Philosophie des Geistes

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Die Philosophie des Geistes (eng. Philosophy of mind), die stark durch das angelsächsisch-naturwissenschaftliche Denken geprägt ist, beschäftigt sich mit der Natur geistiger oder mentaler[1] Zustände, ihren Wirkungen und Ursachen. Zentral ist dabei die Frage nach dem Verhältnis von geistigen und körperlichen Zuständen, woraus sich eine enge Verbindung mit den Neurowissenschaften ergibt, aus der neue philosophische Disziplinen wie die Neurophilosophie oder Neuroethik[2] entstanden sind.

Neben ontologischen Fragen befasst sich die Philosophie des Geistes auch mit den erkenntnistheoretischen Fragen nach der Erkennbarkeit des Geistes. Die Philosophie der Bewegung des Geistes durch die Geschichte, wie sie beispielsweise in Hegels Phänomenologie des Geistes als Bewegung des Weltgeistes einen besonderen Höhepunkt fand, wird thematisch davon getrennt. Geist wird in der Philosophie des Geistes im Sinn des angelsächsischen Begriffs „Mind“ verstanden, womit aber nur das leibgebundene Spiegelbild des eigentlichen Geistes gemeint ist.

Phrenologische Abbildung der geistigen Funktionen auf Schädelmerkmale

Das Leib-Seele-Problem

Das Leib-Seele-Problem (eng. mind–body problem), das manchmal auch „Körper-Geist-Problem“ genannt wird, ist das Kernstück der Philosophie des Geistes. Es besteht in der Frage, wie sich die mentalen Zustände (oder der Geist, das Bewusstsein, das Psychische, die Seele) zu den physischen Zuständen (oder dem Körper, dem Gehirn, dem Materiellen, dem Leib) verhalten. Handelt es sich hier um zwei verschiedene Substanzen? Oder sind das Mentale und das Physische letztlich eins? Dies sind die zentralen Fragen der Philosophie des Geistes. Jede Antwort wirft jedoch zahlreiche neue Fragen auf. Etwa: Sind wir in unserem Denken und Wollen frei? Könnten Computer auch einen Geist haben? Kann der Geist auch ohne den Körper existieren? Die Philosophie des Geistes ist daher mittlerweile ein enorm differenziertes Projekt. Bereits Platon hat dies in seinem Dialog Philebos (30a) thematisiert: „Sokrates: Unser Leib, wollen wir nicht sagen, der habe eine Seele? Protarchos: Offenbar wollen wir das. Sokrates: Woher aber, o lieber Protarchos, sollte er sie erhalten haben, wenn nicht auch des Ganzen Leib beseelt wäre, dasselbe habend wie er und noch in jeder Hinsicht trefflicher?“

René Descartes' Illustration des Leib-Seele-Problems: Reize werden von den Sinnesorganen weitergeleitet, erreichen die Epiphyse im Gehirn und wirken dort auf den immateriellen Geist ein
Illustration von Descartes: Der Reiz am Fuß wird über die Nerven ins Gehirn geleitet, interagiert dort mit dem Geist und erzeugt so ein Schmerzerleben.

Die erste klassische neuzeitliche Formulierung des Leib-Seele-Problems stammt von René Descartes.[3], der das sein berühmtes „cogito, ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) formulierte, das Rudolf Steiner als völlig verfehlt ansah:

„Cogito ergo sum - Ich denke, also bin ich. - Es ist die unsinnigste Formel, die man sich denken kann, denn gerade indem man denkt, ist man nicht. Man ist gerade außer dem Sein. Cogito ergo non sum - ist die wirkliche Wahrheit. So weit sind wir heute entfernt von der wirklichen Wahrheit, daß eben der größte neuzeitliche Philosoph an die Stelle der Wahrheit das Gegenteil gesetzt hat.“ (Lit.:GA 205, S. 181)

„Der Satz des Descartes «Cogito, ergo sum» ist eigentlich falsch. Der Satz müßte eigentlich heißen: Cogito, ergo non sum, ich denke, also bin ich nicht, denn das Denken beleuchtet niemals eine Realität, sondern im Gegenteil, es ist die Vernichtung der Realität. Erst wenn man durch Imagination, Inspiration und Intuition an das Ich herankommt, liegt die reale Gewißheit des Ich vor. Wenn wir uns angewöhnt haben, die Kriterien des Seins anzuwenden auf unsere Umgebung, so müssen wir sagen: Ich denke, also bin ich nicht. Gerade in diesem Nichtsein liegt die Möglichkeit der Aufnahme eines Neuen. Das ist dasjenige, was in der Intellektualität liegt. Die intellektualistischen Begriffe sind eigentlich gegenüber der Realität leer, sie sind Löcher im Weltenall, und das ist zur Entwickelung der Freiheit notwendig.“ (Lit.:GA 343a, S. 433)

Descartes entscheidender Irrtum besteht darin, dass er das Ich ins Körperinnere verlagert. Dort ist es aber nicht zu finden, sondern nur dessen unwirkliches Spiegelbild. Das wirkliche Ich befindet sich in der Außenwelt. Darauf hat Rudolf Steiner schon in seinem 1911 gehaltenen Bologna-Vortrag hingewiesen:

„Nun glaubt eine vorurteilsvolle Psychologie, Seelenlehre, daß dieses Ich eigentlich im Menschen drinnensitzt; da, wo seine Muskeln sind, sein Fleisch ist, seine Knochen sind und so weiter, da sei auch das Ich drinnen. Wenn man das Leben nur ein wenig überschauen würde, so würde man sehr bald wahrnehmen, daß es nicht so ist. Aber es ist schwer, eine solche Überlegung heute vor die Menschen hinzubringen. Ich habe es im Jahre 1911 schon versucht in meinem Vortrage auf dem Philosophenkongreß in Bologna. Aber diesen Vortrag hat ja bis heute keiner noch verstanden. Ich habe da versucht zu zeigen, wie es eigentlich mit dem Ich ist. Dieses Ich liegt eigentlich in jeder Wahrnehmung, das liegt eigentlich in alldem, was Eindruck auf uns macht. Nicht dadrinnen in meinem Fleische und in meinen Knochen liegt das Ich, sondern in demjenigen, was ich durch meine Augen wahrnehmen kann. Wenn Sie irgendwo eine rote Blume sehen: in Ihrem Ich, in Ihrem ganzen Erleben, das Sie ja haben, indem Sie an das Rot hingegeben sind, können Sie ja das Rot von der Blume nicht trennen. Mit alldem haben Sie ja zugleich das Ich gegeben, das Ich ist ja verbunden mit Ihrem Seeleninhalt. Aber Ihr Seeleninhalt, der ist doch nicht in Ihren Knochen! Ihren Seeleninhalt, den breiten Sie doch aus im ganzen Raume. Also dieses Ich, das ist noch weniger als die Luft in Ihnen, die Sie eben einatmen, noch weniger als die Luft, die vorher in Ihnen war. Dieses Ich ist ja verbunden mit jeder Wahrnehmung und mit alldem, was eigentlich im Grunde genommen außer Ihnen ist. Es betätigt sich nur im Inneren, weil es aus dem Wahrnehmen die Kräfte hineinschickt. Und ferner ist das Ich noch verbunden mit etwas anderem: Sie brauchen nur zu gehen, das heißt, Ihren Willen zu entwickeln. Da allerdings geht Ihr Ich mit, beziehungsweise das Ich nimmt an der Bewegung teil, und ob Sie langsam schleichen, ob Sie laufen, ob Sie im Kiebitzschritt sich bewegen oder irgendwie sich drehen und dergleichen, ob Sie tanzen oder springen, das Ich macht alles das mit. Alles was an Betätigung von Ihnen ausgeht, macht das Ich mit. Aber das ist ja auch nicht in Ihnen. Denken Sie, es nimmt Sie doch mit. Wenn Sie einen Reigen tanzen - glauben Sie, der Reigen ist in Ihnen? Der hätte ja gar nicht Platz in Ihnen! Wie hätte der Platz? Aber das Ich ist dabei, das Ich macht den Reigen mit. Also in Ihren Wahrnehmungen und in Ihrer Betätigung, da sitzt das Ich. Aber das ist eigentlich gar nie in Ihnen im vollen Sinne des Wortes, etwa so, wie Ihr Magen in Ihnen ist, sondern das ist eigentlich immer etwas, dieses Ich, was im Grunde außerhalb Ihrer ist. Es ist ebenso außerhalb des Kopfes, wie es außerhalb der Beine ist, nur daß es im Gehen sich sehr stark beteiligt an den Bewegungen, welche die Beine machen. Das Ich ist wirklich sehr stark beteiligt an der Bewegung, welche die Beine machen. Der Kopf aber, der ist an dem Ich weniger beteiligt.“ (Lit.:GA 205, S. 219f)

Das Nachdenken über den Zusammenhang zwischen Körper und Geist reicht bis in die Antike zurück. Platon etwa vertritt einen expliziten Dualismus / Dualismus, was sich in seiner Argumentation für die Seelenwanderung zeigt: Kann die Seele den Tod des Körpers überleben, so muss sie etwas anderes als der Körper sein.[4] Im Leib-Seele-Problem erbt sich das grundlegende Problem der Teilhabe (griech. μέθεξις methexis) der einzelnen Dinge der Sinneswelt an den platonischen Ideen, das schon mit der platonischen Ideenlehre aufgeworfen wurde, in spezieller Form fort.

Bei Aristoteles sieht dies anders aus. Zwar postuliert Aristoteles ein „Pneuma“, das als Prinzip des Lebens allen Lebewesen eigen sei, doch das Pneuma wird der materiellen und körperlichen Welt nicht entgegengesetzt. Plotin, als Hauptvertreter des Neuplatonismus, geht von der Existenz des Einen aus, aus dem die menschlichen Seelen und alles andere entständen. Auch die Körper sind Ausfluss der Seelen, untergeordnet und von diesen weitgehend getrennt. Nach dem Tod trennt sich die Seele gänzlich vom Körper, und durch die moralische Wahlfreiheit vereinigt sie sich mit dem Göttlichen oder entfernt sich davon.

Im christlichen Mittelalter (Scholastik) ist die Unterscheidung zwischen Körper und immaterieller Seele wiederum Grundlage des Philosophierens. Der Einfluss der mittelalterlichen Philosophie ist in Descartes Formulierung des Dualismus unverkennbar.

Die meisten Menschen empfinden intuitiv eine Kluft zwischen mentalen und physischen Phänomenen. Dies hat dazu geführt, dass lange Zeit dualistische Standpunkte in der Philosophie des Geistes vorherrschend waren. Heute vertritt die Mehrheit der Philosophen materialistische Positionen. Auf dieser Basis muss jedoch die Frage beantwortet werden, wie das Bewusstsein materialistisch zu erklären ist.

„Nicht darin sah ich das Verderbliche dieser Denkungsart, daß der Materialist sein Augenmerk auf die stoffliche Erscheinung einer Wesenheit richtet, sondern darin, wie er das Stoffliche denkt. Er schaut auf den Stoff hin und wird nicht gewahr, daß er in Wahrheit Geist vor sich habe, der nur in der stofflichen Form erscheint. Er weiß nicht, daß Geist sich in Stoff metamorphosiert, um zu Wirkungsweisen zu kommen, die nur in dieser Metamorphose möglich sind. Geist muß sich zuerst die Form eines stofflichen Gehirnes geben, um in dieser Form das Leben der Vorstellungswelt zu führen, die dem Menschen in seinem Erdenleben das frei wirkende Selbstbewußtsein verleihen kann. Gewiß: im Gehirn steigt aus dem Stoffe der Geist auf; aber erst, nachdem das Stoffgehirn aus dem Geist aufgestiegen ist.

Abweisend gegen die physikalische und physiologische Vorstellungsart mußte ich nur aus dem Grunde sein, weil diese ein erdachtes, nicht ein erlebtes Stoffliches zum äußerlichen Erreger des im Menschen erfahrenen Geistigen macht und dabei den Stoff so erdachte, daß es unmöglich ist, ihn dahin zu verfolgen, wo er Geist ist. Solcher Stoff, wie ihn diese Vorstellungsart als real behauptet, ist eben nirgends real. Der Grundirrtum der materialistisch gesinnten Naturdenker besteht in ihrer unmöglichen Idee von dem Stoffe.“ (Lit.:GA 28, S. 334f)

Das Leib-Seele-Problem gilt heute als ein spezifisches Problem der europäischen Geistesgeschichte. Insbesondere die Philosophietraditionen in Asien (siehe Östliche Philosophie) gehen von grundsätzlich anderen metaphysischen Annahmen aus, wodurch diese Trennung in Geist und Körper als illusionär oder bedeutungslos erscheint.

