Qualia

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Farben sind ein klassisches Problem der Qualiadebatte: Wie kommt es, dass bei der Verarbeitung von bestimmten Lichtwellen Farberlebnisse entstehen?
Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? Mit dieser Frage regte der Philosoph Thomas Nagel die Debatte um die Qualia neu an.
Farbkreis, Zeichnung von Johann Wolfgang von Goethe.

Als Qualia (von lat. qualis „wie beschaffen“) oder „Wieheiten“[1] werden die zunächst subjektiv erscheinenden Erlebnisinhalte des phänomenalen Bewusstseins bezeichnet. Zu den phänomenalen Bewusstseinsinhalten zählen die erlebten Sinnesqualitäten, die auf die Außenwelt verweisen, aber auch rein auf die Innenwelt bezogene Erlebnisse wie Gefühle, Gedanken, Schmerzen usw. Jede Sinnesmodalität - wie etwa Sehen, Hören, Riechen, Schmecken oder Berührungen Fühlen - verfügt über ein breiteres oder engeres Spektrum typischer Qualia, die sich von denen aller anderen Sinnesmodalitäten vollkommen unterscheiden. Träger des phänomenalen Erlebens ist aus anthroposophischer Sicht der Astralleib.[2]

Das ungelöste Rätsel der Qualia

Der Begriff der "Qualia" wurde 1866 von dem amerikanischen Philosophen Charles S. Peirce[3] geprägt, aber erst 1929 durch Clarence Irving Lewis in dem Buch Mind and the World Order im heute gebräuchlichen Sinn verwendet.

„Es gibt erkennbare qualitative Merkmale des Gegebenen, die in verschiedenen Erfahrungen wiederholt werden können und somit eine Art Universalien sind; ich nennen diese "Qualia". Aber obwohl solche Qualitäten Universalien sind, im Sinne der Wiedererkennbarkeit von einer Erfahrung zur anderen, müssen sie von den Eigenschaften von Objekten unterschieden werden. Die Verwechslung dieser beiden ist charakteristisch für viele historische Konzeptionen, sowie von aktuellen Essenztheorien. Das Quale ist direkt intuitiv, gegeben, und ist nicht Gegenstand eines möglichen Irrtums, weil es rein subjektiv ist. Die Eigenschaft eines Objekts ist objektiv; die Zuschreibung ist ein Urteil, das falsch sein kann; und was die Aussage behauptet, ist etwas, das über das hinausgeht, was in einer einzigen Erfahrung gegeben werden kann.“

Clarence Irving Lewis: Mind and the World Order, S. 121[4]

Das Problem der Qualia steht im Zentrum der modernen Philosophie des Geistes, die sich damit an eine Erkenntnisgrenze gestellt sieht und vielfach davon ausgeht, dass dieses Problem grundsätzlich nicht mit den Mitteln der Neuro- und Kognitionswissenschaften gelöst werden kann. Tatsächlich muss für eine rein materialistische Weltsicht das Phänomen der Qualia rätselhaft bleiben. 1868 schrieb der Physiker John Tyndall (1820-1893):

„Aber der Übergang vom physikalischen Gehirn zu den entsprechenden Tatsachen des Bewusstseins ist als Resultat mechanischer Vorgänge nicht vorstellbar. Angenommen, ein bestimmter Gedanke und ein bestimmter molekularer Vorgang im Gehirn treten gleichzeitig auf, so besitzen wir doch nicht das intellektuelle Organ, ja nicht einmal ein Bruchstück eines solchen Organs, das uns ermöglichen würde, durch Überlegung von dem einen Phänomen zum anderen zu gelangen. Sie treten zusammen auf, aber wir wissen nicht, warum. Wäre unser Geist, wären unsere Sinne so ausgedehnt, stark und erleuchtet, dass wir die einzelnen Moleküle des Gehirns sehen und spüren könnten, wären wir fähig, all ihren Bewegungen, Gruppierungen und elektrischen Entladungen zu folgen, so es diese denn gibt, und wären wir intensiv vertraut mit den entsprechenden Zuständen des Denkens und Fühlens, wären wir doch so weit wie immer davon entfernt, das Problem „Wie sind diese physikalischen Vorgänge mit den Tatsachen des Bewusstseins verknüpft?“ zu lösen. Die Kluft zwischen den beiden Klassen von Phänomenen bliebe intellektuell dennoch unüberwindbar. Nehmen wir beispielsweise an, das Bewusstsein für Liebe sei mit einer rechtsdrehenden Spiralbewegung der Moleküle des Gehirns verknüpft, und das Bewusstsein für Hass mit einer linksdrehenden Spiralbewegung. Wir müssten dann wissen, dass die Bewegung in eine Richtung verläuft, wenn wir lieben, und in die andere, wenn wir hassen. Das „WARUM?“ aber wäre so wenig zu beantworten als zuvor.“

