Psychologie

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Die Psychologie ist eine empirische Wissenschaft. Ihr Ziel ist es, menschliches Erleben und Verhalten, deren Entwicklung im Laufe des Lebens sowie alle dafür maßgeblichen inneren und äußeren Ursachen oder Bedingungen zu beschreiben und erklären.

Das Wort Psychologie (als psychologia erstmals im 16. Jahrhundert belegt) bedeutet wörtlich Seelenkunde[1] (abgeleitet von griechisch ψυχολογία, psychología, von altgriech. ψυχή psyché ‚Hauch‘, ‚Seele‘, ‚Gemüt‘ und -logie als Lehre bzw. Wissenschaft[2]).

Einordnung

Psychologie ist als Wissenschaft bereichsübergreifend: Sie lässt sich weder gänzlich den Naturwissenschaften noch den Sozialwissenschaften oder Geisteswissenschaften allein zuordnen. Eine Anthropologie im weitesten Sinn und die Methoden der Statistik bilden ihre Grundlage. Eine aus dem angelsächsischen Raum stammende Einteilung untergliedert Psychologie im Sinne der Behavioural sciences in Verhaltenswissenschaft, Kognitionswissenschaft und Neurowissenschaft. Da nach Meinung mancher mittels rein naturwissenschaftlich-empirischer Forschung nicht alle psychologischen Phänomene erfasst werden können, ist auch auf die Bedeutung der geisteswissenschaftlichen Psychologie zu verweisen.

Neben der akademischen Psychologie existiert eine Alltagspsychologie. Sie ist vereinzelt Gegenstand der akademischen Disziplin, von der hier die Rede ist.[3] Sie bedient sich ursprünglich akademisch-psychologischer Konzepte und Begriffe, die in die Alltagssprache eingeflossen sind, und beruft sich gerne auf den sogenannten „gesunden Menschenverstand“. Dessen Erkenntnisse genügen nicht den wissenschaftlichen Ansprüchen, etwa hinsichtlich ihrer Objektivität, Reliabilität und Validität.[4]

Psychologen sind Personen, deren Berufsbild durch die Anwendung psychologischen Wissens charakterisiert ist und deren Bezeichnung in Deutschland ein Hochschulstudium im Hauptfach Psychologie voraussetzen.

Ursprung und Geschichte

Psychologie wurde als eigenständige akademische Disziplin Anfang des 19. Jahrhunderts in damaligen wissenschaftlichen Zentren Deutschlands wie Leipzig und Königsberg begründet.

In Leipzig gründete Wilhelm Wundt gemeinsam mit Gustav Theodor Fechner 1879 (zunächst als Privatinstitut) das Institut für experimentelle Psychologie. Um diese beiden sammelte sich binnen kurzer Zeit ein Kreis engagierter junger Forscher, zu denen unter anderem Emil Kraepelin, Hugo Münsterberg, Granville Stanley Hall und James McKeen Cattell gehörten. 1883 wurde das Institut offizielles Universitätsinstitut.

Insbesondere Johann Friedrich Herbart, ab 1809 Nachfolger Immanuel Kants auf dessen Königsberger Lehrstuhl, bemühte sich mit zahlreichen Veröffentlichungen um eine eigene Lehre der Psychologie (siehe die entsprechenden Angaben dazu in dem Namensartikel zu Herbart 1816, 1824, 1839–1840 und 1840). Dies ist deshalb nicht so geläufig, da Herbart vornehmlich als Begründer der wissenschaftlichen Pädagogik gilt. Dennoch ist die Bedeutung Herbarts für beide Disziplinen nicht zu unterschätzen. Wissenschaftler heutiger Zeit entdecken bisweilen, dass scheinbare neue Entwicklungen sich schon in Ansätzen bei Herbart und zeitgenössischen Wissenschaftlern finden.

1896 verwendete Sigmund Freud zum ersten Mal den Begriff Psychoanalyse.

Die Tierpsychologie (heute: Verhaltensforschung) sonderte sich im frühen 20. Jahrhundert unter Konrad Lorenz als eigenständiges Fach von der Psychologie ab. Sie ging ebenfalls maßgeblich vom ehemaligen Lehrstuhl Kants aus.

