Aber das Gesetz ist so. Und ich werde Ihnen zeigen, inwiefern tatsächlich nicht bloß im Idealerzieher, sondern oftmals im allerschlechtesten Erzieher das Geistselbst des Erziehers, das ihm selber gar nicht zum Bewußtsein kommt, auf das Ich des Kindes wirkt. Das Erziehungswesen ist in der Tat in eine Reihe von Mysterien eingehüllt.” (Lit.: GA 317, S. 33f)

Der pädagogische Instinkt des Lehrers

Die Methode der Waldorfpädagogik besteht nicht in einem einmal festgeschriebenen Satz von Regeln, die man im Unterricht anzuwenden hätte, sie muss vielmehr mit jedem Schüler, mit jeder Klasse, die man als Lehrer vor sich hat, gleichsam immer wieder neu erfunden werden. Sie kann daher auch nicht in üblicher Weise gelehrt werden. Alles, was Rudolf Steiner diesbezüglich über die Methodik der Waldorpädagogik gesagt hat, soll nur dazu dienen, den gesunden Instinkt des Lehrers zu wecken, sodass er sich intuitiv in seine Schüler hineinzuversetzen vermag, um an ihnen selbst abzulesen, wie man ihre Entwicklung am besten fördern kann.

„Der Lehrende, der Erziehende darf ja nicht zuerst etwas theoretisch lernen und sich dann sagen: Was ich theoretisch gelernt habe, das wende ich jetzt auf das Kind in dieser oder jener Weise an. – Dadurch entfernt er sich von dem Kinde, er nähert sich nicht dem Kinde. Der Lehrer muß das, was er über den Menschen weiß, in eine Art höheren Instinkt hineinbekommen, so daß er in einer gewissen Weise instinktiv jeder Regung des einzelnen individuellen Kindeslebens gegenübersteht. Dadurch unterscheidet sich eben anthroposophische Menschenerkenntnis von jener, die heute üblich ist. Diejenige Menschenerkenntnis, die heute üblich ist, führt höchstens zur Erziehungsroutine, nicht aber zur wirklichen Erziehergesinnung und zur wirklichen Erzieherpraxis. Denn einer wirklichen Erzieherpraxis muß eine solche Menschenerkenntnis zugrunde liegen, die dem Kinde gegenüber in jedem Augenblick instinktiv wird, so daß man aus der ganzen Fülle dessen, was einem am Kinde entgegentritt, dem einzelnen Falle gegenüber weiß, was man zu tun hat. Wenn ich einen Vergleich gebrauchen darf, möchte ich so sagen: Nicht wahr, wir haben allerlei Theorien über das Essen und Trinken, aber wir richten uns im Leben im allgemeinen nicht nach dem, was theoretisch ersonnen werden kann darüber, wann man essen soll, wann man trinken soll. Man trinkt, wenn man durstig ist – das ergibt sich aus der ganzen Konstitution des Organismus heraus –, man ißt, wenn man hungrig ist. Daß das in einen gewissen Lebensrhythmus eingeschaltet ist, hat natürlich seine guten Gründe, aber der Mensch ißt und trinkt, wenn er hungrig und durstig ist; das ergibt das Leben selber. Nun muß eine Menschenerkenntnis, welche einer wirklichen Erziehungspraxis zugrunde liegt, im Menschen, wenn er einem Kinde gegenübersteht, so etwas erzeugen, wie etwa erzeugt wird das Verhältnis vom Hunger zum Essen. Es muß so natürlich sein, wie daß ich durch den Hunger ein gewisses Verhältnis zu den Speisen bekomme. So muß es ganz natürlich werden durch eine wirkliche, nicht nur in Fleisch und Blut, sondern auch in Seele und Geist eindringende Menschenerkenntnis, daß ich, wenn das Kind auftritt vor mir, etwas bekomme wie Hunger: Das hast du jetzt zu tun, jenes hast du jetzt zu tun! Nur wenn in dieser Weise Menschenerkenntnis eine solche innere Fülle hat, daß sie instinktiv werden kann, dann kann sie zur Erzieherpraxis führen.“ (Lit.:GA 306, S. 32f)

Ein Missverständnis wäre es allerdings, wenn man sich dabei auf alte, weitgehend unbewusste Erziehungsinstinkte berufen wollte. Heute muss alles zunächst ins klare Bewusstsein gehoben werden, um dann nach und nach zu einem neuen, bewusst erworbenen Instinkt zu reifen.