John Tyndall: Fragments of Science, S. 94f[5]

Auf diese Problematik wies auch 1872 der Physiologe Emil Heinrich Du Bois-Reymond in seiner berühmten Ignorabimus-Rede hin:

„Welche denkbare Verbindung besteht zwischen bestimmten Bewegungen bestimmter Atome in meinem Gehirn einerseits, andererseits den für mich ursprünglichen, nicht weiter definierbaren, nicht wegzuleugnenden Tatsachen: "Ich fühle Schmerz, ruhte Lust; ich schmecke Süßes, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe Rot," und der ebenso unmittelbar daraus fließenden Gewißheit: "Also bin ich"? Es ist eben durchaus und für immer unbegreiflich, daß es einer Anzahl von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- usw. Atomen nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich bewegen werden. Es ist in keiner Weise einzusehen, wie aus ihrem Zusammensein Bewußtsein entstehen könne.“

Emil Du Bois-Reymond: Über die Grenzen des Naturerkennens, S 458

Die Welt an sich, so meint man, sei finster, stumm, geruch- und geschmacklos und weder warm noch kalt, wirklich sei nur, was nach Maß und Zahl zu fassen ist. So schreibt etwa der Neurowissenschaftler David Eagleman:

„Aber wie sieht die Welt da draußen wirklich aus? Sie ist nicht nur farblos, sondern auch stumm: Der Druck und die Ausdehnung der Luft wird von den Ohren registriert und in elektrische Signale verwandelt. Das Gehirn stellt uns diese Signale als liebliche Klänge, Rascheln, Klappern und Klirren dar. Die Wirklichkeit ist außerdem geruchlos: Außerhalb unseres Gehirns gibt es keine Gerüche. Es gibt nur Moleküle, die durch die Luft schweben, sich mit Rezeptoren in unserer Nase verbinden und von unserem Gehirn als unterschiedliche Gerüche interpretiert werden. Die wirkliche Welt ist nicht voller sinnlicher Ereignisse; es ist unser Gehirn, das die Welt mit seiner eigenen Sinnlichkeit auflädt.“ (Lit.: Eagleman, S. 79)

Zu derartigen Vorstellungen bemerkt Rudolf Steiner:

„Die moderne Naturwissenschaft versetzt ein unwirkliches Abstraktum, ein aller Empfindungsqualitäten entkleidetes, schwingendes Substrat in den Raum und wundert sich, dass nicht begriffen werden kann, was den vorstellenden mit Nervenapparaten und Gehirn ausgestatteten Organismus veranlassen kann, diese gleichgültigen Bewegungsvorgänge in die bunte, von Wärmegraden und Tönen durchsetzte Sinnenwelt zu übersetzen. Du Bois-Reymond nimmt deshalb an, dass der Mensch wegen einer unüberschreitbaren Grenze seines Erkennens nie verstehen werde, wie die Tatsache: «ich schmecke Süßes, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe Rot», zusammenhängt mit bestimmten Bewegungen kleinster Körperteile im Gehirn, welche Bewegungen wieder veranlasst werden durch die Schwingungen der geschmack-, geruch-, tonund farbenlosen Elemente der äußeren Körperwelt. «Es ist eben durchaus und für immer unbegreiflich, dass es einer Anzahl von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- usw. Atomen nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich bewegen werden.» («Grenzen des Naturerkennens», Leipzig 1882, 5.33 f) Es liegt aber hier durchaus keine Erkenntnisgrenze vor. Wo im Raume eine Anzahl von Atomen in einer bestimmten Bewegung ist, da ist notwendig auch eine bestimmte Qualität (z.B. Rot) vorhanden. Und umgekehrt, wo Rot auftritt, da muss die Bewegung vorhanden sein. Nur das abstrahierende Denken kann das eine von dem andern trennen. Wer die Bewegung von dem übrigen Inhalte des Vorganges, zu dem die Bewegung gehört, in der Wirklichkeit abgetrennt denkt, der kann den Übergang von dem einen zu dem andern nicht wieder finden.