Standortbestimmung

Entgegen ihrem Bild und dem Verständnis in der Öffentlichkeit ist die in den akademischen Institutionen betriebene und gelehrte Psychologie eine streng empirische Wissenschaft. Als empirische Wissenschaft vom Erleben und Verhalten obliegt es der Psychologie, Theorien und daraus abgeleitete Modelle, Hypothesen, Annahmen für die Beantwortung einer konkreten Fragestellung usw. mit geeigneten wissenschaftlichen Methoden empirisch zu prüfen. Die Methodik ist überwiegend naturwissenschaftlich, mithin quantitativ, in Verbindung mit experimentellem oder quasi-experimentellem Vorgehen. Daher stellen die Mathematik, insbesondere die Deskriptive Statistik, die Stochastik – hier besonders die Induktive Statistik und die statistischen Testverfahren – sowie zunehmend Ansätze der Systemtheorie – insbesondere die mathematische Systemanalyse – wichtige Werkzeuge der Psychologen dar.

Als empirische Humanwissenschaft unterscheidet sich Psychologie von verwandten Forschungsgebieten anderer Fächer, die zum Teil eigene „Psychologien“ inkorporieren, wie beispielsweise Philosophie, Soziologie, Pädagogik, Anthropologie, Ethnologie, Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaften, Allgemeinen Linguistik, Medizin[5] und Zahnmedizin[6] oder Biologie, durch naturwissenschaftlich-experimentelle Ausrichtung: Mentale Prozesse, konkrete Verhaltensmechanismen sowie Interaktionen von mentalen Prozessen und dem Verhalten von Menschen werden beschrieben und erklärt, wobei Überschneidungen bis hin zur gegenseitigen Interdisziplinarität möglich sind. Diese Abgrenzung kann als eine erweiterte Definition der Psychologie gelesen werden.

Methodisch finden sich heute neben den naturwissenschaftlichen Ansätzen auch solche der empirischen Sozialwissenschaften. Eine Schwerpunktsetzung schwankt je nach Ausrichtung eines psychologischen Fachbereiches. Vorherrschend sind hier quantitative Methoden, wiewohl auch qualitative Methoden zum Repertoire gehören, zum Beispiel Grounded Theory oder Inhaltsanalyse. Die Trennung zwischen qualitativer und quantitativer Sozialforschung ist nicht immer eindeutig: Die Psychologie unterscheidet eher zwischen primär naturwissenschaftlichen und primär sozialwissenschaftlichen methodischen Ansätzen, die sehr oft neben den quantitativen in einer gewissen Art und Weise auch qualitative Aspekte beinhalten. Eine Trennung zwischen natur- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen ist nicht immer eindeutig möglich.

Insbesondere bei mathematischen und statistischen Modellierungen ist, wie sonst in der quantitativ geprägten psychologischen Arbeitsweise, das Vorgehen nicht zwingend deduktiv.

Wenig bekannt ist, dass in der Psychologie wie in anderen Naturwissenschaften und der Medizin auch Tierversuche durchgeführt werden, sowohl im Rahmen der psychologischen Grundlagenforschung, vornehmlich der Allgemeinen und der Biopsychologie, als auch zum Beispiel in der Klinischen Psychologie. Schon in den 1920er Jahren, vor allem im Rahmen der Lernforschung durchgeführt, wurden sie grundlegender Bestandteil der Aggressions-, Stress- und Angstforschung, später auch der Depressionsforschung und der Wahrnehmungsforschung. Insbesondere bei neuropsychologischen Fragestellungen wurden sie nochmals, besonders in Form von Läsionsexperimenten, verstärkt eingesetzt. Heute werden sie vornehmlich in Forschungen zur Psychoneuroendokrinologie und -immunologie, zur Umweltpsychologie, zur Ernährungspsychologie und zum Beispiel auch in der Erforschung selbstverletzenden Verhaltens, vor allem aber in der Sucht­forschung eingesetzt. Auch psychologische Tierexperimente unterliegen weltweit strengen ethischen Standards.