„Man hat sich in der neueren Zeit den verschiedensten Vorstellungen überlassen, die erklären sollen, wie eigentlich die Seele zum Leibe steht. Nicht nur, daß da die sonderbarsten Märchen herumschwirren in dem, was man oftmals Wissenschaft nennt. Märchen, Aberglaube, man will ihn ja aus dem äußeren Leben ausmerzen, in der Wissenschaft floriert er oftmals so stark, wie er nur jemals im Leben floriert hat, nur bemerkt man ihn in der Wissenschaft ebensowenig, wie man ihn damals im äußeren Leben bemerkte. So das Märchen von den Telegraphendrähten: daß die Nerven selber Telegraphendrähte wären nach der Seele hin, welche die äußeren Sinneseindrücke weiterleiten, dann wiederum andere Nerven, welche die Willensimpulse nach der Peripherie des Leibes lenken. Von diesem Märchen, von diesem immer wieder und wiederkehrenden Vergleiche möchte man schon gar nicht reden, denn was mit diesem Vergleich gemeint wird, ist ganz fern von dem wirklichen Tatbestand und entspringt nur einem eben nicht bemerkten wissenschaftlichen Aberglauben.

Aber zwei Vorstellungen möchte man doch hervorheben, welche auch heute sehr verbreitet sind bei denjenigen, die über das Verhältnis des Leibes zur Seele nachdachten. Die einen glauben, sie müssen den Leib - vorzugsweise reden sie ja dann von dem Nervensystem - wie eine Art Werkzeug der Seele behandeln, wie wenn also die Seele so eine Art Akteur wäre, ein Wesen, welches sich des Leibes wie eines Werkzeuges bedient. Die anderen, die nicht einsehen können, wie ein seelisch-geistiges Wesen - als was ihnen ja die Seele gilt - einen Angriffspunkt finden soll, um auf etwas Materielles wie den Leib zu wirken, die sind gar darauf gekommen - sehr viele heutige Seelenforscher sind darauf gekommen - , die sonderbare Vorstellung auszubilden, die man nennt den seelisch- leiblichen Parallelismus. Da sollen die Vorgänge des Leibes für sich ablaufen, alle möglichen leiblichen Vorgänge. Ohne daß die Seele auf den Leib wirkt wie eine Ursache oder der Leib zurück auf die Seele wirkt, soll das Seelenleben parallel mit den leiblichen Vorgängen ablaufen, so nebeneinander zwei Parallelströmungen. Eins begleitet immer das andere, nur wirkt das eine nicht auf das andere. Wundt, Ebbinghaus, eine ganze Anzahl von Psychologen, Paulsen - ich müßte viele anführen - geben sich dieser sonderbaren Parallelismustheorie hin.

Alle diese Theorien leiden daran, daß sie eben durchaus nicht darauf kommen, worinnen der Zusammenhang der Seele mit dem Leib eigentlich beruht. Dieser Zusammenhang läßt sich nämlich weder dadurch ausdrücken, daß man sagt: Der Leib ist das Werkzeug der Seele-, noch läßt er sich dadurch ausdrücken, daß man sagt: Die Seelenerscheinungen, die Seelenvorgänge laufen parallel mit den Leibeserscheinungen ab.

Ich kann allerdings dasjenige, was auf diesem Gebiete zu sagen ist, was ein weites Feld umspannt, nur vorbringen - wie ich ja auch angekündigt habe — als Ergebnis und Beobachtung der Anthroposophie; die weiteren Begründungen kann jeder in den verschiedenen Schriften von mir finden. Aber ich möchte das Wesentliche, wozu gerade die angeregten Fragen die anthroposophische Forschung führen, denn doch heute hier in Kürze entwickeln.

Will man das Verhältnis der Seele zum Leib in der richtigen Art ausdrücken, so muß man sagen: Insofern der Mensch in Betracht kommt, erweist sich für eine wirkliche Beobachtung - für eine solche Beobachtung, die dazu vordringt, Geistiges zu schauen auf dem Wege, den ich angedeutet habe - alles Leibliche, was am Menschen ist, weder als Werkzeug noch als nebenherlaufender Vorgang, sondern als Schöpfung des Seelischen, im Kleinen und im Großen als Schöpfung des Seelischen. Und es ist nichts Leibliches am Menschen, das nicht eine Schöpfung des Seelischen wäre. Man muß allerdings manches Vorurteil abstreifen, man muß manche neuen Begriffe aufnehmen aus der Geisteswissenschaft, wenn man diese weittragende Idee, daß alles Leibliche eine Schöpfung des Seelischen ist, ins Auge fassen will.

Schon im Kleinen ist das so, wenn wir irgendeine Vorstellung uns bilden, wenn ein Gefühl auftritt in uns. Ja, nur weil man nicht gelernt hat, wirklich geist-leiblich zu beobachten, glaubt man, da wirke etwas Äußerliches auf einen fertigen Leib; die äußerliche Wirkung übertrage sich durch das Auge oder Ohr auf den fertigen Leib, dann gehe die Wirkung im Innern weiter. Sehen Sie sich einmal wirklich vorurteilslos die entsprechenden Theorien, die so sprechen, an; Sie werden überall finden: Auf wirkliche Beobachtung sind sie gar nicht gebaut, sondern sie sind eigentlich alle auf Vorurteile gebaut. Denn was wirklich vorgeht, wenn wir eine Wahrnehmung machen, wenn wir etwas hören, das ist in dem Moment eigentlich in seinem wesentlichsten Teile schon vollzogen, wenn uns die Sache zum Bewußtsein kommt, und ist immer im Grunde genommen ein Bildungsvorgang im Leibe. Ein Lichtstrahl trifft uns; der Lichtstrahl bewirkt etwas. Er ist in derselben Welt, in der auch unser Leib eingeschaltet ist. In unserem Leib geht etwas vor. Was darinnen vorgeht, das ist von ganz derselben Art, nur im Kleinen, ich möchte sagen im Atomistischen, wie das ist, wenn aus Kräften im Großen unser Gesamtorganismus gebildet wird. Wie unser Gesamtorganismus gebildet wird aus den Kräften des Wachstums und aus anderen Kräften heraus, so wird etwas gebildet in uns, wenn ein Lichtstrahl uns trifft, wenn ein Tonstrahl uns trifft und so weiter. Was da gebildet wird, was Neubildung ist in uns, was entstanden ist in uns, was geradeso als etwas Feines, Atomistisches in uns ist, wie wenn uns ein neuer Finger gewachsen wäre - das wäre nur deutlicher - , das spiegelt sich dann zurück in die Seele, die nicht im Leibe ist, sondern immer im Bereich des Übersinnlichen. Und das Spiegelbild, das kommt uns zum Bewußtsein. Der Vorgang aber, der sich da vollziehen muß für das wache Bewußtsein, muß ein Verzehrungsvorgang, ein Abbauvorgang, wirklich ein kleiner Tod sein.

Wir können an den gewöhnlichen Bewußtseinsvorgängen, an dem, was wir als Vorstellung, Fühlen und Wollen im gewöhnlichen Leben haben, im Grunde genommen uns nicht völlig überzeugen durch leiblich-geistige Beobachtung, wie es sich eigentlich mit dem Bewußtsein und mit dem Seelenwesen verhält. Aber wenn wir auf etwas anderes eingehen, wenn wir eingehen auf das, was auch unser gewöhnliches Wachleben begleitet, auf die Bildung der Erinnerungsvorstellungen, auf das Gedächtnis, da kommen wir dem schon näher, was eben gesagt worden ist. Wer zu beobachten versteht, was im Menschen vorgeht, der weiß: Was eigentlich eine Vorstellung uns bewußt macht, was macht, daß ich einen Gegenstand sehe, höre, fühle, das führt nicht sogleich zu Erinnerungen. Nein, sondern es muß immer etwas nebenherlaufen, ein anderer Vorgang nebenherlaufen. Haben Sie Sinn für Beobachtung, so sehen Sie sich an einen Schüler, der so recht ochst; was er alles für Nebenübungen machen muß, damit das, was er aufnimmt, auch gedächtnismäßig wird, damit es in die Erinnerung übergeht. Es muß nämlich immer ein unterbewußter Vorgang, ein unbewußter Begleitvorgang vor sich gehen. Das, was wir wissen, das bleibt uns nicht, sondern was neben dem Bewußtsein im Unterbewußtsein hergeht. Das aber, was da geschieht in unserem Organismus durch diese Nebenströmung des Bewußtseins, das ist noch sehr ähnlich den Vorgängen, die vor sich gehen, wenn wir wachsen, wenn wir von klein auf wachsen, wenn wir uns bilden. Das Entstehen von Bewußtseinsvorstellungen ist wirklich ein atomistischer Wachstumsvorgang im Kleinen. Es wächst etwas in uns, wenn es auch nur etwas Minuziöses ist. Sonst wachsen wir wie mit Riesenkräften im Verhältnis zu dem kleinen Wachstumsvorgang, der sich in uns vollzieht, unbemerkt für das gewöhnliche Leben, wenn Erinnerung sich bildet. Unter der Oberfläche des Stromes der bewußten Vorstellungen fließt, während wir vorstellend erleben, ein Geschehen, das die Erinnerungen trägt; und das ist sehr ähnlich den Wachstumsvorgängen. Fragen Sie, warum man gerade in der Jugend das Gedächtnis gut ausbilden kann? Weil man da noch eben jene Kräfte, die Wachstumskräfte sind, frisch in sich hat, weil sie noch nicht abgestorben, abgewelkt sind. Aber ich kann immer nur solche einzelnen Belege geben; man kann, was ich gesagt habe, durch Hunderte und Hunderte von einzelnen Beobachtungen belegen.

Dasjenige aber, was unser gewöhnliches Vorstellen ist, das auch, was unser Fühlen, was unser Wollen ist, was überhaupt der Verlauf unseres Seelenlebens ist, das greift nun schon so ein, daß es nicht nur sich spiegelt und dadurch das, was eigentlich geschieht, zum Bewußtsein bringt; sondern so, wie behufs der Erinnerung eine Unterströmung da ist zu unserem bewußten Leben, so gibt es auch eine Oberströmung. Und wie man die Unterströmung nicht bemerkt - man bemerkt sie höchstens, wenn der Schüler ochst und Bewegungen macht und sein Gehirn anstößt, um irgend etwas zu tun, diese Unterströmung zu fördern —, die Oberströmung bemerkt man erst recht nicht. Diese Oberströmung gehört aber vor allen Dingen dem an, was ich vorhin den zweiten Menschen genannt habe, der da schläft in dem gewöhnlichen Menschen, während wir denken, fühlen, wollen und auf diese Weise die Blüten unseres gewöhnlichen Lebens zustande bringen, das zwischen Geburt und Tod, oder sagen wir zwischen Empfängnis und Tod verläuft.

Ebenso wie die Erinnerungsströmung unter dem Bewußtsein, so verläuft über dem Bewußtsein etwas rein Seelisches, etwas, was nun gar nicht irgendwie im gewöhnlichen Erleben in den Leib eingreift. Und weil dieses bewußte Seelenleben ein solches, ich möchte sagen, Übererleben hat, deshalb reichen für dieses bewußte Seelenleben, ja für das vollständige Seelenleben die Kräfte gar nicht aus, die der Mensch als Wachstumskräfte hat. Die Kräfte, die den Menschen zur Geburt führen, reichen nicht aus. Diese Kräfte könnten am Menschen nur hervorrufen, was wir am schlafenden Organismus wahrnehmen. In dem Augenblicke, wo in den Organismus das Bewußtsein mit seinen bezeichneten Überströmungen eingreift, müssen in den Organismus diejenigen Kräfte eingreifen, die dann in ihrer Gesamtsumme als Tod diesen Organismus auch zerstören. Diese Kräfte sind Abbaukräfte, sind solche Kräfte, die immer mehr und mehr abbauend eingreifen, so daß die Kräfte des Wachstums ausgleichend im Schlafe wirken müssen. Erst dann versteht man das übersinnliche Leben der Seele, wenn man weiß, wie weit untersinnlich das rein Organische reicht.“ (Lit.:GA 72, S. 38ff)

Erschwert wird das Leib-Seele-Problem besonders dadurch, dass sich der in der angelsächsischen Literatur verwendete und vor allem für die Neurowissenschaften heute einzig maßgebliche Ausdruck „Mind“ nur auf das leibbedingte mentale Spiegelbild des Geistes bezieht, das nicht mit der eigenständigen leibfreien Wirklichkeit des Geistes verwechselt werden darf. Die Innenwelt, so wie wir sie im Alltagsbewusstsein erleben, hat keine eigenständige Realität.