Nur was an einem Vorgang Bewegung ist, kann wieder von Bewegung abgeleitet werden; was dem Qualitativen der Farben- und Lichtwelt angehört, kann auch nur auf ein ebensolches Qualitatives innerhalb desselben Gebietes zurückgeführt werden. Die Mechanik führt zusammengesetzte Bewegungen auf einfache zurück, die unmittelbar begreiflich sind. Die Farbentheorie muss komplizierte Farbenerscheinungen auf einfache zurückführen, die in gleicher Weise durchschaut werden können.“ (Lit.:GA 6, S. 173f)

Der Philosoph Thomas Nagel trat mit seinem 1974 veröffentlichten Aufsatz "What is it like to be a bat?"[6] (Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?) allen reduktionistischen Bestrebungen zur Erklärung der Qualia energisch entgegen. Die Naturwissenschaft sei methodisch auf die objektive Außenperspektive festgelegt und könne daher das subjektive Erleben niemals erfassen. So mögen wir etwa noch so genau die Prozesse studieren, die im Gehirn einer Fledermaus ablaufen, wenn sie sich im Raum mit HIlfe der Echolotung orientiert. Wie es sich aber im subjektiven Erleben der Fledermaus anfühlt, ein Objekt auf diese Weise wahrzunehmen, werden wir dadurch niemals erfahren.

„Es war ja so, daß einzelne Persönlichkeiten, die noch Traditionen aus älteren Anschauungen über die Außenwelt hatten, damit rangen, sich Vorstellungen zu machen, welche wirklichkeitsgemäßer waren als diejenigen, welche, ich möchte sagen, als die offiziellen im Laufe des naturwissenschaftlichen Zeitalters allmählich heraufkamen. So zum Beispiel, außer Paracelsus, auch van Helmont, der sich durchaus bewußt war, daß, wenn Farbe, Ton usw. erlebt werden, das Geistige des Menschen in Tätigkeit ist. Aber weil dieses Geistige im Wachzustande nur mit Hilfe des physischen Leibes sich betätigt, erzeugt es in sich bloß ein Bild von dem, was als Wesen in Ton, Farbe und so weiter enthalten ist, und so kommt man dann zu einer unzutreffenden Beschreibung der äußeren Wirklichkeit, nämlich zu der reinen mathematisch- mechanischen Bewegungsform, Bewegungsgestaltung für dasjenige, was als sekundäre Qualitäten im Menscheninneren erlebt werden soll. Während es in Wahrheit seiner Realität, seiner Wirklichkeit gemäß allein außerhalb des Menschenleibes erlebt werden kann. Man muß zu dem Menschen nicht sagen: Wenn du das wahre Wesen zum Beispiel des Tones erkennen willst, so mußt du physikalische Experimente machen über dasjenige, was sich, wenn du einen Ton hörst, innerlich in der Luft sich abspielt, die den Ton zu dir bringt, sondern dann mußt du dem Menschen sagen: Wenn du das wahre Wesen des Tones kennenlernen willst, so mußt du dir eine Vorstellung davon bilden, wie du eigentlich den Ton außer deinem physischen und ätherischen Leibe erlebst. Das sind aber Gedanken, welche von den Menschen des naturwissenschaftlichen Zeitalters eben nicht gedacht wurden, weil diese Menschen eben nicht auf die vollständige Menschennatur eingehen wollten, weil sie keine Neigung entwickelten, die wahre Wesenheit des Menschen kennenzulernen. Und so fanden sie eben in der ihnen unbekannten Menschennatur nicht die Mathematik oder auch die primären Qualitäten; und so fanden sie in der Außenwelt - weil sie nicht wußten, daß der Mensch ja der Außenwelt auch angehört - nicht die sekundären Qualitäten.