Was die moderne Psychologie nicht ist

Die Auffassung über Psychologie als Wissenschaftsdisziplin unterliegt einem historischen Wandlungsprozess, immer im Spannungsfeld zwischen Geistes- und Naturwissenschaften liegend. Eine rein „geisteswissenschaftlich“ verstandene Psychologie lässt sich am ehesten aus der deutschen Philosophie als „verstehende Psychologie“ (Wilhelm Dilthey) ableiten. Die Psychologie ist nach moderner Auffassung nur insoweit eine „Geisteswissenschaft“, zumindest bezogen auf die englische Bedeutung der Humanities, als sie sich mit dem Menschen, genauer gesagt mit den ausgewählten Aspekten des Menschseins, eben dem zu beobachtenden Erleben und Verhalten, befasst.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass bis weit ins 19. Jahrhundert hinein die Psychologie ein Teil der Philosophie war und als „spekulative“ oder „rationale“, also nicht-empirische, Psychologie meist der Metaphysik zugeordnet wurde. Der deutsche Aufklärungsphilosoph Christian Wolff setzte dieser „rationalen“ Psychologie bereits eine „empirische“ entgegen, meinte damit aber eine introspektive, also nach heutigem Sprachgebrauch gerade nicht empirische Psychologie.[7] Wiewohl anfangs die Introspektion anerkannte Methode in den frühen psychologischen Experimenten war und erst später wegen erkannter methodischer Probleme und besserer indirekter Beobachtungsmethoden – besonders durch die Gestaltpsychologie der Würzburger Schule – aus dem Repertoire der Psychologie weitgehend verschwand. Im Unterschied zu den Begriffen Seele oder Geist als Synonyme für Psyche sind sie im metaphysischen beziehungsweise theologischen Sinn nicht Gegenstand der heutigen Psychologie. Bei ihrer Begründung im 19. Jahrhundert wurden metaphysische Elemente explizit ausgeklammert, jedoch deren Gegenstände – natürlich mit Beschränkung auf im gewählten methodischen Zugang auch untersuchbare Bereiche – in Kombination damals neuer Methoden der Biologie und Physik, später auch der modernen Inferenzstatistik, erforscht.

Die Ausgestaltung der Psychologie als eine eigene akademische Disziplin geht einher mit der durchaus kompromisshaften Lösung methodologischer Probleme, die schon innerhalb der Philosophie lange Zeit heftig diskutiert wurden, wie beispielsweise auch von Immanuel Kant. Möglich wurde dies durch neue Erkenntnisse der Experimentalphysik und Neuerungen insbesondere der Biologie, genauer: der Sinnesphysiologie des 19. Jahrhunderts. Dadurch bedingt, beschränkt sich die Psychologie in ihrer Arbeitsweise wie auch in ihrem Anspruch (Psychologie ist keine Universalwissenschaft der „menschlichen Seele“ oder „des Menschlichen“); wesentlich ist also auch ein vornehmlich der Physik und besonders der Biologie entlehnter Reduktionismus. Außerhalb dieses Vorgehens bleiben die methodologischen Probleme bestehen, sodass auch nach heute gültigen mehrheitlich vertretenen wissenschaftstheoretischen Ansichten Psychologie als eine eigene Wissenschaftsdisziplin nur unter diesen Prämissen, analog insbesondere zu den Naturwissenschaften, möglich ist.

Insofern bestehen Gebiete mit stärker „spekulativen“ oder „metaphysisch“ geprägten „psychologischen Ansätzen“ oder Seelenlehren, zum Beispiel eingebettet innerhalb der Philosophie und Theologie, teilweise auch in den Kulturwissenschaften und vereinzelt in der Soziologie weitgehend unabhängig von der akademischen Psychologie fort.

Psychologie ist auch nicht – insbesondere im Hinblick auf die Darstellung ihrer Geschichte – mit dem Gebiet der Philosophie des Geistes zu verwechseln. Nach einem weiteren populären Irrtum beschäftigt sich die Psychologie hauptsächlich mit gestörtem Verhalten und „psychischen Problemen“. Tatsächlich stellt die Klinische Psychologie aber nur einen Teilbereich der Angewandten Psychologie dar.

Verhältnis zu angrenzenden Fächern

Häufig wird die Psychologie mit Psychotherapie, Psychiatrie, Psychosomatik und Psychoanalyse verwechselt oder gleich gesetzt. Hierbei handelt es sich um irrtümliche Auffassungen.