„Und was ich mein Innenleben in obigem Sinne nenne, ist gar nicht, im höheren Sinne, mein Geist. Dieses Innenleben ist nur das Ergebnis rein sinnlicher Vorgänge, gehört mir nur als ganz individuelle Persönlichkeit an, die nichts ist als das Ergebnis ihrer physischen Organisation... Mein persönliches Seelenleben, meine Gedanken, Erinnerungen und Gefühle sind in mir, weil ich ein so und so organisiertes Naturwesen bin, mit einem ganz bestimmten Sinnesapparat, mit einem ganz bestimmten Nervensystem.“ (Lit.:GA 7, S. 44f)

„Zunächst ist das seelische Erleben des Menschen, wie es sich im Denken, Fühlen und Wollen offenbart, an die leiblichen Werkzeuge gebunden. Und es gestaltet sich so, wie es durch diese Werkzeuge bedingt ist. Wer aber meint, er sehe das wirkliche Seelenleben, wenn er die Äußerungen der Seele durch den Leib beobachtet, der ist in demselben Fehler befangen wie einer, der glaubt, seine Gestalt werde von dem Spiegel hervorgebracht, vor dem er steht, weil der Spiegel die notwendigen Bedingungen enthalte, durch die sein Bild erscheint. Dieses Bild ist sogar in gewissen Grenzen als Bild von der Form des Spiegels und so weiter abhängig; was es aber darstellt, das hat mit dem Spiegel nichts zu tun. Das menschliche Seelenleben muß, um innerhalb der Sinneswelt sein Wesen voll zu erfüllen, ein Bild seines Wesens haben. Dieses Bild muß es im Bewußtsein haben, sonst würde es zwar ein Dasein haben, aber von diesem Dasein keine Vorstellung, kein Wissen. Dieses Bild, das im gewöhnlichen Bewußtsein der Seele lebt, ist nun völlig bedingt durch die leiblichen Werkzeuge. Ohne diese würde es nicht da sein, wie das Spiegelbild nicht ohne den Spiegel. Was aber durch dieses Bild erscheint, das Seelische selbst, ist seinem Wesen nach von den Leibeswerkzeugen nicht abhängiger als der vor dem Spiegel stehende Beschauer von dem Spiegel. Nicht die Seele ist von den Leibeswerkzeugen abhängig, sondern allein das gewöhnliche Bewußtsein der Seele. Die materialistische Ansicht von der menschlichen Seele verfällt einer Täuschung, die dadurch bewirkt wird, daß das gewöhnliche Bewußtsein, das nur durch die Leibeswerkzeuge da ist, mit der Seele selbst verwechselt wird. Das Wesen der Seele fließt so wenig in dieses gewöhnliche Bewußtsein hinein, wie mein Wesen in ein Spiegelbild hineinfließt. Dieses Wesen der Seele kann also auch nicht in dem gewöhnlichen Bewußtsein gefunden werden; es muß außerhalb dieses Bewußtseins erlebt werden. Und es kann erlebt werden, denn der Mensch kann noch ein anderes Bewußtsein in sich entwickeln als dasjenige, das durch die Leibeswerkzeuge bedingt ist.“ (Lit.:GA 20, S. 156f)

Rudolf Steiner verkannte dabei keineswegs, dass das heute vorherrschende, materialistisch geprägte tote Denken tatsächlich von der Gehirntätigkeit abhängig ist.

„Man kämpft heute gegen den Materialismus. Meine lieben Freunde, es wäre fast gescheiter, gar nicht gegen den Materialismus zu kämpfen. Denn was behauptet der Materialismus? Er behauptet, daß das Denken ein Produkt des Gehirns ist. Das heutige Denken ist ein Produkt des Gehirns! Das ist gerade das Geheimnis, daß das heutige Denken ein Produkt des Gehirns ist. In bezug auf das heutige Denken hat der Materialismus ganz recht. Nicht recht hat er für das Denken vor der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts. Da dachte man nicht nur mit dem Gehirn, sondern mit dem, was im Gehirn lebte. Man hatte lebendige Begriffe. Die Begriffe jener Zeit machten eigentlich, weil sie lebten, den Eindruck, als wenn man einen Ameisenhaufen sieht. Die heutigen Begriffe sind tot. Das Denken ist heute gescheit, aber furchtbar bequem. Man spürt ja das Denken nicht und Hebt es um so mehr, je weniger man es spürt. Früher kribbelte es, wenn man dachte, weil das eine Realität der Seele war. Heute will man der Menschheit weismachen, daß das Denken immer so war wie heute. Aber das heutige Denken ist ein Gehirnprodukt, das frühere Denken war kein Gehirnprodukt.

Man sollte den Materialisten dankbar sein, daß sie darauf aufmerksam gemacht haben, daß das heutige Denken vom Gehirn abhängig ist. Denn so ist es; die Sache ist viel ernster als man denkt. Man hält den Materialismus für eine falsche Weltanschauung. Das ist gar nicht richtig. Er ist ein Produkt der Weltentwickelung, aber ein totes, ein Produkt, das das Leben in einem Zustande charakterisiert, wo es schon abgestorben ist.“ (Lit.:GA 217, S. 47)

Dieses tote Denken ist ein bloßes Spiegelbild und es gehört daher zu den gerechtfertigten Aufgaben der Neurowissenschaften, dieses Spiegelbild und seinen Spiegelungsapparat auf rein naturwissenschaftliche Weise ohne Einmischung spritueller Erwägungen zu studieren. Darauf hat Rudolf Steiner nachdrücklich hingewiesen:

„Und man wird deshalb zu einer besseren Vorstellung über das «Ich» erkenntnistheoretisch gelangen, wenn man es nicht innerhalb der Leibesorganisation befindlich vorstellt, und die Eindrücke ihm «von außen» geben läßt; sondern wenn man das «Ich» in die Gesetzmäßigkeit der Dinge selbst verlegt, und in der Leibesorganisation nur etwas wie einen Spiegel sieht, welcher das außer dem Leibe liegende Weben des Ich im Transzendenten dem Ich durch die organische Leibestätigkeit zurückspiegelt. Hat man sich einmal für das mathematische Denken mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß das «Ich» nicht im Leibe ist, sondern außerhalb desselben und die organische Leibestätigkeit nur den lebendigen Spiegel vorstellt, aus dem das im Transzendenten liegende Leben des «Ich» gespiegelt wird, so kann man diesen Gedanken auch erkenntnistheoretisch begreiflich finden für alles, was im Bewußtseinshorizonte auftritt. - Und man könnte dann nicht mehr sagen, das «Ich» müsse sich selbst überspringen, wenn es in das Transzendente gelangen wollte; sondern man müßte einsehen, daß sich der gewöhnliche empirische Bewußtseinsinhalt zu dem vom menschlichen Wesenskern wahrhaft innerlich durchlebten, wie das Spiegelbild sich zu dem Wesen dessen verhält, der sich in dem Spiegel beschaut. - Durch eine solche erkenntnistheoretische Vorstellung würde nun der Streit zwischen der zum Materialismus neigenden Naturwissenschaft und einer das Spirituelle voraussetzenden Geistesforschung in eindeutiger Art wirklich beigelegt werden können. Denn für die Naturforschung wäre freie Bahn geschaffen, indem sie die Gesetze der Leibesorganisation unbeeinflußt von einem Dazwischenreden einer spirituellen Denkart erforschen könnte. Will man erkennen, nach welchen Gesetzen das Spiegelbild entsteht, so ist man an die Gesetze des Spiegels gewiesen. Von diesem hängt es ab, wie der Beschauer sich spiegelt. Es geschieht in verschiedener Art, ob man einen Planspiegel, einen konvexen oder einen konkaven Spiegel hat. Das Wesen dessen, der sich spiegelt, liegt aber außerhalb des Spiegels. So könnte man sehen in den Gesetzen, welche die Naturforschung ergibt, die Gründe für die Gestaltung des empirischen Bewußtseins; und in diese Gesetze wäre nichts einzumischen von dem, was die Geisteswissenschaft über das innere Leben des menschlichen Wesenskernes zu sagen hat. Innerhalb der Naturforschung wird man mit Recht sich immer wehren gegen ein Einmischen rein spiritueller Gesichtspunkte. Und auf dem Felde dieser Forschung ist es nur naturgemäß, daß man mehr sympathisiert mit Erklärungen, die mechanisch gehalten sind, als mit spirituellen Gesetzen. Eine Vorstellung wie die folgende muß dem in klaren naturwissenschaftlichen Vorstellungen Lebenden sympathisch sein: «Die Tatsache des Bewußtseins durch Gehirnzellen-Erregung ist nicht wesentlich anderer Ordnung als die Tatsache der an den Stoff gebundenen Schwerkraft» (Moritz Benedikt). Jedenfalls ist mit einer solchen Erklärung exakt methodologisch das naturwissenschaftlich Denkbare gegeben. Sie ist naturwissenschaftlich haltbar, während die Hypothesen von einem Regeln der organischen Vorgänge unmittelbar durch psychische Einflüsse naturwissenschaftlich unhaltbar sind.“ (Lit.:GA 35, S. 139ff)

Der grundlegende Fehler, aus dem sich das Leib-Seele-Problem überhaupt erst ergibt, liegt darin, dass der rein ideelle, also rein geistige Bezug zwischen Subjekt und Objekt fälschlich als äußerlicher Kausalbezug gedeutet wird. Gilbert Ryle (1900-1976) sprach diesbezüglich von einem grundsätzlichen Kategorienfehler. Rudolf Steiner hat darauf schon in seiner «Philosophie der Freiheit» bezüglich des Verhältnisses der Wahrnehmung zu den diese vermittelnden Organen (Sinnesorgane, Nervensystem, Gehirn) hingewiesen:

„Die Wahrnehmung erweist sich bei fortgehender Betrachtung in Zusammenhang stehend mit anderen Wahrnehmungen, zum Beispiel einer bestimmten Figur, mit gewissen Temperaturund Tastwahrnehmungen. Diesen Zusammenhang bezeichne ich als einen Gegenstand der Sinnenwelt. Ich kann mich nun fragen: was findet sich außer dem angeführten noch in jenem Raumausschnitte, in dem mir obige Wahrnehmungen erscheinen. Ich werde mechanische, chemische und andere Vorgänge innerhalb des Raumteiles finden. Nun gehe ich weiter und untersuche die Vorgänge, die ich auf dem Wege von dem Gegenstande zu meinem Sinnesorgane finde. Ich kann Bewegungsvorgänge in einem elastischen Mittel finden, die ihrer Wesenheit nach nicht das geringste mit den ursprünglichen Wahrnehmungen gemein haben. Das gleiche Resultat erhalte ich, wenn ich die weitere Vermittelung vom Sinnesorgane zum Gehirn untersuche. Auf jedem dieser Gebiete mache ich neue Wahrnehmungen; aber was als bindendes Mittel sich durch alle diese räumlich und zeitlich auseinanderliegenden Wahrnehmungen hindurchwebt, das ist das Denken. Die den Schall vermittelnden Schwingungen der Luft sind mir gerade so als Wahrnehmungen gegeben wie der Schall selbst. Nur das Denken gliedert alle diese Wahrnehmungen aneinander und zeigt sie in ihren gegenseitigen Beziehungen. Wir können nicht davon sprechen, daß es außer dem unmittelbar Wahrgenommenen noch anderes gibt, als dasjenige, was durch die ideellen (durch das Denken aufzudeckenden) Zusammenhänge der Wahrnehmungen erkannt wird. Die über das bloß Wahrgenommene hinausgehende Beziehung der Wahrnehmungsobjekte zum Wahrnehmungssubjekte ist also eine bloß ideelle, das heißt nur durch Begriffe ausdrückbare. Nur in dem Falle, wenn ich wahrnehmen könnte, wie das Wahrnehmungsobjekt das Wahrnehmungssubjekt affiziert, oder umgekehrt, wenn ich den Aufbau des Wahrnehmungsgebildes durch das Subjekt beobachten könnte, wäre es möglich, so zu sprechen, wie es die moderne Physiologie und der auf sie gebaute kritische Idealismus tun. Diese Ansicht verwechselt einen ideellen Bezug (des Objekts auf das Subjekt) mit einem Prozeß, von dem nur gesprochen werden könnte, wenn er wahrzunehmen wäre. Der Satz «Keine Farbe ohne farbenempfindendes Auge» kann daher nicht die Bedeutung haben, daß das Auge die Farbe hervorbringt, sondern nur die, daß ein durch das Denken erkennbarer ideeller Zusammenhang besteht zwischen der Wahrnehmung Farbe und der Wahrnehmung Auge. Die empirische Wissenschaft wird festzustellen haben, wie sich die Eigenschaften des Auges und die der Farben zueinander verhalten; durch welche Einrichtungen das Sehorgan die Wahrnehmung der Farben vermittelt usw. Ich kann verfolgen, wie eine Wahrnehmung auf die andere folgt, wie sie räumlich mit andern in Beziehung steht; und dies dann in einen begrifflichen Ausdruck bringen; aber ich kann nicht wahrnehmen, wie eine Wahrnehmung aus dem Unwahrnehmbaren hervorgeht. Alle Bemühungen, zwischen den Wahrnehmungen andere als Gedankenbezüge zu suchen, müssen notwendig scheitern.“ (Lit.:GA 4, S. 97f)

Rudolf Steiner hat auch nachdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht bloß das Gehirn, sondern der ganze Leib die physische Grundlage des Seelenlebens ist.