Ich sage nicht, daß man hellsichtig sein müsse, um in diesen Dingen die richtige Einsicht zu bekommen, sondern ich muß betonen, daß zwar die hellsichtige Weltenerklärung tiefere intensive Erkenntnisse gerade auch auf diesem Gebiete geben kann, daß aber eine gesunde Selbstschau durchaus dahin führt, das Mathematische, die primären Qualitäten, das Mathematisch-Mechanische auch in das Innere des Menschen zu verlegen, die sekundären Qualitäten auch in die Außenwelt des Menschen zu verlegen. Man kannte die Menschennatur nicht mehr. Man wußte nicht in Wirklichkeit, wie die Körperlichkeit des Menschen erfüllt ist von der Geistigkeit, wie die Geistigkeit, indem sie wachend im Menschen ist, sich vergessen muß, sich ganz hingeben muß dem Körper, damit sie das Mathematische begreift. Und man wußte auch nicht das andere, daß die Geistigkeit sich ganz in sich zusammenfassen muß und unabhängig vom Körper, das heißt außerhalb des Körpers, leben muß, um zu den sekundären Qualitäten zu kommen. Über alle diese Dinge, sage ich, kann die hellseherische Anschauung intensivere Einsichten geben, aber sie ist nicht nötig. Eine Selbstschau, eine wirkliche, gesunde Selbstschau kann fühlen, in richtigem Gefühl erkennen, daß Mathematik auch etwas innerlich Menschliches ist, Ton, Farbe usw. auch etwas Äußerliches sind.

Ich habe das, was einfach ein gesundes Empfinden, das aber zu wirklichen Erkenntnissen führt, nach dieser Richtung haben kann, in den achtziger Jahren in meinen Einleitungen zu «Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften» dargestellt. Da ist auf keine hellseherische Erkenntnis Rücksicht genommen, aber es ist gezeigt, inwieweit der Mensch ohne hellseherische Erkenntnis zur Anerkennung der Realität von Farbe, Ton usw. kommen kann. Dies hat man noch nicht verstanden. Das naturwissenschaftliche Zeitalter ist in der Lockeschen Denkungsweise noch zu sehr befangen. Dies konnte man nicht verstehen, konnte es auch nicht verstehen, als ich es, ich möchte sagen, philosophisch geschürzt, 1911 deutlich ausführte am Philosophischen Kongreß in Bologna. Da versuchte ich zu zeigen, wie das Geistig-Seelische des Menschen beim Wachzustande zwar im physischen und Ätherleib ist, aber seiner Qualität nach, gewissermaßen indem es den physischen und Ätherleib erfüllt, doch innerlich selbständig bleibt. Fühlt man diese innerliche Selbständigkeit des Geistig-Seelischen des Menschen, dann hat man auch eine Nachempfindung von dem, was das Geistig-Seelische im Schlafen von den Realitäten des Grünen und Gelben, des G und Cis, des Warmen und Kalten, des Sauren und Süßen usw. erlebt hat. Aber eben auf eine wirkliche Menschenerkenntnis wollte zunächst das naturwissenschaftliche Zeitalter nicht eingehen.“ (Lit.:GA 326, S. 90ff)

Qualia-Rätsel - nur ein Scheinproblem?

Eine Argumentation in der heutigen Qualia-Diskussion im Rahmen der Philosophie des Geistes ist, daß das Qualia-Problem ein künstlich erzeugtes Pseudo-Problem der Philosophie sei, dem nichts Reales entspreche. Ein Vertreter der Nichtexistenz des Qualiaproblems ist Daniel Dennett. Eine Schiene dieser Argumentation sieht die Quelle des angeblichen Qualia-Problems in dem cartesianischen Dualismus, der unbefragt vorausgesetzt werde. Als Alternative zu dem cartesischen Dualismus werden die Ansichten Wittgensteins ins Feld geführt, der die Innen-Aussen-Differenz des Bewußtseins verneint habe.