Psychotherapie und Psychiatrie

Psychotherapie ist die professionelle Behandlung von psychischen Erkrankungen mit psychologischen Mitteln.[8] Um als Psychotherapeut in Deutschland tätig werden zu dürfen, ist eine Approbation nötig. Diese setzt grundsätzlich neben einem einschlägigen wissenschaftlichen Hochschulstudium in Psychologie oder Medizin (im letzteren Fall mit Approbation zum Arzt) auch eine entsprechende, gesetzlich geregelte Weiterbildung voraus. Auch wenn das Fach Klinische Psychologie absolviert wurde, dürfen daher Psychologen ohne entsprechende Approbation nicht als Psychotherapeuten tätig sein. In Deutschland ist zwischen einem (bloßen) Psychologen und einem Psychologischen Psychotherapeuten bzw. zwischen einem (bloßen) Arzt und einem Ärztlichen Psychotherapeuten zu differenzieren. Für Ärzte gibt es mehrere Wege, die Qualifikation zum Psychotherapeuten zu erlangen. Darüber hinaus existiert das Berufsbild eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Unter gewissen Voraussetzungen dürfen auch Heilpraktiker Psychotherapie betreiben.

Psychoanalyse

Ein Psychoanalytiker ist in den meisten Fällen ein Psychologe oder Arzt, der nach dem jeweiligen Studium eine Weiterbildung in Psychoanalyse abgeschlossen hat. Die Psychoanalyse ist Teil der Tiefenpsychologie und wurde durch Sigmund Freud begründet. Das Spezifische der Psychoanalyse ist ihre Ausrichtung auf die Erforschung des Unbewussten. Psychoanalytische Konzepte spielen in der Entwicklungspsychologie, der Pädagogischen Psychologie, der Klinischen Psychologie, der Sozialpsychologie, sowie in der Differentiellen- und Persönlichkeitspsychologie eine Rolle. In der internationalen Psychotherapie stellt die Psychoanalyse in vielen modifizierten Formen keine einzelne, vielmehr verschiedene Behandlungsverfahren für Psychische Störungen dar. Gleichzeitig ist die Psychoanalyse nicht nur eine Behandlungsmethode der Psychotherapie, sondern auch ein Modell des Menschen im Sinne von Heuristiken durch Induktion.

Die Psychoanalyse nach Sigmund Freud sowie die Theorien anderer Vertreter einer Tiefenpsychologie wie Carl Gustav Jung oder Alfred Adler spielen in der heutigen Psychologie an den meisten deutschen Universitäten eine Nebenrolle, an vielen naturwissenschaftlichen Fakultäten wird an den psychologischen Instituten die Psychoanalyse (im Gegensatz zu kultur- und geisteswissenschaftlichen Fakultäten) praktisch ausgeklammert und häufig wissenschaftshistorisch aufgrund des Induktionsproblems kritisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg avancierten tiefenpsychologische Ansätze innerhalb der Psychologie kurzzeitig zum Forschungsparadigma. Insbesondere in den Bereichen Motivation und Kognition gab es Versuche, tiefenpsychologische Annahmen in der Modellbildung zu berücksichtigen. Einiges konnte nach den vorherrschenden wissenschaftstheoretischen Vorstellungen in weiterführende Modelle integriert und weiter differenziert werden und einiges konnte anders oder zumindest sparsamer erklärt werden (siehe Ockhams Rasiermesser). In der Regel entfernen sich Ansätze dieser Art jedoch sehr weit von den theoretischen und praktischen Konzepten der Psychoanalyse.

Die Psychoanalyse wird oft als unwissenschaftlich abgelehnt, z. B. durch Karl Popper, der sie als Pseudowissenschaft einstufte. Gleichwohl gibt es heutzutage Bestrebungen seitens der Psychoanalyse, sich der Forderung nach wissenschaftlicher Überprüfbarkeit zu stellen. Besonders deutlich wurde dies in Deutschland durch die Umwandlung des Sigmund-Freud-Instituts Frankfurt zur reinen Forschungseinrichtung, die Gründung der International Psychoanalytic University Berlin, sowie durch zahlreiche Publikationen der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung, der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft, der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung und der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie.