„Das wird durch die anthroposophische Erkenntnis eingesehen. Durch sie kann man wissen, daß die intellektualistische Orientierung in der Wissenschaft einer notwendigen Phase in der Entwickelung der Menschheit ihr Dasein verdankt. Die Menschheit der neueren Zeit ist aus der Periode des Instinktlebens herausgetreten. Der Intellekt hat seine hervorragende Bedeutung erhalten. Die Menschheit brauchte ihn, um auf ihrer Entwickelungsbahn in der rechten Weise fortzuschreiten. Er führt sie zu demjenigen Grade der Bewußtheit, den sie in einem gewissen Zeitalter erklimmen muß, wie der einzelne Mensch in einem Lebensalter gewisse Fähigkeiten erringen muß. Aber unter dem Einflüsse des Intellektes werden die Instinkte abgelähmt. Man kann nicht, ohne gegen die Entwickelung der Menschheit zu arbeiten, zu dem Instinktleben wieder zurückkehren wollen. Man muß die Bedeutung der Vollbewußtheit anerkennen, die durch den Intellektualismus errungen ist. Und man muß dem Menschen in dieser Vollbewußtheit das auch vollbewußt wieder geben, was ihm kein Instinktleben heute mehr geben kann.

Dazu braucht man eine Erkenntnis des Geistigen und Seelischen, die ebenso auf Wirklichkeit begründet ist wie die im Intellektualismus begründete Sinneswissenschaft. Eine solche strebt die Anthroposophie an.“ (Lit.:GA 304, S. 218f)

Nur auf diesem Weg kann eine wahre Erziehungskunst entstehen, der es trotzdem nicht an der nötigen Bewusstseinsklarheit mangelt, welche die Erziehungswissenschaft auszeichnet. Pädagogik lässt sich nicht in abstrakte Regeln pressen.

„Eine Pädagogik und Didaktik, die ihre Regeln in abstrakte Gesetze faßt, ist eigentlich für den praktischen Erzieher und Unterrichter wirklich etwas, was ihn allmählich in eine Lebenssituation bringt, wie wenn er sich fortwährend selber auf die Füße treten würde und dabei gehen wollte; sie bringt einen um alle Unbefangenheit. Wenn man immer nachdenken sollte: Wie soll eigentlich erzogen werden? Welche Regeln schreibt Pädagogik und Didaktik vor? - dann verliert man eben die Unbefangenheit, dann verliert man das Berechtigte des Instinktiven. Nicht so wirkt eine Pädagogik und Didaktik, die auf anthroposophischer Grundlage erbaut ist; die zieht sich viel intimer in das ganze menschliche Leben hinein, und es werden einem nicht die elementaren Erziehungsinstinkte untergraben, sondern sie werden gerade angefeuert, belebt, durchwärmt, erkraftet. Man verliert nicht die Unbefangenheit, sondern man vertieft, man belebt sie. Das ist dasjenige, was anthroposophische Pädagogik und Didaktik für den Lehrer, für den Erzieher anstrebt.“ (Lit.:GA 303, S. 95f)

Waldorfpädagogik ist keine Normpädagogik

"Wer einer Normpädagogik anhängt, Programme prägt, die gewisse Erziehungsgrundsätze geben, nun, der weiß, wie man unterrichtet. Derjenige aber, der aus dem unmittelbaren Leben heraus unterrichten soll, der kann, ich möchte sagen nur die Impulse bekommen, um zu beobachten, was sich von Jahr zu Jahr, von Woche zu Woche, von Monat zu Monat in dem werdenden Menschen wirklich ergibt. Da muß man fortwährend, wenn es auch eine noch so große Klasse wäre, in lebendigem Verkehre sein, da muß man Verständnis dafür haben, was es heißt, nicht aus dem Gedächtnis heraus eine eingelernte Pädagogik zu üben, sondern in jedem Momente dem lebendigen Menschen gegenüber die individuelle Methode neu zu erfinden, die man gerade diesem lebendigen Menschen gegenüber anzuwenden hat.

Dasjenige, was im Leben wirken soll, darf nicht auf dem Gedächtnis, nicht auf der Gewohnheit beruhen. Was uns ins Gedächtnis eingeht und was wir gedächtnismäßig üben in unserer menschlichen Betätigung, was wir aus der Gewohnheit heraus üben, das wird unter allen Umständen zu etwas wie einer strohernen Schablone. Dasjenige, was aus dem Geistesleben hervorgeht, das kann niemals zu einer strohernen Schablone werden!