„Der Leib als Ganzes, nicht bloß die in ihm eingeschlossene Nerventätigkeit ist physische Grundlage des Seelenlebens. Und wie das letztere für das gewöhnliche Bewußtsein sich umschreiben läßt durch Vorstellen, Fühlen und Wollen, so das leibliche Leben durch Nerventätigkeit, rhythmisches Geschehen und Stoffwechselvorgänge.“ (Lit.:GA 21, S. 158)

Nur das Denken und Vorstellen stützt sich unmittelbar auf das Nervensystem und insbesondere auf das Gehirn. Das Fühlen hängt eng mit der Tätigkeit des rhythmischen Systems zusammen und das Wollen mit dem Gliedmaßen-Stoffwechsel-System. Der Wille greift unmittelbar über das Wärmeelement in den Organismus ein.

Ein Haupthindernis für die Lösung des „Leib-Seele-Problems“ ist die laut Rudolf Steiner völlig widersinnige Unterscheidung motorischer und sensorischer Nerven. Tatsächlich seien alle Nerven sensorisch.

„Wir haben zunächst den menschlichen Organismus. Wir verfolgen die zentripetalen und die zentrifugalen, die sogenannten sensitiven und motorischen Nerven. Ja, dieser Tatbestand ergibt sich. Ich kann diese Gründe voll würdigen, kann auch würdigen, wie man die Zwiefachheit des Nervensystems stützt durch die Tabes dorsalis und so weiter.

Aber wenn man die höheren Wesensglieder kennt, dann werden einem die Nerven etwas Einheitliches, man schaut die Einheitlichkeit des Nervensystems. Die sensitiven sind darauf veranlagt, Sinneseindrücke zu vermitteln; die motorischen haben mit dem Willen nichts zu tun, sondern sie haben die Aufgabe, die Empfindungen, die in der Peripherie sind, zu vermitteln, die chemisch-physiologischen Vorgänge in den Beinen und so weiter. Die motorischen Nerven sind sensitiv für die inneren Vorgänge des Organismus, während man tatsächlich dazu kommt, so paradox das für die heutige Wissenschaft klingt, den Willen unmittelbar in der Seele zu schauen und für die Entstehung der Bewegung und der Willenseffekte einen unmittelbaren, direkten Einfluß des Geistig-Seelischen auf das Physische anzunehmen.

Ich möchte Sie auf den Weg hinweisen, der dazu führen kann, diese Anschauung zu finden. Denn als heutiger Anatom steht einem das Seelisch- Geistige als etwas gegenüber, was zu allen möglichen Hypothesen führen kann, es ist aber dasjenige, was man sich heute mehr mit einer abstrakten Inhaltlichkeit vorstellt. Ziehen spricht nur von «Gefühlsbetonung» der Vorstellungen. Das, was man sich als Seele vorstellt, ist etwas so abstraktes, dünn gewordenes, daß man nicht dazu kommt, das Eingreifen dieses Seelischen in das Physische zu verstehen.

In dem Augenblicke, wo man sich klar wird, daß der physische Leib vom Festen zum Flüssigen, Luftförmigen, bis zur Wärme heraufgeht, dann kommt man schon mehr heran an das Geistige. Es ist natürlich unmöglich, sich vorzustellen, daß das Geistige in den Organismus eingreift, den die heutige Wissenschaft sich vorstellt. Aber sobald man einen Wärmeorganismus annimmt, ist es nicht so schwer, sich vorzustellen, daß das innere Kräften des Bildekräfteleibes eingreift in die Wärmedifferenzierungen des menschlichen Organismus. In einer Beziehung werden wir vieles durchzumachen haben, bis wir dazu kommen, das lebendig zu machen, was heute in der Erkenntnis erstarrt ist. Man wird den Übergang finden von dem feiner gewordenen Physischen zu dem kraftvoller gewordenen Seelischen. Und man wird sich sagen können: was Willenswesen ist, greift unmittelbar in die Wärmeprozesse ein, von da in den Luftorganismus, von da in den wäßrigen Organismus. Und es ist etwas ganz anderes vorhanden als das, was die heutige Wissenschaft glaubt in bezug auf die motorischen Nerven; da ist vorhanden ein geistig-seelisches-physisches Wirken, das durch die motorischen Nerven zum Bewußtsein gebracht wird.“ (Lit.:GA 319, S. 83f)

Dualistische Antworten auf das Leib-Seele-Problem

Hauptartikel: Dualismus (Ontologie)

Der Dualismus reagiert auf die intuitive Kluft zwischen dem mentalen Innenleben und der physischen Realität wie folgt: Er behauptet, dass hier zwei grundsätzlich verschiedene Phänomene im Spiel seien – eben mentale und physische Entitäten. Je nachdem, wie die Entitäten weiter spezifiziert werden und wie man sich das Verhältnis von mentalen und physischen Entitäten vorstellt, kann man zu sehr verschiedenen Arten von Dualismen kommen.

Ruht der Dualismus allein auf der intuitiven Kluft zwischen Mentalem und Physischem? Oder gibt es konkrete Argumente für den Dualismus? Das wohl bekannteste Argument entwickelte René Descartes in seinen Meditationen.[3] Es lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ich kann mir klar und deutlich vorstellen, dass Geist ohne Materie existiert. Was man sich klar und deutlich vorstellen kann, ist zumindest prinzipiell möglich. Also ist es zumindest prinzipiell möglich, dass Geist ohne Materie existiert. Wenn es prinzipiell möglich ist, dass Geist ohne Materie existiert, dann müssen Geist und Materie verschiedene Entitäten sein. Da also Geist und Materie verschiedene Entitäten sein müssen, ist der Dualismus folglich wahr.

Die Prämissen dieses Argumentes können bezweifelt werden: Warum sollte zum Beispiel etwas möglich sein, nur weil es klar und deutlich vorgestellt werden kann? Trotz derartiger Probleme werden auch heutzutage noch Variationen von Descartes Argument verteidigt – etwa von Saul Kripke.[5] Allgemein lässt sich sagen, dass dualistische Positionen eher durch die Probleme des Materialismus plausibel werden als durch eigenständige positive Argumente.

Rudolf Steiner hat eine dualistische „Lösung“ des Leib-Seele-Problems abgelehnt und die beliebte Klavier-Metapher, wonach das „vernüftige Bewusstsein“ gleichsam wie auf dem Instrument seines Gehirns spiele, energisch zurückgewiesen. In seinem 1899 veröffentlichten Aufsatz «Haeckel und seine Gegner»[6] schreibt er:

„Kein naturwissenschaftlicher Denker wird je der Meinung sein, daß darüber, was im logischen Sinne wahr oder falsch ist, die körperlich- organischen Gründe Aufschluß geben können. Die geistigen Zusammenhänge können nur aus dem geistigen Leben heraus erkannt werden. Was logisch berechtigt ist, darüber wird immer die Logik, was künstlerisch vollkommen ist, darüber wird das ästhetische Urteil entscheiden. Ein anderes aber ist die Frage: Wie entsteht das logische Denken, wie das ästhetische Urteil als Funktion des Gehirnes? Über diese Frage allein spricht sich die vergleichende Physiologie und Gehirnanatomie aus. Und diese zeigen, daß das vernünftige Bewußtsein nicht für sich abgesondert existiert und das menschliche Gehirn nur benutzt, um sich durch dasselbe zu äußern, wie der Klavierspieler auf dem Klavier spielt, sondern daß unsere Geisteskräfte ebenso Funktionen der Form- Elemente unseres Gehirns sind, wie «jede Kraft die Funktion eines materiellen Körpers ist» (Haeckel, Anthropogenie).

Das Wesen des Monismus besteht in der Annahme, daß alle Weltvorgänge, von den einfachsten mechanischen an bis herauf zu den höchsten menschlichen Geistesschöpfungen, in gleichem Sinne sich naturgemäß entwickeln und daß alles, was zur Erklärung der Erscheinungen herangezogen wird, innerhalb der Welt selbst zu suchen ist. Dieser Anschauung steht der Dualismus gegenüber, der die reine Naturgesetzlichkeit nicht für ausreichend hält, um die Erscheinungen zu erklären, sondern zu einer über den Erscheinungen waltenden, vernünftigen Wesenheit seine Zuflucht nimmt. Diesen Dualismus muß die Naturwissenschaft, wie gezeigt worden ist, verwerfen.“ (Lit.:GA 30, S. 174)

Interaktionistischer Substanzdualismus

René Descartes in einem Porträt von Frans Hals (1648)

Die klassische Form des Dualismus ist der interaktionistische Substanzdualismus. Er wurde in maßgeblicher Weise von René Descartes formuliert und hat auch noch heute Anhänger.[3] Karl Popper und John Eccles waren die bekanntesten interaktionistischen Dualisten des 20. Jahrhunderts.[7] Die grundlegenden Ideen lauten wie folgt: Geist und Materie sind verschiedene Substanzen und sie wirken aufeinander ein. Wenn ich mir mit der Nadel in den Finger steche, so werden von dort Signale in das Gehirn geleitet und dort muss es eine ‚Stelle‘ geben, wo das Gehirn auf den immateriellen Geist wirkt. Genau so funktioniert es in die andere Richtung: Wenn ich Schmerzen habe, so wirkt der immaterielle Geist auf das Gehirn. Von da werden Signale ausgesendet und ich ziehe – beispielsweise – meine Hand zurück.

Ein derartiger Dualismus hat mit massiven Problemen zu kämpfen: Wenn es einen Ort der Interaktion zwischen Geist und Gehirn gibt, so müsste dieser Ort auffindbar sein. Die Spekulationen von Descartes (er hoffte auf die Zirbeldrüse als Interaktionsort) wurden jedoch bald widerlegt. Auch sonst wurden nirgendwo sichtbare Stellen im Gehirn gefunden, an denen das Verhalten der Neuronen nur durch einen immateriellen Geist zu erklären wäre. Abgesehen davon, dass im Gehirn gar kein „Platz“ zu sein scheint für eine Interaktion, ist die Art der Wechselwirkung dabei eine offene Frage. Manche neuere Philosophen, zum Beispiel der theoretische Physiker und Relativist Roger Penrose, gehen von einer Interaktion durch Quanteneffekte aus.[8]

Von Karl Popper stammt eine Theorie, die die duale Auffassung der Welt (physikalische Welt und mentale Welt, menschliches Bewusstsein) um eine 3. Welt erweitert. (Drei-Welten-Theorie). Es handelt sich bei der 3. Welt um die Produkte menschlichen Geistes, die unabhängig von einem individuellen Bewusstsein (weiter-)existieren und Ursache für Veränderungen der 1. Welt (physikalische Welt) sein können.

Der große Vorteil des interaktionistischen Dualismus besteht darin, dass er mit der Alltagserfahrung der Menschen in Übereinstimmung befindet, da sie sich als geistige Wesen erfahren, getrennt von der physikalischen Welt, aber mit Hilfe ihrer Sinneswahrnehmungen, ihrer Handlungen und ihrer Sprache mit ihr und den Mitmenschen kommunizierend.

Psychophysischer Parallelismus (nichtinteraktionistischer Substanzdualismus)

Der psychophysische Parallelismus ist in seiner substanzdualistischen Spielart von Gottfried Wilhelm Leibniz entwickelt worden.[9] Die zentralen Thesen sind:

  1. Geist und Materie sind zwei verschiedene Substanzen.
  2. Die beiden Substanzen wirken jedoch nicht aufeinander.

Damit wären die Probleme des interaktionistischen Dualismus überwunden, da man nun nicht mehr nach einem Interaktionsort im Gehirn suchen muss. Doch es stellen sich gleich neue Fragen, so etwa: Wenn ich zum Kühlschrank gehen will (mental), so gehe ich normalerweise auch zum Kühlschrank (physisch). Wie kann das sein, wenn Geist und Materie gar nicht aufeinander wirken? Die Antwort des Parallelismus darauf lautet, dass geistige und materielle Ereignisse parallel zueinander ablaufen, so wie synchron laufende Uhren. Den Grund für diese Parallelität – es erscheint intuitiv als ein unglaublicher Zufall, wenn bei allen geistigen Wesen die physische Maschinerie exakt parallel zum Geist laufen würde – sah Leibniz in dem Wirken Gottes.

Gottfried Wilhelm Leibniz in einem Porträt Christoph Bernhard Francke, um 1700

In seiner zweiten, monistischen Spielart hat im 19. Jahrhundert Gustav Theodor Fechner den Psychophysischen Parallelismus entwickelt. Seine Theorie wurde auch „Identitätsansicht“ genannt und gehört damit – streng genommen – nicht mehr zum Dualismus, der immer von zwei Gegenstandsarten ausgeht. Diese Art des Psychophysischen Parallelismus stellt deshalb keinen Substanz- sondern einen Eigenschaftsdualismus oder eine Zwei-Seiten-Lehre (dual aspect theory) dar. Leib und Seele sind für Fechner zwei Perspektiven auf ein und denselben Gegenstand. Von außen betrachtet erscheint der menschliche Leib physisch, von innen betrachtet psychisch. Das Psychische ist eine Eigenschaft der im menschlichen Leib organisierten Materie. Ernst Machsneutraler Monismus“ geht direkt auf die Auffassung Fechners zurück.