Tatsächlich handelt es sich hier auch aus der Sicht Rudolf Steiners um ein Scheinproblem, das aus dem mangelnden Verständnis des menschlichen Erkenntnisvermögens resultiert. Der Mensch ist so organisiert, dass sich im die Welt grundsätzlich von zwei Seiten her erschließt, nämlich durch die Beobachtung einerseits und das Denken andererseits, die er erst durch den Erkenntnisakt zur vollen Wirklichkeit verbinden muss. Wie sich die Sinnesqualitäten, die Qualia, anfühlen, lässt sich grundsätzlich nur durch Beobachtung erfahren und kann niemals aus irgendeiner gedanklich gefassten Theorie herausgesponnen werden. Das gilt für die sekundären Sinnesqualitäten (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken usw.) gleichermaßen wie für die primären Sinnesqualitäten, die namentlich mit dem Gleichgewichtssinn und dem Eigenbewegungssinn zusammenhängen. Der Unterschied besteht nur darin, dass letztere leichter mathematisch beschreibbar sind als erstere. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, da wir mit unserer Körperhaltung und -bewegung beständig unbewusst geometrisieren, etwa indem wir aufrecht stehen, einen geraden Weg entlang gehen oder die Arme in verschiedenen Winkeln vom Körper wegstrecken. Diese Bewegungen können wir zugleich auch objektiv von außen betrachten, was beim Sehen, Hören usw. nicht möglich ist, weshalb uns deren Eindrücke bloß subjektiv erscheinen. Wie es sich aber innerlich anfühlt aufrecht zu stehen, gerade zu gehen oder mit den Armen verschiedene Winkel zu bilden, lässt sich ebenfalls nur durch die jetzt innerlich auf den eigenen Körper gerichteten Sinne (Gleichgewichtssinn, Eigenbewegungssinn) beobachten, aber durch keine Geometrie oder Mathematik der Welt erfahren. Diese können stets nur die Gesetzmäßigkeiten dieser Körperbewegungen geometrisch-mathematisch beschreiben, aber niemals das geben, was nur durch Beobachtung gewonnen werden kann. Das „das schwere Problem des Bewusstseins“ („the hard problem of consciousness“), von dem David Chalmers gesprochen hat, resultiert derart aus einer letztlich unsinnigen Fragestellung. Sie entsteht paradoxerweise aus einer einseitig überhöhten idealistischen Haltung jener Naturforscher, die letztlich die ganze Welt inklusive aller sinnlichen Erfahrungsqualitäten aus einer Theorie, d. h. dem bloßen Denken ableiten wollen. Sehr wohl lösbar erscheint aber die Frage nach den physischen Voraussetzung der Sinnesorgane, des Gehirns usw., die eine solche nur durch Beobachtung zu gewinnende sinnliche Erfahrung ermöglichen. Das ist das „das leichte Problem des Bewusstseins“, von dem Chalmers gesprochen hat.

Schon in seinen erkenntnistheoretischen Grundlagenwerken, namentlich in seiner «Philosophie der Freiheit», hat Rudolf Steiner nachdrücklich betont, dass der Dualismus in unserer spezifisch menschlichen Organisation begründet ist, der die an sich einheitliche Welt in zwei unwirkliche Hälften auseinanderreisst. Die daraus resultierende Subjekt-Objekt-Spaltung ermöglich uns das Ich-Bewusstsein. Wir empfinden uns dadurch als abgesonderte Persönlichkeit der Welt gegenübergestellt. Beide - Persönlichkeit und Welt - sind dabei aber nur unwirkliche Spiegelbilder. Erst im Erkenntnisakt, in dem Wahrnehmung und Begriff wieder zu einer Ganzheit vereinigt werden, schließt sich diese Kluft, wodurch die Wirklichkeit bewusst ergriffen werden kann. Wir haben es also mit einem rein epistemolisch bedingten Dualismus zu tun, dem in Wirklichkeit ein ontologischer Monismus zugrunde liegt. Ein Monismus allerdings, der von Steiner - im Gegensatz zu Dennett - nicht im einseitig materialistischen Sinn verstanden wird, sondern der in der Materie letztlich auch nur eine Metamorphose des Geistigen sieht. So wie, vergleichsweise gesprochen, Wasserdampf, flüssiges Wasser und Eis nur verschiedene Erscheinungsformen derselben Substanz, nämlich des Wassers, sind. Diese Substanz, die allen sinnlich fassbaren oder physikalisch messbaren Erscheinungsformen des Wasser gemeinsam ist und sie gesetzmäßig miteinander verbindet, ist aber nicht sinnenfälliger, sondern ideeller bzw. geistiger Natur und nur dem Denken bzw. der geistigen Wahrehmung zugänglich.

„Für den naiven Realismus ist die wirkliche Welt eine Summe von Wahrnehmungsobjekten; für den metaphysischen Realismus kommt außer den Wahrnehmungen auch noch den unwahrnehmbaren Kräften Realität zu; der Monismus setzt an die Stelle von Kräften die ideellen Zusammenhänge, die er durch sein Denken gewinnt. Solche Zusammenhänge aber sind die Naturgesetze. Ein Naturgesetz ist ja nichts anderes als der begriffliche Ausdruck für den Zusammenhang gewisser Wahrnehmungen.