Der Mediziner Otto F. Kernberg, der zurzeit wohl bedeutendste Vertreter der Objektbeziehungstheorie, publizierte beispielsweise über die Integration von Erkenntnissen und Vorstellungen verschiedener neurowissenschaftlicher Disziplinen mit psychoanalytischen Erklärungsmodellen. Auch in erkenntnistheoretischer Hinsicht wird der kritisch-rationalistische Standpunkt Poppers nicht unwidersprochen rezipiert.[9] Dennoch wurde und wird die Psychoanalyse sowohl aus der Psychologie heraus wie auch von Seiten der Philosophie kritisiert; insbes. Grünbaum (1988) legte eine v. a. aus erkenntnistheoretischer Sicht grundlegende moderne Kritik an der Psychoanalyse vor.[10]

Wissenschaftliche Paradigmen

Innerhalb der Psychologie existieren viele grundlegend verschiedene Denkansätze (Paradigmen) und Behandlungsmethoden, die darauf basieren. Die wichtigsten sind das

  • behavioristische Paradigma,
  • das Informationsverarbeitungsparadigma
  • das psychoanalytisch-psychodynamische Paradigma
  • das phänomenologisch-humanistische Paradigma,
  • das Eigenschaftsparadigma,
  • das dynamisch-interaktionistische Paradigma und
  • das soziobiologische Paradigma sowie die Evolutionäre Psychologie.

Diese Paradigmen sind keine Teildisziplinen der Psychologie (wie etwa die Allgemeine Psychologie), sondern jedes ist ein theoretisches Konzept für die verschiedenen Teildisziplinen und Forschungsprogramme der Psychologie. Diese Ansätze, die sich in Grundannahmen und in der Methodik unterscheiden, werden in der Regel nicht explizit erwähnt, bilden aber eine sehr wichtige Grundlage für das (korrekte) Verständnis der Psychologie, ihrer Theorien und v. a. der psychologischen Forschungsergebnisse. Heute sind innerhalb eines psychologischen Faches (einer Disziplin) in der Regel verschiedene Paradigmen gleichberechtigt (so z. B. in der aktuellen persönlichkeitspsychologischen Forschung das Informationsverarbeitende Paradigma, das Eigenschaftsparadigma und das dynamisch-interaktionistische Paradigma). Diese Komplexität der Psychologie sollte man vor allem auch in Bezug auf die einzelnen Disziplinen berücksichtigen: Es gibt eben innerhalb einer Disziplin immer verschiedene Herangehensweisen, unter denen ein Gegenstandsbereich betrachtet werden muss, bzw. eben eine hohe methodologische Flexibilität, unter der eine Fragestellung bestmöglich wissenschaftlich-methodisch beantwortet werden kann.

Zuordnung zu den unterschiedlichen Fakultäten

Die Anbindung eines psychologischen Fachbereichs an eine Fakultät (in der Regel naturwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche oder philosophische) sagt nicht immer etwas über dessen Ausrichtung aus (eher naturwissenschaftlich oder eher sozialwissenschaftlich). Diese Anbindungen sind in der Regel historisch oder verwaltungstechnisch begründet. Insofern kann man z. B. auch keine analogen Rückschlüsse über den Doktorgrad eines promovierten Psychologen ziehen; anders ausgedrückt: Man kann als Psychologe im Extrem einen Dr. phil. mit einer Dissertation in Neuropsychologie erlangen und genauso im Extrem einen Dr. rer. nat. mit einer qualitativ-sozialwissenschaftlichen Arbeit.

Disziplinen

Vielfach wird innerhalb der Psychologie zwischen Grundlagen-, Anwendungs- und Methodenfächern unterschieden. Außerdem kann der empirischen Forschung sowie der Praxis der Angewandten Psychologie eine Theoretische Psychologie (Metatheorie) gegenübergestellt werden.

Grundlagenfächer

Innerhalb dieser Disziplinen kann man noch zwischen solchen unterscheiden, die auch Bestandteil anderer Grundlagenfächer sind, und solchen, die grundlegende Erkenntnisse in spezifischen Kontexten liefern. Zu den ersteren gehören die Psychologische Methodenlehre, sowie die Allgemeine Psychologie und die Biopsychologie (die wiederum untereinander stark vernetzt sind), zu den letztgenannten die Sozialpsychologie, die Entwicklungspsychologie sowie die Persönlichkeits- und Differenzielle Psychologie. Die neuere Einteilung (z. B. für die Bachelor-of-Science-Studiengänge) fasst die Allgemeine und die Biologische Psychologie unter „Kognitive und biologische Grundlagen des Verhaltens und Erlebens“ zusammen, die Persönlichkeits-, Differenzielle, Sozial- und Entwicklungspsychologie unter „Grundlagen intra- und interpersoneller Prozesse“.