Okkasionalismus

Hauptartikel: Okkasionalismus

Der Okkasionalismus ist unter anderem von Nicolas Malebranche vertreten worden. Die Idee: Wenn ich etwas tun will, so ist das ein immaterielles Ereignis in meinem Geist. Dieser Vorfall wird von Gott registriert und der Körper entsprechend in Gang gesetzt.

Epiphänomenalismus

( Hauptartikel: Epiphänomenalismus )

Der Epiphänomenalismus ist eine spezielle Form des Eigenschaftsdualismus und ist von Thomas Henry Huxley entwickelt worden. Der Grundgedanke ist, dass das Verhältnis von Geist und Materie wie eine Einbahnstraße zu denken ist: Die Materie wirkt auf den immateriellen Geist, aber nicht umgekehrt. Der Epiphänomenalismus hat jedoch ähnliche Probleme wie der interaktionistische Dualismus: Wo ist der Ort, an dem die Wirkung auf den Geist stattfindet? Wie hat man sich diese Wirkung vorzustellen? Problematisch ist auch, dass der Epiphänomenalismus dazu zwingt, die Verursachung geistiger Zustände durch andere geistige Zustände ebenso zu leugnen wie die Verursachung von Zuständen der Welt durch geistige Zustände. Die Vorstellung einer Zitrone (ein geistiger Zustand) kann demnach weder die Vorstellung säuerlichen Geschmacks (einen anderen geistigen Zustand) noch Speichelfluss (einen Zustand der Welt) verursachen. Der Epiphänomenalismus liefert jedoch keine starken Argumente dafür, die ohne weiteres für eine Aufgabe dieser Ursache-Wirkungs-Annahme sprechen. Der Epiphänomenalismus wird heute nur noch von wenigen vertreten, ein bekannter Fürsprecher war bis vor kurzem Frank Cameron Jackson.[10]

Joachim Stiller hingegen hält des Epiphänomenalismus für psychopathologisch und auch für psychopathogen und damit für hochgradig gefährlich.

Eigenschaftsdualismus

Hauptartikel: Eigenschaftsdualismus

( Hauptartikel: Eigenschaftsdualismus )

Der Eigenschaftsdualismus hat in den letzten Jahren – durch David Chalmers – eine Renaissance erlebt.[11][12] Der Eigenschaftsdualismus gehört nur bedingt in die Reihe der Dualismen: Im Gegensatz zu den anderen Positionen ist er ein Substanzmonismus, ist also sogar mit der These verträglich, dass alles aus kleinsten physischen Teilchen zusammengesetzt ist. Er besteht jedoch darauf, dass es nichtmaterielle Eigenschaften gibt. Chalmers nennt die Eigenschaft „auf bestimmte Art erlebt zu werden“ (die Qualia) eine nichtmaterielle Eigenschaft. Seine Überlegungen stützen sich auf den Begriff der Supervenienz und die Logik reduktiver Erklärungen. Eine wichtige Spielart des Eigenschaftsdualismus ist der Panpsychismus, der davon ausgeht, dass allen physikalischen Entitäten mentale Eigenschaften innewohnen.

Weitere Vertreter des Eigenschaftsdualismus sind Thomas Nagel und Markus Gabriel.

Monistische Antworten auf das Leib-Seele-Problem

Hauptartikel: Monismus

Hauptartikel: Monismus

Baruch (de) Spinoza, in einem Porträt ca. 1665

Der Monismus besagt, im Gegensatz zum Dualismus, dass es nur eine Substanz gäbe (z. B. nur geistig oder nur materiell), wobei die meisten monistischen Theorien materielle Monismen sind. Ein materieller Monismus besagt also, dass die einzig vorhandene Substanz die (physische) Materie sei. Es sind jedoch auch andere Formulierungen möglich: Man könnte auch behaupten, dass es keine Materie gäbe, sondern nur den Geist. Ein solcher Monismus wird heute nur noch selten vertreten. Eine dritte Möglichkeit ist, eine Substanz anzunehmen, die weder physische Materie noch Geist ist. Das Mentale und Physische wären Eigenschaften dieser einen Substanz. Eine solche Position wurde von Baruch Spinoza vertreten und im 19. Jahrhundert durch Ernst Haeckel populär gemacht. Dieser Monismus ähnelt dem Eigenschaftsdualismus (s. o.).

Behaviorismus

Hauptartikel: Behaviorismus

Der Behaviorismus hat die Philosophie des Geistes in weiten Teilen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beherrscht. In der Psychologie war der Behaviorismus als Reaktion auf Probleme der Introspektion entstanden: Wenn jemand aufgrund von Introspektion über sein mentales Innenleben berichtet, so ist (oder war damals) keine Überprüfung der Aussagen möglich. Ohne allgemeine Überprüfbarkeit ist jedoch, so die Behavioristen, keine Wissenschaft möglich. Der Ausweg für die Psychologie: Sie sollte auf mentales Innenleben und Introspektion verzichten und stattdessen das Verhalten beschreiben. Man spricht bei diesem wissenschaftlichen Ansatz auch von methodologischem Behaviorismus. Sein Hauptvertreter war B. F. Skinner.

Parallel zu derartigen Entwicklungen der Psychologie entwickelte sich ein philosophischer Behaviorismus, gelegentlich auch als „logischer“ oder „analytischer“ Behaviorismus bezeichnet. Der Ansatz des philosophischen Behaviorismus ist physikalistisch: Mentale Zustände sind Verhaltensbeschreibungen bzw. -dispositionen. Einer der Hauptvertreter dieser Position innerhalb der Philosophie des Geistes war der britische Philosoph Gilbert Ryle. Dessen 1949 veröffentlichter Klassiker The Concept of Mind entwickelte einen an Ludwig Wittgenstein angelehnten Behaviorismus und prägte die anknüpfende philosophische Debatte über Jahrzehnte hinweg. Ein weiterer „Urvater“ des philosophischen Behaviorismus ist Carl Hempel, der in seinem Werk The Logical Analysis of Psychology stark von den Arbeiten Rudolf Carnaps geprägt war.

Der Behaviorismus gilt heute sowohl in seiner methodologischen wie auch in seiner philosophischen Ausprägung weitgehend als überholt. Es wurden u. a. folgende Argumente gegen ihn vorgebracht:

  • Hilary Putnam entwarf das Gedankenexperiment eines „Superstoikers“, der auf jeglichen denkbaren Schmerzreiz kein erkennbares Schmerzverhalten zeigt. Die Tatsache, dass dies vorstellbar ist, belegt nach Putnam, dass Schmerzen mehr sind als die bloße Disposition zu Schmerzverhalten.[13]
  • Der Behaviorismus kann kein Erklärungsmodell für rationales Denken geben. Glaubt eine Person erstens, heute sei Dienstag, und zweitens, dienstags finde das Training im Sportverein statt, so wird sie daraus folgern, dass heute Training im Sportverein stattfindet. Ein Großteil des menschlichen Alltags und Verhaltens wird durch derartige Zusammenhänge bestimmt, die durch den philosophischen Behaviorismus nicht erklärt werden können.
  • Einige mentale Zustände hängen nur schwerlich mit Verhaltensdispositionen zusammen. So ist es unplausibel zu behaupten, dass eine Person über Verhaltensdisposition redet, wenn sie von stechenden Kopfschmerzen berichtet.
  • Der Zusammenhang zwischen bestimmten Verhaltensdispositionen und bestimmten angenommenen mentalen Zuständen ist keineswegs eindeutig. Wenn eine Person „glaubt“, ein bestimmtes Verhalten könne ihren Schmerz lindern, so wird sie dieses Verhalten zeigen, wenn sie Schmerzen hat. Dabei kann es sich auch um absurde Verhaltensweisen wie das Aufsagen eines „heilenden“ Zauberspruchs handeln.
  • Zu beachten ist auch, dass der mit dem philosophischen Behaviorismus verwandte oben erwähnte methodologische Behaviorismus auf die Beschreibung mentaler Zustände verzichtete, weil sich diese nicht unmittelbar beobachten (und somit verifizieren) lassen. Dieses Argument würde jedoch auch für andere naturwissenschaftliche Forschungsgegenstände zutreffen, so z. B. für Atome oder Steinzeitmenschen.

Identitätstheorie

Siehe auch: Identitätsphilosophie

Die von John Smart und Ullin Place entwickelte Identitätstheorie[14][15] war die direkte Reaktion auf das Scheitern des Behaviorismus. Wenn mentale Zustände etwas Materielles sind, aber kein Verhalten, so sind mentale Zustände vermutlich mit materiellen Zuständen identisch. Die hier naheliegende Idee: Ein mentaler Zustand M ist nichts anderes als ein Gehirnzustand G. Der mentale Zustand „Wunsch nach einem Kaffee“ wäre also nichts anderes als „das ‚Feuern‘ bestimmter Nervenzellen in bestimmten Hirnregionen“.

Eine beliebte Analogie zur Veranschaulichung dieser Theorie ist die Identität von Wasser und : Jedes Phänomen, das als Wasser bezeichnet werden kann, kann auch als bezeichnet werden und umgekehrt. Die Eigenschaften von Wasser sind identisch mit den Eigenschaften von . Es bedurfte jedoch eines lang andauernden wissenschaftlichen Prozesses, um den Begriff zu gewinnen und ihn dem Alltagsverständnis von Wasser zuordnen zu können. In ebensolcher Weise gehen Anhänger der Identitätstheorie davon aus, dass der weitere wissenschaftliche Fortschritt in den Neurowissenschaften zunehmend Klarheit über die Identität von mentalen Zuständen und Gehirnzuständen bringen wird.

Zwei Arten von Identität müssen unterschieden werden, nämlich die zwischen Typ- und Token-Identität. Ein Token stellt ein konkretes Exemplar eines Typs dar, während Typen bestimmte Mengen von Exemplaren umfassen, die alle bestimmte Eigenschaften erfüllen. Ein Token ist identisch mit einem anderen Token, wenn es sich um dasselbe Exemplar handelt. So ist beispielsweise der Eiffelturm, den eine Person A gesehen hat, token-identisch mit dem Eiffelturm, den eine andere Person B gesehen hat. Smart stellt jedoch ursprünglich auf eine Typ-Identität ab: Wasser ist typ-identisch mit . Aufgrund des im nächsten Absatz beschriebenen Problems der multiplen Realisierung lässt sich eine Typ-Identität für mentale Zustände und Gehirnzustände nur schwer aufrechterhalten.

Das Problem der multiplen Realisierung ist zuerst von Hilary Putnam formuliert worden.[16] Hiernach scheint es klar zu sein, dass nicht nur Menschen, sondern auch z. B. Lurche Schmerzen haben können. Es scheint aber unwahrscheinlich, dass alle Wesen mit Schmerzen den gleichen Gehirnzustand aufweisen, da die Gehirne dieser Wesen sich strukturell stark unterscheiden. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann kann der Schmerz auch nicht mit einem bestimmten Gehirnzustand identisch sein. Eine abgewandelte Form der Identitätstheorie kann nun einzelne Realisierungen zu eigenständigen Typen zusammenfassen und sagen: Menschenschmerzen sind identisch mit einem bestimmten Gehirnzustand eines Menschengehirns, während Lurchschmerzen identisch sind mit einem bestimmten Gehirnzustand eines Lurchgehirns. Ian Ravenscroft nennt dies eine eingeschränkte Typ-Identitätstheorie. Führt man diesen Gedankengang weiter, so gelangt man schließlich zu einer Token-Identitätstheorie, die lediglich noch die Identität mentaler Zustände eines Individuums mit dessen Gehirnzustand postuliert.

Zwischen Smarts beabsichtigter Typ-Identitätstheorie und einer Token-Identitätstheorie besteht der wesentliche Unterschied, dass Erstere reduktionistisch ist: Sie möchte unsere mentalen Zustände durch Rückführung auf eine andere Theorie verständlicher machen, so wie die Rückführung von Wasser auf den gesamten Erklärungsapparat von Physik und Chemie auf Wasser anwendbar macht. Wenn mentale Zustände typ-identisch mit Gehirnzuständen sind, so lässt sich die Psychologie schließlich auf die Neurowissenschaft zurückführen. Bei Token-Identität ist dies jedoch nur noch eingeschränkt möglich, da jedes Gehirn sich in seiner Realisierung von jedem anderen Gehirn unterscheidet. Eine Token-Identitätstheorie ist demnach nicht-reduktionistisch.

Trotz dieser Probleme gibt es heute eine gewisse Renaissance der Identitätstheorie, welche vor allem Jaegwon Kim zu verdanken ist.