Der Monismus kommt gar nicht in die Lage, außer Wahrnehmung und Begriff nach anderen Erklärungsprinzipien der Wirklichkeit zu fragen. Er weiß, daß sich im ganzen Bereiche der Wirklichkeit kein Anlaß dazu findet. Er sieht in der Wahrnehmungswelt, wie sie unmittelbar dem Wahrnehmen vorliegt, ein halbes Wirkliches; in der Vereinigung derselben mit der Begriffswelt findet er die volle Wirklichkeit. Der metaphysische Realist kann dem Anhänger des Monismus einwenden: Es mag sein, daß für deine Organisation deine Erkenntnis in sich vollkommen ist, daß kein Glied fehlt; du weißt aber nicht, wie sich die Welt in einer Intelligenz abspiegelt, die anders organisiert ist als die deinige. Die Antwort des Monismus wird sein: Wenn es andere Intelligenzen gibt als die menschlichen, wenn ihre Wahrnehmungen eine andere Gestalt haben als die unsrigen, so hat für mich Bedeutung nur dasjenige, was von ihnen zu mir durch Wahrnehmen und Begriff gelangt. Ich bin durch mein Wahrnehmen, und zwar durch dieses spezifische menschliche Wahrnehmen als Subjekt dem Objekt gegenübergestellt. Der Zusammenhang der Dinge ist damit unterbrochen. Das Subjekt stellt durch das Denken diesen Zusammenhang wieder her. Damit hat es sich dem Weltganzen wieder eingefügt. Da nur durch unser Subjekt dieses Ganze an der Stelle zwischen unserer Wahrnehmung und unserem Begriff zerschnitten erscheint, so ist in der Vereinigung dieser beiden auch eine wahre Erkenntnis gegeben. Für Wesen mit einer andern Wahrnehmungswelt (zum Beispiel mit der doppelten Anzahl von Sinnesorganen) erschiene der Zusammenhang an einer andern Stelle unterbrochen, und die Wiederherstellung müßte demnach auch eine diesen Wesen spezifische Gestalt haben. Nur für den naiven und den metaphysischen Realismus, die beide in dem Inhalte der Seele nur eine ideelle Repräsentation der Welt sehen, besteht die Frage nach der Grenze des Erkennens. Für sie ist nämlich das außerhalb des Subjektes Befindliche ein Absolutes, ein in sich Beruhendes, und der Inhalt des Subjektes ein Bild desselben, das schlechthin außerhalb dieses Absoluten steht. Die Vollkommenheit der Erkenntnis beruht auf der größeren oder geringeren Ähnlichkeit des Bildes mit dem absoluten Objekte. Ein Wesen, bei dem die Zahl der Sinne kleiner ist, als beim Menschen, wird weniger, eines, bei dem sie größer ist, mehr von der Welt wahrnehmen. Das erstere wird demnach eine unvollkommenere Erkenntnis haben als das letztere.

Für den Monismus liegt die Sache anders. Durch die Organisation des wahrnehmenden Wesens wird die Gestalt bestimmt, wo der Weltzusammenhang in Subjekt und Objekt auseinandergerissen erscheint. Das Objekt ist kein absolutes, sondern nur ein relatives, in bezug auf dieses bestimmte Subjekt. Die Überbrückung des Gegensatzes kann demnach auch nur wieder in der ganz spezifischen, gerade dem menschlichen Subjekt eigenen Weise geschehen. Sobald das Ich, das in dem Wahrnehmen von der Welt abgetrennt ist, in der denkenden Betrachtung wieder in den Weltzusammenhang sich einfügt, dann hört alles weitere Fragen, das nur eine Folge der Trennung war, auf.

Ein anders geartetes Wesen hätte eine anders geartete Erkenntnis. Die unsrige ist ausreichend, um die durch unser eigenes Wesen aufgestellten Fragen zu beantworten.“ (Lit.:GA 4, S. 124ff)