Es hat Zeiten gegeben, gibt es bestimmt noch, in denen ich dasselbe Thema Woche für Woche hindurch vorgetragen habe. Ich glaube nicht, daß man mir nachsagen kann, daß ich einen einzigen Vortrag zweimal gehalten habe, daß ich jemals über dasselbe Thema zweimal hintereinander genau gleich gesprochen habe, weil es sich, wenn es sich um das Sprechen aus dem Geiste heraus handelt, um das unmittelbar augenblickliche Produzieren handelt, weil es gar nicht möglich ist, dasjenige, was aus dem Geiste heraus produziert wird, im gewöhnlichen Sinne dem Gedächtnismäßigen anzuvertrauen, weil das in unmittelbarem Leben sich fortwährend entwickeln muß. Wer aus dem Geist heraus wirkt, dem ist das bloße gedächtnismäßige Aufbewahren irgendeines geistigen Wissens ungefähr so, wie wenn einer sagen würde: Ich esse heute nicht, denn ich habe ja vorgestern gegessen. Warum soll ich heute wieder essen? Mein Leib wird sich schon auf Grund dessen aufbauen, was ich vorgestern gegessen habe. - Ja, unser physischer Organismus ist in der fortwährenden Lage, daß er sich immer erneuert. Dem muß auch der Geist Rechnung tragen. In diesem lebendigen Leben muß auch der Geist drinnenstehen. Der wirkliche Geist muß jederzeit ein Schaffendes sein. So muß auch eine vom Geiste getragene Pädagogik eine fortwährend schaffende Kunst sein." (Lit.: GA 297, S. 152f)

Erziehung in Freiheit und zur Freiheit

„Worauf ist denn eigentlich die Waldorfschule in Stuttgart, die aus einer geistgemäßen Welt- und Lebensanschauung heraus geschaffen ist, gebaut? Sie will gerade als eine soziale Einrichtung in das gegenwärtige soziale Leben sich so hineinstellen, wie es die Kräfte der Gegenwart selber erfordern. Daher ist sie durchaus nicht darauf gebaut, in irgendeiner Beziehung eine Weltanschauungsschule zu sein. Das wäre eine ganz falsche Auffassung des Prinzips der Waldorfschule, wenn man glauben wollte, daß den Kindern dort irgendeine Weltanschauung beigebracht werden solle. Eine Welt- und Lebensauffassung, die als eine geistgemäße vertreten wird, ist eigentlich für die Lehrerschaft da. Und das, was an dieser Welt- und Lebensauffassung nicht Theorie, sondern volles Leben ist, kann sich auch ausleben in der pädagogischen Geschicklichkeit, in dem didaktischen Takt, in all dem, was der Lehrer ausführt, in dem ganzen Wirken des Unterrichtens und des Erziehens.

Auf das, was oftmals in einzelnen Sätzen über die Waldorfpädagogik gesagt wird, kommt es gar nicht an. Diesen einzelnen Sätzen gegenüber können einzelne Menschen ganz gut sagen: Ja, das wollen diese und jene Unterrichts- und Erziehungsmethoden auch. Es ist auch im Grunde genommen, wenn man auf abstrakte Prinzipien sieht, so, daß man sagen kann: Das, was man in abstrakten Sätzen in bezug auf Unterrichts- und Erziehungsmethoden der Waldorfschule sagen kann, findet man sonst auch. Worauf es hier ankommt, ist das unmittelbare Leben, das aus einer Leben erzeugenden Weltauffassung herausfließt und nicht aus einer bloß Begriffe erzeugenden Lebensauffassung.