Die Identitätstheorie erhält Auftrieb dadurch, dass das physikalische Konzept der Materie und ihrer Wechselwirkungen erkennbar nicht abgeschlossen ist. Daraus erwächst die Hoffnung, dass sich aus zukünftigen Erweiterungen des physikalischen Verständnisses möglicherweise auf direktem Wege die Emergenz der neuen „Dimension“ des Bewusstseins ableiten lässt.

Funktionalismus

Der Funktionalismus wurde unter anderem von Hilary Putnam als Reaktion auf die Probleme der Identitätstheorie entwickelt.[16] Die Idee lautet wie folgt: Wenn Wesen mit verschiedenen Gehirnzuständen den gleichen mentalen Zustand haben können (die Identitätstheorie also falsch ist), so muss dennoch etwas existieren, das die Gehirnzustände gemeinsam haben. Der Vorschlag der Funktionalisten ist es, den verschiedenen Gehirnzuständen den gleichen funktionalen Zustand zuzuordnen. Die mentalen Zustände wären dann funktionale Zustände, unabhängig davon wie sie physisch realisiert würden.

Doch was sind funktionale Zustände? Dies wird oft am Beispiel von einfachen Automaten erklärt: Stellen wir uns einen Süßigkeitenautomaten vor. Dieser wirft bei einem Euro eine Süßigkeit aus. Nun kann man den Automaten mit verschiedenen Zuständen beschreiben: Es muss einen Zustand geben, in dem der Automat die Süßigkeit auswirft, ohne weiteres Geld zu fordern. Es muss aber auch Zustände geben, in denen der Automat noch einen Euro oder 50 Cent fordert, um etwas auszuspucken. Im Sinne der Automatentheorie lässt sich der Süßigkeitenautomat so durch abstrakte funktionale Zustände komplett beschreiben. Der Kern des Beispiels ist nun, dass die Beschreibung gilt, ganz egal, woraus der Automat konkret gemacht ist. Die Analogie ist klar: Mentale Zustände sollen funktionale Zustände sein, gleichgültig, von welchen Gehirnzuständen sie konkret realisiert werden.

Zentrales Problem des Funktionalismus ist das Bewusstsein. Als Beispiel dient ein als „China-Gehirn“ bezeichnetes Gedankenexperiment, das von Ned Block entworfen wurde: Jeder Chinese besitze ein Handy und habe klare Anweisungen, welche Nummer er anrufen soll, wenn er von bestimmten anderen Nummern angerufen wird. Man stelle sich nun zusätzlich vor, dass die Zahl der Chinesen und die Zahl der Gehirnzellen eines menschlichen Gehirns gleich seien, und dass man eine Situation herstellen könne, in welcher der aktuelle Verbindungszustand im chinesischen Handynetz identisch mit dem Aktivierungszustand der Neuronen eines menschlichen Gehirns bei der Vorstellung des Eiffelturms sei. Dann ist es intuitiv kaum vorstellbar, dass die durch die Chinesen und deren Handynetz gebildete Gesamtheit tatsächlich allein auf Grund des aktuellen Verbindungszustands und der daraufhin gewählten Nummernfolgen eine Vorstellung des Eiffelturms entwickelt, noch irgendeine andere Vorstellung oder einen anderen mentalen Zustand. Gleichgültig welche Funktion der Verbindungszustand des chinesischen Handynetzes haben mag, ein irgendwie gearteter kollektiver mentaler Zustand ist keine plausible Annahme. Der Funktionalismus erklärt somit auch nicht das Phänomen des Bewusstseins des menschlichen Gehirns, denn inwiefern das Feuern bestimmter Neuronen zu einem bewussten mentalen Erleben führen sollte, bleibt selbst dann unerklärt, wenn dies eine bestimmte Funktion erfüllt.

Nichtreduktiver Materialismus und Emergenz

Bei vielen Philosophen kommen zwei Überzeugungen zusammen:

  1. Der Materialismus ist wahr, mentale Zustände müssen materielle Zustände sein.
  2. Die einzelnen reduktiven Vorschläge sind alle unbefriedigend: Mentale Zustände lassen sich nicht auf Verhalten, Gehirnzustände oder funktionale Zustände zurückführen.

Daraus ergibt sich die Frage, ob es einen nichtreduktiven Materialismus geben kann. Donald Davidsons anomaler Monismus ist ein Versuch, einen solchen Materialismus zu formulieren.[17] Oft wird die Idee mit dem Begriff der Supervenienz formuliert: Mentale Zustände supervenieren über physischen Zuständen, sind aber nicht auf sie zurückführbar. „Supervenieren“ beschreibt dabei eine Abhängigkeitsbeziehung: Das Mentale kann sich nicht verändern, ohne dass sich das Physische verändert.

Auch der Emergenzbegriff spielt in den Debatten um den nichtreduktiven Materialismus eine zentrale Rolle.[18] Ein Phänomen wird genau dann als „emergent“ bezeichnet, wenn es auf der Makroebene eines Systems erscheint, jedoch nicht auf der Mikroebene der Systemkomponenten. In diesem Sinne wird etwa davon ausgegangen, dass das Bewusstsein emergent ist, da Personen Bewusstsein haben, man aber nicht den einzelnen Teilen des Menschen Bewusstsein zusprechen kann. Dabei wird das Emergenzkonzept häufig mit einer antireduktionistischen These kombiniert: Das Phänomen auf der Makroebene (in diesem Fall: Das Bewusstsein) lässt sich prinzipiell nicht auf die Mikroebene (also etwa Gehirnaktivitäten) zurückführen. In der Philosophie des Geistes ist umstritten, ob eine solche Position wieder zum Dualismus zurückführt. Kritiker des Emergenzbegriffes erklären, dass die Irreduzibilität der Makroebene im Rahmen einer materialistischen Theorie nicht verständlich sei.

Eliminativer Materialismus

Wenn man Materialist ist, die reduktiven Bemühungen für gescheitert hält und einen nichtreduktiven Materialismus für inkohärent hält, so kann man zu einem letzten Mittel greifen und behaupten: „Es gibt keine mentalen Zustände.“[19][20] Eliminative Materialisten behaupten, dass mentale Zustände von unserer Alltagspsychologie eingeführt worden sind. Wenn sich nun die Alltagspsychologie im Laufe der wissenschaftlichen Entwicklung als falsch herausstellt, so müssen wir auch die von ihr postulierten Entitäten abschaffen. Eliminativisten wie beispielsweise Patricia und Paul Churchland verweisen an dieser Stelle oft auf das Schicksal anderer, falscher Theorien im Laufe der Geschichte. Beispielsweise hat sich das System des Hexenglaubens als falsch herausgestellt. Die Konsequenz besteht in der Anerkennung der Nichtexistenz von Hexen.

Philosophie des Geistes im Buddhismus

"Was aber ist nun, Herr, Alter und Tod, und wem wieder wird dieses Alter und dieser Tod zu eigen?" "Die Frage ist nicht richtig," erwiderte der Erhabene. "Wenn man sagte: 'was ist Alter und Tod, und wem wieder wird dieses Alter und dieser Tod zu eigen?' - oder wenn man sagte: 'ein anderes ist Alter und Tod, und ein anderes ist der, dem dieses Alter und dieser Tod zu eigen wird,' so wäre beides ein und dasselbe, nur der Ausdruck wäre verschieden. Wenn die Anschauung besteht, Leben und Körper seien dasselbe, so gibt es keinen heiligen Wandel; oder wenn die Anschauung besteht, ein anderes sei das Leben, und ein anderes sei der Körper, so gibt es keinen heiligen Wandel. Diese beiden Enden vermeidend verkündet in der Mitte der Tathāgata (d.h. der "So-Gegangene", also Buddha) die wahre Lehre: aus der Geburt als Ursache entsteht Alter und Tod."[21]

Östliche Traditionen wie der Buddhismus gehen nicht von einem dualistischen Leib-Seele-Modell aus, aber stellen fest, dass Körper und Geist zwei unterschiedliche Einheiten sind. Speziell im Buddhismus wird die Idee einer unabhängigen Seele (Atman) des Hinduismus nicht akzeptiert. Einige Schulen des Buddhismus gehen von einer sehr subtilen Ebene des Bewusstseins aus, das den Körper zum Zeitpunkt des Todes verlässt und zu einem neuen Leben übergeht. Laut dem buddhistischen Gelehrten Dharmakirti ist die Definition des Geistes bzw. des Bewusstseins das, was Klarheit und Erkennen ist. In dieser Definition bezieht sich "Klarheit" auf die Natur des Geistes und "Erkennen" auf die Funktion des Geistes. Geist ist Klarheit, weil er stets formlos ist und weil er die eigentliche Fähigkeit besitzt, Dinge wahrzunehmen. Geist ist erkennend, weil es seine Funktion ist, zu wissen oder Objekte wahrzunehmen. In Ornament of the Seven Sets sagt der buddhistische Gelehrte Khedrup Gelek Pelzang, dass Denken, Bewusstheit, Geist und "Erkenner" Synonyme sind. Buddha erläuterte, dass der Geist, obwohl er formlos ist, trotzdem zur Form dazugehört. Demnach gehört unser Geist zu unserem Körper und ist über den ganzen Körper verteilt "ansässig". Dies ist im Kontext dessen zu verstehen, wie das Bewusstsein der fünf Sinne und das geistige Bewusstsein entstehen. Es gibt viele verschiedene Arten der Geistes-Sinnes-Bewusstheit, geistige Bewusstheit, grobe Bewusstseine, feine Bewusstseine, sehr subtiles Bewusstsein, und sie alle sind formlos (d.h. ohne Gestalt, Farbe, Klang, Geruch, Geschmack oder haptische Eigenschaften), und sie alle haben die Funktion zu erkennen oder zu wissen. Es gibt keinen Geist ohne ein Objekt, das vom Geist erkannt wird. Auch wenn keins dieser Bewusstseine eine Form hat, können sie zur Form dazugehören.[22]

Sprachphilosophische Kritik am Leib-Seele-Problem

Jeder Versuch, das Leib-Seele-Problem zu beantworten, stößt auf massive, insbesondere auch begriffliche Probleme. Es kann daher auch eine Option sein, das Leib-Seele-Problem als Scheinproblem zurückzuweisen. Eine solche Position wird heute insbesondere in der analytischen Philosophie in der Nachfolge Ludwig Wittgensteins vertreten.[23] Die Vertreter einer solchen Position erklären, dass es ein Fehler sei, zu fragen, wie mentale und biologische Zustände zusammenpassen. Vielmehr sollte akzeptiert werden, dass Menschen in verschiedenen Weisen – etwa in mentalem und biologischem Vokabular – beschrieben werden können. Scheinprobleme entstehen nach Meinung der wittgensteinschen Tradition, wenn versucht wird, die Beschreibungsweisen aufeinander zu reduzieren oder auch, wenn das mentale Vokabular in falschen Kontexten verwendet wird. Dies sei etwa der Fall, wenn im Gehirn nach mentalen Zuständen gesucht wird. Das Gehirn sei einfach der falsche Kontext für die Anwendung von mentalem Vokabular – die Suche nach mentalen Zuständen im Gehirn darum ein Kategorienfehler oder pure begriffliche Verwirrung.

Heute wird eine solche Position oft von Wittgenstein-Interpreten wie Peter Hacker vertreten.[24] Auch Hilary Putnam, der Begründer des Funktionalismus, hält mittlerweile das Leib-Seele-Problem für ein Scheinproblem, welches mit Wittgenstein aufzulösen sei.[25] In Deutschland findet sich eine entsprechende Auffassung bei Dirk Hartmann als Vertreter des methodischen Kulturalismus.[26]

Der Naturalismus und seine Probleme

Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? Mit dieser Frage läutete Thomas Nagel die gegenwärtige Debatte um die Qualia ein.

Die These des Materialismus ist, dass der Geist etwas Materielles sei. Eine solche Position hat das grundsätzliche Problem, dass der Geist Eigenschaften hat, die kein materieller Gegenstand besitzt. Der Materialismus muss deshalb erklären, wie es sein kann, dass einem materiellen Gegenstand doch diese Eigenschaften zukommen. Oft wird das Projekt der diesbezüglichen Erklärung die „Naturalisierung des Geistes“ genannt. Was sind nun die kritischen Eigenschaften? Am bekanntesten sind wohl die beiden folgenden:

Qualia

Hauptartikel: Qualia

Hauptartikel: Qualia

Viele mentale Zustände haben die Eigenschaft, in bestimmter Weise erlebt zu werden.[27] Thomas Nagel (* 1937) stellte etwa die provokante und mittlerweile klassische, häufig zitierte Frage: „What is it like to be a bat?[28] (Wie fühlt es sich an, eine Fledermaus zu sein?) und belebte damit die Qualiadebatte.