Anwendungsfächer

Weitere Anwendungsbereiche der Psychologie bilden u. a. die Verkehrs-, Organisations-, Personalpsychologie, Medien-, Rechts-, Kulturvergleichende-, Geronto-, Sport-, Umwelt-, politische Psychologie, Führungspsychologie, Gesundheitspsychologie, Behavioral Finance, Werbepsychologie, Suchtprävention usw.

Methodenfächer

  • Die Psychologische Methodenlehre befasst sich mit der gesamten Bandbreite des Instrumentariums („Handwerkszeug“) psychologischen Erkenntnisgewinns. Sie stellt den existierenden Verfahrensfundus für andere Disziplinen der Psychologie bereit und ist gleichermaßen ein eigenständiges Forschungsgebiet mit dem Ziel, den Methodenbestand zu verbessern und zu ergänzen, etwa durch Eigenentwicklungen (wie z. B. der Metaanalyse) oder auch durch Adaption von Verfahren aus den Katalogen anderer Wissenschaften. Dabei reicht ihr inhaltliches Spektrum von Wissenschaftstheorie und Ethik über Experimentalmethodik, Evaluations­forschung bis hin zu Hilfswissenschaften mit hohem Stellenwert, v. a. Mathematik (hauptsächlich Statistik) sowie Informatik oder Spezialfällen der Psychologischen Methodenlehre wie der Mathematischen Psychologie.
  • Ein weiteres Methodenfach ist die Psychologische Diagnostik (diagnostische Entscheidungsfindung) mit Verbindungen zur Methodik (z. B. Testtheorie, -konstruktion und -analyse). Die Diagnostik ist die Grundlage jeglicher Intervention und somit für alle Bereiche der Psychologie relevant.

Grundsätzlich sind auch andere Klassifikationen psychologischer Teildisziplinen möglich, z. B. solche, die einen Forschungsgegenstand benennen und als Untergebiet oder Arbeitsschwerpunkt ausweisen oder diesen über alle ihn betreffende Disziplinen hinweg und zusammenfassend beschreiben (z. B. Wahrnehmungspsychologie, Emotionspsychologie u. a.), oder auch solche, die zugrunde liegende Ansätze oder besondere Aspekte von Paradigmen betonen (z. B. Verhaltenspsychologie, Evolutionäre Psychologie u. a.). Diese eher bereichsspezifischen Bezeichnungen (mit entsprechender thematischer Bündelung von verschiedenen Inhalten) finden sich auch häufig dann, wenn es um eine umfassende Vermittlung von spezifischen Inhalten und weniger um Forschung und methodische Zusammenhänge geht, also insbesondere wenn psychologisches Wissen im Rahmen von Neben- oder Hilfsfächern (z. B. an nicht-psychologischen Fachbereichen, in Fachhochschulstudiengängen usw.) vermittelt wird. Hier werden auch zum Teil Bezeichnungen o. g. Grundlagendisziplinen anders inhaltlich ausgefüllt, wie z. B. Allgemeine Psychologie als eine den allgemeinen (ersten) Überblick gebende Einführung in die Psychologie (wie in den sprichwörtlichen 101-Kursen in den USA) oder Pädagogische Psychologie als Psychologie für Pädagogen.

Analyseebenen der Psychologie

Jedes Individuum ist ein komplexes System aus mehreren kleinen Systemen, das wiederum Teil eines großen sozialen Systems ist. Es wird also auf unterschiedlichen Analyseebenen gearbeitet, die einander ergänzen. Die differierenden Analyseebenen bilden zusammen einen sogenannten biopsychosozialen Ansatz: Darin werden die Einflüsse biologischer, psychologischer und soziokulturellen Faktoren gleichermaßen beachtet und berücksichtigt. Diese drei zentralen unterschiedlichen Analyseebenen beeinflussen und steuern das Verhalten und die mentalen Prozesse eines Individuums.[11]

Biologische Einflüsse

Zu den biologischen Einflüssen zählt die Selektion adaptiver Merkmale, also Merkmale, die für das Überleben und den Fortpflanzungserfolg eines Individuums vorteilhaft sind. (Siehe Evolutionäre Anpassung). Auch die genetischen Prädispositionen, also die erblich bedingte Empfänglichkeit für bestimmte Erkrankungen in der entsprechenden Umgebung, spielen eine große Rolle beim menschlichen Verhalten. Zudem wirken sich die Gehirnmechanismen und die hormonellen Einflüsse unterschiedlich auf das Verhalten und Prozesse des Denkens, der Vorstellung, der Sprache und des Urteils aus.