Was wird dadurch erlangt? Nun, es ist schwer, scharfumrissene Begriffe hinzustellen, wenn man Leben schildern will. Daher will ich mich durch das Folgende ausdrücken: Es kommt auch ganz gewiß unter den Personen der Lehrerschaft der Waldorfschule vor, daß solche darunter sind, die nicht immer außerordentlich genial sind - man kann das sagen, ohne irgend jemandem nahezutreten. Aber wenn auch die verschiedensten Stufen der körperlichen, seelischen, geistigen Fähigkeiten im Lehrer vorhanden sind, so muß man doch wiederum sagen: Unter diesen Schulkindern, die der Lehrer da vor sich hat, könnten doch solche sein, die einmal Fähigkeiten im Leben entwickeln werden, welche weit über das hinausgehen, was der Lehrer selber an Fähigkeiten hat. Man muß also eine Pädagogik ermöglichen, durch die man nicht nur die Kinder in jedem Lebensalter so behandeln kann, daß sie einmal zu den Fähigkeiten kommen, die man selber hat, sondern daß sie eventuell ungehindert Fähigkeiten entwickeln, die man selber gar nicht hat, die in ihnen veranlagt sind. Man muß also, wenn man selbst auch nicht genial ist, der Entwickelung des Kindes zur Genialität kein Hindernis entgegensetzen. Man kann lange deklamieren, man solle die Individualität eines Kindes entwickeln, nicht irgend etwas in es hineinpfropfen, sondern alles aus dem Kinde herausholen - man kann das sagen, und wenn man bloß auf das Begriffliche hinsieht, so klingt es wunderschön, und man glaubt, es sei etwas Fruchtbares im Leben. Allein oftmals meint man doch mit dem, was man so sagt, nichts anderes als: man entwickelt das im Kinde, wovon man meint, daß es seine Individualität sein könne, und das werde keine über die Individualität des Lehrers hinausreichende Individualität sein.

In der Waldorfschule ist alles auf Erziehung in der Freiheit veranlagt. Das, was das innerste Geistig-Seelische im Menschen ist, wird im Grunde genommen überhaupt durch die Waldorfschulmethode gar nicht angetastet. Das wird ebensowenig angetastet, wie man etwa bei einer Pflanze, die man in den Boden setzt und durch Licht und Luft sich dann frei entwickeln läßt, allerlei Stockchen anbringt und sie hineinschnürt in die Schablone. Die geistig-seelische Individualität des Kindes ist ein Heiligstes, von dem derjenige, der die wahre Menschennatur erkennt, weiß, daß es ganz von selber den Impulsen folgt, die die Umgebung, die alle Welt auf es ausübt. Daher hat der Lehrer hinwegzuräumen, was diese mit heiliger Scheu behütete Individualität in ihrer Entwicklung hindern kann. Die Hindernisse, die vom Physischen, vom Seelischen und auch vom Geistigen ausgehen können, kann man in einer echten Menschenkunde durchschauen, wenn man diese Menschenkunde nach der pädagogischen und psychologischen Seite hin entwickelt. Und gerade wenn man eine solche Menschenkunde entwickelt, lernt man mit feinem Sinn beobachten, wo irgendein Hindernis der freien Entwickelung der Individualität da ist. Man braucht da nicht grob hineinzugreifen. Man vermeidet eine fremdartige Gestaltung dieser Individualität. Indem man sieht: da ist ein Hindernis, das muß man hinwegräumen, räumt man es hinweg. Dann weiß die Individualität sich durch ihre eigene Kraft zu entwickeln in einer Weise, die in ihren Fähigkeiten weit über das hinausgehen kann, was der Lehrer in sich hat.

Das heißt aber wirkliche Achtung gegenüber der menschlichen Freiheit haben! Diese menschliche Freiheit bedingt, daß der Mensch die Impulse, die ihn leiten und treiben im Leben, in sich selber findet.“ (Lit.:GA 83, S. 185ff)

Literatur

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Kritische Literatur
  • Klaus Prange: Erziehung zur Anthroposophie: Darstellung und Kritik der Waldorfpädagogik, 3. Auflage, Klinkhardt 2000, ISBN 978-3781510890
  • Sybille-Christin Jacob, Detlef Drewes: Aus der Waldorfschule geplaudert: Warum die Steiner-Pädagogik keine Alternative ist, 2. Auflage, Alibri Verlag 2004, ISBN 978-3932710841
  • Heiner Ullrich: Waldorfpädagogik: Eine kritische Einführung, Beltz Verlag 2015, ISBN 978-3407257215; eBook ASIN: B010U1P15C
  • Hellmich, Achim und Teigeler, Peter (Hrsg.): Montessoripädagogik, Freinetpädagogik, Waldorfpädagogik - Konzeption und aktuelle Praxis. Beltz Verlag, 1999. ISBN 3407252188
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

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Einzelnachweise

  1. Karl Rössel-Majdan: Vom Wunder der menschlichen Stimme 1. Sprachgestaltung, Troxler Verlag, Wien 1975, S. 166