Das Wesentliche des mentalen Zustandes Schmerz ist etwa ganz offensichtlich, dass es weh tut. Doch woher kommt dieses Erleben (das Quale)? Nichts an einem neuronalen oder funktionalen Zustand deutet darauf hin, dass er von einem Schmerzerleben begleitet ist. Oft wird das Argument auch wie folgt formuliert: Die Vorgänge im Gehirn können (noch) nicht verständlich machen, warum sie mit entsprechendem Erlebnisgehalt ablaufen. Warum gehen viele Prozesse im Gehirn nicht ohne einen Funken Bewusstsein vonstatten?[29] Dies scheint nicht erklärbar zu sein.

Es scheint aber dennoch so zu sein, dass die Wissenschaften diesen Erlebnisgehalt erklären müssten. Dies ergibt sich aus der Logik reduktiver Erklärungen: Wenn ich ein Phänomen (z. B. Wasser) reduktiv erklären will, so muss ich auch erklären, warum das Phänomen all die Eigenschaften hat, die es hat (z. B. Flüssigkeit, Durchsichtigkeit). Im Fall der mentalen Zustände müsste man erklären, warum sie die Eigenschaft haben, in bestimmter Weise erlebt zu werden.

John Searle – einer der einflussreichsten Vertreter der Philosophie des Geistes (Berkeley 2002)

Intentionalität

Intentionalität bezeichnet die „Gerichtetheit“ der mentalen Zustände, die sie auch „wahrheitswertfähig“ macht.[30][31][32] Das heißt, dass Gedanken richtig oder falsch sein können. Dies mag zunächst noch nicht rätselhaft erscheinen, doch wenn Gedanken auf Naturprozesse reduziert werden sollen, so entsteht ein Rätsel: Naturprozesse sind nicht richtig oder falsch – sie geschehen einfach. Es wäre sinnlos, von einem Gehirnprozess zu sagen, er sei richtig bzw. falsch. Gedanken bzw. geistige Urteile sind aber richtig oder falsch, wie können Gedanken da Naturprozesse sein?

Die Wahrheitswertfähigkeit der Gedanken kommt daher, dass Gedanken auf Sachverhalte gerichtet sind: Der Gedanke etwa, dass Herodot Historiker war, bezieht sich auf Herodot und den Sachverhalt, dass er Historiker war. Besteht der Sachverhalt, so ist der Gedanke richtig – sonst eben falsch. Doch woher kommt dieser Bezug? Im Gehirn laufen nur elektrochemische Prozesse ab, und die scheinen mit Herodot rein gar nichts zu tun zu haben.

Philosophie des Geistes und die Naturwissenschaften

Physik

Der Mensch ist ein körperliches Wesen, das als solches von den Naturwissenschaften beschrieben werden kann. Erwin Schrödinger geht von einer Absolutheit des Geistes aus und umreißt das Problem (1943) wie folgt:

Unmittelbare Erfahrungen, so verschieden und ungleichartig sie auch sein mögen, können sich logischerweise nicht widersprechen. Wir wollen daher versuchen, ob wir nicht aus den folgenden beiden Prämissen den richtigen, widerspruchsfreien Schluß ziehen können:
  1. Mein Körper funktioniert als reiner Mechanismus in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen.
  2. Doch weiß ich auf Grund meiner unmittelbaren Erfahrung, daß ich seine Bewegungen leite und deren Folgen voraussehe, die entscheidend und in höchstem Maße bedeutsam sein können; in diesem Falle übernehme ich die volle Verantwortung für sie.
Die einzig mögliche Folgerung aus diesen zwei Tatsachen ist die folgende: Ich – ich im weitesten Sinne des Wortes, d. h. jedes bewusst denkende geistige Wesen, das sich als ‚Ich‘ bezeichnet oder empfunden hat – ist die Person, sofern es überhaupt eine gibt, welche die ‚Bewegung der Atome‘ in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen leitet.“[33]

Roger Penrose stellt dem eine andere Sichtweise gegenüber. Wenn die geistigen Prozesse nicht absolut oder unabhängig sind, sondern von den körperlichen Prozessen abhängen, spielt die rein naturwissenschaftliche Beschreibung des Menschen in der Philosophie des Geistes eine große Rolle:

Begriffe wie Geist und Psyche wären wenig nützlich, wenn der Geist keinen Einfluß auf den Körper hätte und auch von ihm nicht beeinflußt werden könnte. Wäre der Geist lediglich ein „Epiphänomen“ – eine zwar spezifische, aber völlig passive Eigenschaft des Gehirnzustandes -, dann könnte dieser Zustand als bloßes Nebenprodukt des Körpers nicht auf ihn zurückwirken, und dem Geist käme offensichtlich nur eine ohnmächtige und unbedeutende Nebenrolle zu. Wenn der Geist den Körper dazu bringen könnte, die Naturgesetze zu verletzen, würde er die Exaktheit dieser rein physikalisch begründeten Naturgesetze stören. Deshalb ist eine rein dualistische Sicht kaum aufrecht zu erhalten. Selbst wenn die physikalischen Naturgesetze, denen der Körper unterworfen ist, dem Geist einen Freiraum zur Beeinflussung des Körpers lassen, dann muss diese Art von Freiheit selbst ein wichtiger Inhalt dieser Naturgesetze sein.[34]

In Letzterem Fall sind prinzipiell alle Disziplinen von Bedeutung, die Prozesse beschreiben, welche mit dem Mentalen in Zusammenhang stehen. Entsprechend lang ist die Liste der wichtigen Wissenschaften: Biologie, Informatik, Kognitionswissenschaft, Kybernetik, Linguistik, Medizin, Pharmakologie, Psychologie usw.

(Neuro-)Biologie

Theoretischer Hintergrund der Biologie, wie in den modernen Naturwissenschaften allgemein, ist meist ein materialistischer Ansatz. Als Studienobjekt fungieren zunächst physische Vorgänge, die als Grundlage von mentaler Tätigkeit und Verhalten angesehen werden. Der zunehmende Erfolg der Biologie als Erklärungsansatz mentaler Phänomene lässt sich vor allem durch das Ausbleiben einer Widerlegung der Grundannahme: „Keine Veränderung der mentalen Zustände eines Menschen ohne eine Veränderung seines Gehirns“ verstehen.

Mehrere Disziplinen innerhalb der Neurobiologie beschäftigen sich mit dem Zusammenhang von mentalen und physischen Prozessen:

Der methodische Fortschritt der Neurowissenschaften, insbesondere der Einzug bildgebender Verfahren, führte in vergangenen Jahren vermehrt zur Formulierung von anspruchsvollen Forschungsprogrammen: Als Agenda gilt die neuronalen Prozesse geistiger Funktionen aufzudecken und zu verstehen (siehe auch: Neuronales Korrelat des Bewusstseins). Einige wenige Neurobiologen, wie Emil Du Bois-Reymond und John Carew Eccles haben die prinzipielle Möglichkeit einer „Reduktion“ mentaler Phänomene auf Gehirnvorgänge aus teils religiösen Gründen verneint. Heute vertritt etwa der im deutschen Sprachraum bekannte Neurobiologe und Philosoph Gerhard Roth eine Form des nichtreduktiven Materialismus[35]. Mit populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen über Experimente zur Gehirnforschung brachte insbesondere der Psychiater, Psychologe und Hochschullehrer Manfred Spitzer das Thema der Selbstbestimmtheit[36] in die Öffentlichkeit.

Informatik

Die Informatik beschäftigt sich mit der automatischen Verarbeitung von Informationen (oder zumindest physikalischen Symbolsystemen, denen man Information beimisst), wie sie von Computern geleistet wird. Computer waren seit Beginn ihrer Entwicklung zu Aktionen fähig, für die ein Mensch seinen Geist benötigt. Ein Beispiel ist die Multiplikation. Doch offenbar haben Computer beim Multiplizieren keinen Geist. Könnten sie jedoch irgendwann einen Geist bekommen? Diese Frage hat mit der Forschung zur künstlichen Intelligenz (KI) erheblich an Bedeutung gewonnen.

Auch in der KI kann man zwischen einem bescheidenen und einem anspruchsvollen Forschungsprogramm unterscheiden – es handelt sich um John Searles Unterscheidung zwischen schwacher und starker KI. Die schwache KI hat lediglich das Ziel, mentale Zustände zu simulieren, ohne dabei den Anspruch zu erheben, dass die Computer wirklich Bewusstsein etc. haben. Ziel der starken KI ist hingegen ein Computer mit Bewusstsein. Die starke KI reicht bis zu dem Computerpionier Alan Turing zurück.[37] Er formulierte als Antwort auf die Frage „Können Computer denken?“ den legendären Turing-Test. Turing meinte, dass ein Computer dann denken könne, wenn er in einem „Chat“ nicht von einem Menschen unterscheidbar sei. Am Turing-Test ist viel Kritik geübt worden, unter anderem von John Searle, mit seinem Gedankenexperiment vom „chinesischen Zimmer“.[38] Zudem bleibt die Frage nach einer möglichen Empfindungsfähigkeit (Qualia) von Computern bzw. Robotern noch vollkommen unbeantwortet. Hier sind wohl auch die meisten Informatiker weniger optimistisch.

Psychologie

Die Psychologie ist die Wissenschaft, die am direktesten mentale Zustände untersucht. Konkret untersucht sie mentale Zustände wie etwa Freude, Furcht oder Zwangsvorstellungen. Dabei forscht die Psychologie nach Gesetzmäßigkeiten, die mentale Zustände untereinander oder mit dem Input und Output des Menschen verbinden.

Beispiele hierfür liefert etwa die Wahrnehmungspsychologie. So lassen sich allgemeine Prinzipien der Gestaltwahrnehmung entdecken. Eine gestaltpsychologische Gesetzmäßigkeit lautet: Gegenstände, die sich in dieselbe Richtung bewegen, werden als zusammengehörig wahrgenommen. Diese Gesetzmäßigkeit beschreibt eine Relation zwischen dem visuellen Input und den mentalen Wahrnehmungszuständen. Dieses Ergebnis sagt jedoch noch nichts über die Natur der Wahrnehmungszustände aus. Die von der Psychologie entdeckten Gesetzmäßigkeiten sind mit allen beschriebenen Antworten auf das Leib-Seele-Problem kompatibel.

Systemtheorie

Gregory Bateson kommt in seiner „Ökologie des Geistes“ zu dem Ergebnis, dass das Geistige nicht die Eigenschaft eines Organs – etwa des Gehirns – oder eines Individuums – z. B. des Menschen – ist, sondern die Eigenschaft eines Systems, das Informationen transportieren kann. So gelangt Information von den äußeren Objekten in Form elektromagnetischer Wellen über das Sinnesorgan Auge über das Nervensystem ins Gehirn und geht von dort mittels effektorischer Nerven über die Sprachmotorik und das Transportmedium Luft in sprachlicher Form über das Sinnesorgan Ohr zum Mitmenschen, wird kommuniziert. Geist ist also diesem interagierenden System von Menschen, einer Gesellschaft bzw. einer Sprachgemeinschaft, immanent. Bateson: „In keinem System, das geistige Charakteristika aufweist, kann also irgendein Teil einseitige Kontrolle über das Ganze haben. Mit anderen Worten, die geistigen Charakteristika des Systems sind nicht einem Teil immanent, sondern dem System als ganzem.“ (Bateson 1985, S. 409). Die Philosophie lebender Systeme folgt dieser kybernetischen Auffassung des Begriffs des Geistigen und untersucht die Frage nach der Speicherung des Geistigen, der Ideen, Baupläne, Hypothesen und Theorien. Das durch Interaktion gewonnene geistige Ergebnis benötigt zu seiner Konservierung einen materiellen Datenträger. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Evolution die mittels Selektion erworbenen Erfahrungen im genetischen Code speichert (intracelluläre Speicherung), der Mensch vermag seine Ideen, Erkenntnisse und Erfahrungen während seiner Lebenszeit wie alle Hirntiere körperintern zu speichern, aber er hat auch verschiedene körperexterne Datenspeichermöglichkeiten, wie Bücher und Computer, entwickelt, die nun das Geistige nicht nur in die Zukunft transportieren können, wie die Gene, sondern es auch nahezu zeitgleich im Raum verbreiten. Damit hat der Mensch einen neuen Erbweg geschaffen und setzt eine „Evolution des Geistes“ in Gang.

Konsequenzen der Philosophie des Geistes

Es gibt zahllose Themen, die nicht unberührt von den Ergebnissen der Philosophie des Geistes sein können. Offensichtliche Beispiele sind etwa die Natur und Endgültigkeit des Todes, die Natur der Emotionen, der Wahrnehmung und des Gedächtnisses. Auch die Frage, was eine Person ist und was ihre Identität ausmacht, hat viele Schnittstellen mit der Philosophie des Geistes. Zwei Themen, die im Zusammenhang mit der Philosophie des Geistes besondere Aufmerksamkeit erlangt haben, sind die Freiheit und das Selbst.