Psychologische Einflüsse

Zu den psychologischen Einflüssen, die sich auf unser Verhalten auswirken, zählen erlernte Ängste, Unsicherheiten und andere erlernte Erwartungen. Auch emotionale Reaktionen, kognitive Verarbeitungen und Wahrnehmungsinterpretationen werden unter die psychologischen Einflüsse gefasst.

Soziokulturelle Einflüsse

Großen Einfluss auf das menschliche Verhalten und die mentalen Prozesse haben die soziokulturellen Faktoren. Das soziale Umfeld in dem sich ein Individuum bewegt und die Anwesenheit Anderer hat erheblichen Einfluss auf individuelle Verhaltensweisen. Auch die Erwartungen, die die Kultur, die Gesellschaft und die Familie an einen stellt zählen zu den soziokulturellen Einflüssen. Besonders wichtig sind zudem Einflüsse vonseiten der Gleichaltrigen und von anderen Gruppen.

Siehe auch

Portal
Portal
 Wikipedia:Portal: Psychologie – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Psychologie

Literatur

Philosophische Grundlagen

Allgemeine Einführungen und Lehrbücher (Auswahl)

  • David G. Myers: Psychologie. 3. Auflage. Springer, Heidelberg, Berlin 2014, ISBN 978-3-642-40781-9.
  • Lyle E. Bourne, Bruce R. Ekstrand: Einführung in die Psychologie. 4. Auflage (Nachdruck). Verlag Dietmar Klotz, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-88074-500-5.
  • Stefan Lautenbacher, Astrid Schütz, Herbert Selg (Hrsg.): Psychologie – Eine Einführung in ihre Grundlagen und Anwendungsfelder. 3. Auflage. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, Berlin, Köln 2005, ISBN 978-3-17-018373-5.
  • Hilgards Einführung in die Psychologie, Frontcover, Rita L. Atkinson, Richard C. Atkinson, Edward E. Smith, Joachim Grabowski, Susan Nolen-Hoeksema, Daryl J. Bem, Akademie Verlag 2001
  • Norbert Groeben (Hrsg.): Zur Programmatik einer sozialwissenschaftlichen Psychologie. Aschendorff, Münster 1997/1999.
  • Joachim Grabowski, Elke van der Meer (Hrsg.): Hilgards Einführung in die Psychologie. Von Rita L. Atkinson, Richard C. Atkinson, Edward E. Smith u. a. Spektrum Lehrbuch, 2001, ISBN 3-8274-0489-4.
  • Richard J. Gerrig, Philip Zimbardo: Psychologie. 18. Auflage. Pearson Studium, München 2008, ISBN 3-8273-7275-5.
  • Wolfgang Metzger: Psychologie – Die Entwicklung ihrer Grundannahmen seit Einführung des Experiments. 6. Auflage. Krammer, Wien 2001 (Erstauflage 1941).
  • Jochen Müsseler (Hrsg.): Allgemeine Psychologie. 2. Auflage. Spektrum, Heidelberg 2008, ISBN 3-8274-1780-5.
  • Kurt Pawlik (Hrsg.): Handbuch Psychologie. Wissenschaft – Anwendung – Berufsfelder. Springer, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-22178-6.