Freiheit

Im Kontext der Philosophie des Geistes stellt sich die Frage nach der Freiheit des Willens / Freiheit des Willens in neuer Schärfe. Dies gilt zumindest, wenn man sich von Materialismus und Determinismus hat überzeugen lassen: Alle mentalen Zustände – also auch das menschliche Wollen – wären demnach materielle Zustände. Und die Naturgesetze legten demnach den Lauf der materiellen Welt komplett fest. Auch mentale Zustände wie Wollen und Handeln werden dann komplett durch die Naturgesetze festgelegt. Manche argumentieren nun weiter: Also können Menschen gar nicht selbst bestimmen, was sie wollen und tun. Oder zumindest stehen ihnen keine Handlungsalternativen offen. Folglich seien sie nicht frei.

Dieser Argumentation widersprechen zum einen die Kompatibilisten. Sie argumentieren, „Freiheit“ meine nicht Indeterminiertheit, sondern Wollen und Handeln nach bestem Wissen und Gewissen. In diesem Sinne können Menschen auch frei sein, wenn der Determinismus wahr ist. Der vielleicht bekannteste Kompatibilist der Philosophiegeschichte ist David Hume. Heute werden kompatibilistische Positionen etwa von John M. Fischer oder Daniel Dennett vertreten.[39]

Immanuel Kant bestritt die Determiniertheit des Willens und vertrat die Willensfreiheit

Entgegen solchen kompatibilistischen Positionen vertreten Inkompatibilisten, dass sich freier Wille und Determinismus durchaus widersprechen. Falls daher Determinismus gilt, könne es keinen freien Willen geben. Doch es gibt auch Inkompatibilisten, die der Meinung sind, dass Menschen einen freien Willen haben. Diese Philosophen behaupten, dass der Lauf der Welt nicht vollständig durch die Naturgesetze festgelegt ist: Zumindest der Wille soll nicht determiniert und daher potentiell frei sein. Der bekannteste Philosoph, der üblicherweise dem Inkompatibilismus zugeordnet wird, ist Immanuel Kant.[40] Ob nichtdeterministische physikalische Theorien dies stützen, wird sehr kontrovers beurteilt. Unabhängig davon werfen einige der Kritiker dem Inkompatibilismus vor, einen inkohärenten Begriff von Freiheit zu verwenden. Sie argumentieren wie folgt: Wenn unser Willen durch nichts determiniert ist, so ist es purer Zufall, was wir wollen. Wenn es purer Zufall ist, was wir wollen, so sind wir nicht frei. Also sind wir nicht frei, wenn unser Willen durch nichts determiniert ist. Verteidiger des Inkompatibilismus würden teils einwenden: Dieser Argumentation liegt die Annahme zugrunde, dass es in diesem Fall nur zwei Alternativen gibt: entweder mein Handeln ist fremdbestimmt oder vom Zufall bestimmt. Die Voraussetzung schließt bereits aus, dass es eine dritte Möglichkeit gibt: selbstbestimmten Willen. Per Definitionem setze das Konzept des Willens die Selbstbestimmtheit jedoch voraus.

Selbst

Zudem hat die Philosophie des Geistes beachtliche Auswirkungen auf den Begriff des Selbst / Selbst. Versteht man unter „Selbst“ den unveränderlichen Wesenskern einer Person, so werden die meisten Vertreter der Philosophie des Geistes wohl behaupten, dass es nichts Derartiges gibt.

Die Idee von einem Selbst als einem unveränderlichen Wesenskern entspringt der christlichen Vorstellung einer immateriellen Seele. Eine solche Vorstellung ist für die meisten heutigen Philosophen aufgrund ihrer materialistischen Grundüberzeugung nicht akzeptabel. Doch auch die Idee eines konstanten materiellen Wesenskerns – etwa realisiert in einem unveränderlichen Hirnareal – scheint aufgrund der empirischen Ergebnisse von Entwicklungspsychologie, Entwicklungsbiologie und Neurowissenschaft unplausibel.

Einige Philosophen erklären aufgrund dieser Probleme, dass wir aufhören sollten, von einem Selbst zu sprechen. Dies ist allerdings eine Minderheitenposition, verbreiteter ist die folgende Meinung: Man sollte unter dem „Selbst“ keinen unveränderlichen Wesenskern verstehen, sondern etwas, das sich in permanenter Veränderung befindet. Ein bekannter Fürsprecher einer solchen Position ist Daniel Dennett. Es ist zudem erstaunlich, wie sich einige Überlegungen der modernen Philosophie des Geistes auf diesem Gebiet mit altüberlieferten Erkenntnissen außereuropäischer Kulturen – etwa dem Buddhismus – überschneiden.

Die Philosophie des Geistes im Lichte der Anthroposophie Rudolf Steiners

Vgl. hierzu auch die Artikel Gehirn und Qualia, und dort verlinkte weitere Artikel zum Thema. Weil die Philosophie des Geistes ein Hauptthema der heutigen Philosophie ist, wird hier noch eine Zusammenstellung aller zugehörigen Aussagen Rudolf Steiners erfolgen. Die Position der Anthroposophie bezüglich Qualia, Leib-Seele-Problem etc. ist die eines idealistischen Monismus. Eine Fragestellung dazu ist, ob und wenn ja, wie sich ein idealistischer Monismus von einem idealistischen Eigenschaftsdualismus unterscheidet.

In "Wahrheit [sind] alle Wirklichkeit, die niedere und die höhere geistige, nur zwei Seiten einer und derselben Grundwesenheit, ..." (Lit.:GA 9, S. 4)

Joachim Stiller merkt dazu bereits im Vorfeld kritisch an, dass sich ein idealistischer Monismus niemals wird durchsetzen lassen. Er würde immer zurückschlagen in einen materialistischen Monismus, wodurch nichts gewonnen wäre. Stiller empfiehlt der Anthroposophie daher immer, von einem interaktionistischen Dualismus auszugehen und diesen dann zu pluralisieren, mit dem Hinweise, dass der Geist deshalb auf die Materie wirken könne, weil letztendlich beides gleichen Ursprungs sei.

Siehe auch

Literatur

( weitere Literatur: http://de.wikipedia.org/wiki/Portal:Philosophie/Philosophiebibliographie#Philosophie_des_Geistes [1] )

Literatur zu Einzelthemen und -positionen in den Quellen.

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

 Wiktionary: Geist – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikiquote: Geist – Zitate

Bibliographien:

Einzelnachweise

  1. von lat. mens für Denkkraft (oder -vermögen), Verstand, Vernunft, Einsicht und Geist, Denkart sowie Sinnesart, aber auch Gemüt mit allen Gemütsaffekten (wie Zorn, Leidenschaft oder Mut) sowie davon abgeleitet für: das Gedachte, die Gedanken, die Erinnerung, Meinung und Absicht
  2. Illes J.,Sahakian BJ., The Oxford Handbook of Neuroethics, Oxford University Press, New York 2011
  3. 3,0 3,1 3,2 René Descartes: Meditationes de prima philosophia. 1641.
  4. Platon: Phaidon.
  5. Saul A. Kripke: Naming and Necessity. Blackwell Pub., Oxford 1981, ISBN 0-631-12801-8.
  6. Rudolf Steiner: Haeckel und seine Gegner, in: Die Gesellschaft, 15. Jg., Bd. 3, Heft 4, 5, 6; Aug./Sept. 1899; vgl. (Lit.:GA 30, S. 152ff)
  7. Karl Popper, John Carew Eccles: Das Ich und sein Gehirn. 8. Auflage Piper, München u. a. 2002, ISBN 3-492-21096-1.
  8. Roger Penrose: Schatten des Geistes: Wege zu einer neuen Physik des Bewusstseins; aus dem Englischen übersetzt von Anita Ehlers. Heidelberg etc., Spektrum Akademischer Verlag, cop. 1995, ISBN 3-86025-260-7 – siehe insbesondere Kapitel 7: „Quantentheorie und Gehirn“.
  9. Gottfried Wilhelm Leibniz: Monadologie. 1714.
  10. Frank Cameron Jackson: What Mary didn’t know. In: Journal of Philosophy 1986, Seiten 291–295
  11. David J. Chalmers: The Conscious Mind. Oxford University Press, Oxford 1996, ISBN 0-19-511789-1.
  12. David J. Chalmers: Philosophy of Mind – Classical and Contemporary Readings. (Hrsg.) Oxford University Press, Oxford 2002, ISBN 0-19-514581-X.
  13. Hilary Putnam, Brains and Behaviour, 1965
  14. Ullin Place: Is Consciousness a Brain Process? In: British Journal of Psychology 1956
  15. John Smart: Sensations and Brain Processes In: Philosophical Review 1956
  16. 16,0 16,1 Hilary Putnam: Psychological Predicates, in: W. H. Captain (Hrsg.): Art, Mind and Religion, Pittsburgh 1967, Seiten 37–48
  17. Donald Davidson: Essays on Actions and Events Oxford University Press, Oxford 1980, ISBN 0-19-924627-0.
  18. Die ausführlichste Erörterung des Themas in deutscher Sprache findet sich in: Achim Stephan: Emergenz: Von der Unvorhersagbarkeit zur Selbstorganisation, Mentis, 3. Auflage 2007, ISBN 3-89785-439-2.
  19. Paul Churchland: Eliminative Materialism and the Propositional Attitudes. In: Journal of Philosophy 1981, Seiten 67–90
  20. Patricia Churchland: Neurophilosophy: Toward a Unified Science of the Mind-Brain. MIT Press, Cambridge MA 1986, ISBN 0-262-03116-7.
  21. Avijjapaccaya Sutta :http://www.palikanon.com/samyutta/sam12_40.html#s12_35
  22. Understanding the Mind: The Nature and Power of the Mind, [[Wikipedia:Tharpa Publications|]] (2nd. ed., 1997) ISBN 978-0-948006-78-4
  23. Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen. 1954.
  24. Max Bennett, Peter Hacker: Philosophical Foundations of Neuroscience. Blackwel Pub, Oxford 2003, ISBN 1-4051-0838-X.
  25. Hilary Putnam: The Threefold Cord: Mind, Body, and World. John Dewey Essays in Philosophy. Columbia University Press, New York 2000, ISBN 0-231-10286-0.
  26. Dirk Hartmann: Physis und Psyche – Das Leib-Seele-Problem als Resultat der Hypostasierung theoretischer Konstrukte. In: Dieter Sturma (Hrsg.): Philosophie und Neurowissenschaften. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006 (stw 1770) Seiten 97–123, insbesondere Kapitel 3 Das Leib-Seele-Problem als Folge naturalistischer Fehlschlüsse Seiten 105–111
  27. Heinz-Dieter Heckmann, Sven Walter (Hrsg.): Qualia. Ausgewählte Beiträge. Mentis, Paderborn 2001, ISBN 3-89785-184-9 (Ein Sammelband mit vielen klassischen Texten)
  28. Thomas Nagel: What is ist like to be a bat? in: The Philosophical Review LXXXIII, 4 (October 1974), p. 435-450
  29. Erwin Schrödinger erkennt in der Frage: „Welche materiellen Vorgänge sind direkt mit Bewußtsein verknüpft?“ das Grundproblem aller Überlegungen über „Geist und Materie“ (siehe 1. Kapitel seines gleichnamigen Buchs).
  30. Daniel C. Dennett: The intentional stance. 7. printing. MIT Press, Cambridge Mass. 1998, ISBN 0-262-54053-3 (Diese und die folgenden beiden Quellen sind klassische Texte der Intentionalitätsdebatte.)
  31. Jerry Fodor: Psychosemantics. The problem of meaning in the philosophy of mind. 3. print. MIT Press, Cambridge 1993, ISBN 0-262-06106-6.
  32. John Searle: Intentionalität. Eine Abhandlung zur Philosophie des Geistes. Nachdruck Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-518-28556-4.
  33. Erwin Schrödinger: Was ist Leben? Die lebende Zelle mit den Augen des Physikers betrachtet / Einführung von Ernst Peter Fischer. München, Piper, 1987, ISBN 3-492-03122-6. – Epilog: „Über Determinismus und Willensfreiheit“, Seite 148
  34. Roger Penrose: Schatten des Geistes, Spektrum Akademischer Verlag, 1995, Kapitel 4.1: Der Geist und die Naturgesetze
  35. Gerhard Roth: Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen Konsequenzen. 6. Auflage Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-518-58183-X.
  36. Manfred Spitzer: Selbstbestimmen. Gehirnforschung und die Frage: Was sollen wir tun?, 2003 (Das Buch wiederholt auch einige Teile des für Didaktiker etwas tiefergehenden Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens, 2002)
  37. Alan Turing: Computing Machinery and Intelligence. In: Mind. Nr. 59, 1950, Seiten 433–460.
  38. John Searle: Minds, Brains and Programs. In: The Behavioral and Brain Sciences 3, 1980, Seiten 417–424
  39. Daniel C. Dennett: Elbow Room: The Varieties of Free Will Worth Wanting. Bradford Books-MIT Press, Cambridge MA 1984, ISBN 0-262-54042-8.
  40. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft.


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