Lehrbücher zu Teilbereichen der Psychologie

  • M. Amelang, D. Bartussek: Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung. Kohlhammer, 2001, ISBN 3-17-016641-7.
  • J. R. Anderson: Kognitive Psychologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1996, ISBN 3-86025-354-9.
  • E. Aronson et al.: Sozialpsychologie. Pearson Studium, 2003, ISBN 3-8273-7084-1.
  • Bernad Batinic, Markus Appel (Hrsg.): Medienpsychologie. 2008, Heidelberg: Springer. ISBN 978-3-540-46894-3.
  • Niels Birbaumer, R. F. Schmidt: Biologische Psychologie. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-25460-9.
  • Jürgen Bortz, Christof Schuster: Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler. 7. Aufl. Springer, 2010, ISBN 978-3-642-12769-4.
  • Jürgen Bortz, Nicola Döring: Forschungsmethoden und Evaluation. 4. Auflage. Springer, 2006, ISBN 978-3-540-33305-0.
  • G. C. Davison, J. M. Neale: Klinische Psychologie. PVU, Weinheim 2002, ISBN 3-621-27458-8.
  • Walter Hussy, Margrit Schreier, Gerald Echterhoff: Forschungsmethoden in Psychologie und Sozialwissenschaften – für Bachelor. Springer, 2009, ISBN 978-3-540-95935-9.
  • G. Felser: Werbe- und Konsumentenpsychologie. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2001, ISBN 3-7910-1944-9.
  • K. D. Kubinger: Psychologische Diagnostik – Theorie und Praxis psychologischen Diagnostizierens. Hogrefe, Göttingen 2006, ISBN 3-8017-1693-7.
  • G. Lienert, U. Raatz: Testaufbau und Testanalyse. PVU, Weinheim 1998, ISBN 3-621-27424-3.
  • R. Oerter, L. Montada: Entwicklungspsychologie. PVU, Weinheim 2002, ISBN 3-621-27479-0.
  • Lawrence A. Pervin, Daniel Cervone, Oliver P. John: Persönlichkeitstheorien. Mit 33 Tabellen (Originaltitel: Personality, übersetzt von Elfriede Peschel). 5., vollständig überarbeitete und erweitert Auflage, UTB 8035 / Reinhardt, München / Basel 2005, ISBN 978-3-497-01792-8 (E. Reinhardt) / ISBN 3-8252-8035-7 (UTB).
  • Hans-Otto Schenk: Psychologie im Handel. Entscheidungsgrundlagen für das Handelsmarketing. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Oldenbourg, München / Wien 2007, ISBN 978-3-486-58379-3 (1. Auflage 1995 unter dem Titel: Handelspsychologie).
  • Heinz Schuler, Hermann Brandstätter (Hrsg.): Lehrbuch Organisationspsychologie. 4., aktualisierte Auflage, Huber, Bern 2003, ISBN 978-3-456-84458-9.

Fachzeitschriften

Weblinks

 Wikibooks: Regal Psychologie – Lern- und Lehrmaterialien
 Wikiquote: Psychologie – Zitate
 Wikiversity: Psychologie – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher Austausch
 Wiktionary: Psychologie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Begriff Seelenkunde im Duden
  2. Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch, München/ Wien 1965
  3. Uwe Laucken, Naive Verhaltenstheorie. Klett, Stuttgart 1974, ISBN 3-12-925260-6
  4. Die akademische Psychologie hat sich von der Alltagspsychologie her entwickelt. Die Philosophie hat Jahrhunderte lang Einzelthemen aus ihr reflektiert, aber keine zusammenhängende Theorie der Psychologie formuliert und eine empirische psychologische Forschung angeregt. Anstöße zu einer wissenschaftlichen Erforschung psychischer Tatbestände datieren aus dem 19. Jahrhundert und kamen damals einerseits aus der sinnesphysiologischen Forschung in der Medizin („Psychophysik“), während andererseits die damals langsam wichtiger werdende junge psychische Heilkunde oder Psychiatrie immer mehr Bedarf an Klärung psychologischer Zusammenhänge zumindest im Bereich der Psychopathologie entwickelte.
  5. Gernot Huppmann, S. Fischnbeck (Hrsgg.): Psychologie in der Medizin. Würzburg 1992.
  6. Gernot Huppmann: Zu den Anfängen der Zahnärztlichen Psychologie: Arbeiten von Erich Stern (1898–1959), Wilhelm Balters (1893–1973) und Erich Heinrich (1895–1982). In: H.-G. Sergl, G. Huppmann, G. Kreyer (Hrsgg.): Jahrbuch der Psychologie und Psychosomatik in der Zahnheilkunde. Band 6, 1998, S. 213–224.
  7. Vgl. zu diesem (historischen) Psychologieverständnis den Artikel Psychologie in Friedrich Kirchners Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe (1907).
  8. Stichwort Psychotherapie im DORSCH (Enzyklopädie für Psychologie)
  9. Eberhard Döring: Immanuel Kant. Einführung in sein Werk. Marix Verlag, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-00-2, Seite 122 zur Falsifikation; Seite 236 ff. zum Kritischen Rationalismus.
  10. Grünbaum, A. (1988): „Die Grundlagen der Psychoanalyse – Eine philosophische Kritik.“ Reclam: Ditzingen.
  11. [Drei zentrale Analyseebenen der Psychologie, Quelle:David G. Myers: Psychologie. 3. Auflage]. Heidelberg: Springer, 2014, ISBN 978-3-642-40781-9


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