„Mit der Frage: wie der Mensch in der wirklichen Welt steht, hat die Phantasie von dem möglichen ganz anderen Wahrnehmungsbild bei anderen Sinnen nichts zu tun. Man muß eben einsehen, daß jedes Wahrnehmungsbild seine Gestalt erhält von der Organisation des wahrnehmenden Wesens, daß aber das von der erlebten denkenden Betrachtung durchsetzte Wahrnehmungsbild den Menschen in die Wirklichkeit führt. Nicht die phantastische Ausmalung, wie anders eine Welt für andere als die menschlichen Sinne aussehen müßte, kann den Menschen veranlassen, Erkenntnis zu suchen über sein Verhältnis zur Welt, sondern die Einsicht, daß jede Wahrnehmung nur einen Teil der in ihr steckenden Wirklichkeit gibt, daß sie also von ihrer eigenen Wirklichkeit hinwegführt. Dieser Einsicht tritt dann die andere zur Seite, daß das Denken in den durch die Wahrnehmung an ihr selbst verborgenen Teil der Wirklichkeit hineinführt.“ (S. 130f)

„Die Vertiefung der Erkenntnis hängt von den im Denken sich auslebenden Kräften der Intuition (vergleiche Seite 95) ab. Diese Intuition kann in demjenigen Erleben, das im Denken sich ausgestaltet, in tiefere oder weniger tiefe Untergründe der Wirklichkeit tauchen. Durch die Erweiterung des Wahrnehmungsbildes kann dieses Untertauchen Anregungen empfangen und auf diese Art mittelbar gefördert werden. Allein niemals sollte das Tauchen in die Tiefe, als das Erreichen der Wirklichkeit, verwechselt werden mit dem Gegenüberstehen von weiterem oder engerem Wahrnehmungsbild, in dem stets nur eine halbe Wirklichkeit, wie sie von der erkennenden Organisation bedingt wird, vorliegt. Wer nicht in Abstraktionen sich verliert, der wird einsehen, wie auch die Tatsache für die Erkenntnis des Menschenwesens in Betracht kommt, daß für die Physik im Wahrnehmungsfelde Elemente erschlossen werden müssen, für welche nicht ein Sinn wie für Farbe oder Ton unmittelbar abgestimmt ist. Das konkrete Wesen des Menschen ist nicht nur durch dasjenige bestimmt, was er durch seine Organisation sich als unmittelbare Wahrnehmung gegenüberstellt, sondern auch dadurch, daß er anderes von dieser unmittelbaren Wahrnehmung ausschließt. Wie dem Leben neben dem bewußten Wachzustande der unbewußte Schlafzustand notwendig ist, so ist dem Sich-Erleben des Menschen neben dem Umkreis seiner Sinneswahrnehmung notwendig ein - viel größerer sogar - Umkreis von nicht sinnlich wahrnehmbaren Elementen in dem Felde, aus dem die Sinneswahrnehmungen stammen.“ (S. 131f)

Goethes Farbenlehre

Einen ganz anderen und auch heute noch wenig verstandenen Weg ging Goethe mit seiner Farbenlehre. Er hat damit die Grundlage für den Goetheanismus geschaffen, einer wissenschaftlich exakten Betrachtung der Natur, die sich vom herkömmlichen naturwissenschaftlichen Ansatz in wesentlichen Punkten unterscheidet. Bei diesem steht die quantitative Erfassung der Naturerscheinung im Vordergrund. "Messen, was messbar ist, und messbar machen, was nicht messbar ist", war hier seit Galilei der oberste Grundsatz. Goethe strebte demgegenüber nach einer systematischen reinen Phänomenologie der sinnlich erfahrbaren Erscheinungen. Das qualitative Element steht im Vordergrund. Die Qualia selbst, die bei der Farbwahrnehmung unmittelbar erlebten Sinnesqualitäten, die bei der herkömmlichen naturwissenschaftlichen Methode als vorgeblich rein subjektive Erscheinungen aus der wissenschaftlichen Theorienbildung völlig ausgeklammert werden, rücken bei Goethe gerade in den Mittelpunkt der durchaus objektiven naturwissenschaftlichen Betrachtung.

Die seelische Realität der Qualia

Die objektive Realität der Sinnesqualitäten hat Rudolf Steiner schon in seinen «Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften» ausführlich besprochen:

„Wir wollen einmal die Tatsachen ganz objektiv untersuchen. Nehmen wir an, es trete eine bestimmte Empfindung in unserem Bewusstsein auf. Sie tritt dann zugleich so auf, dass sie uns auf irgendeinen Gegenstand verweist, von dem sie herstammt. Wenn ich die Empfindung des Rot habe, so verbinde ich, kraft des Inhaltes dieser Vorstellung, in der Regel damit zugleich ein bestimmtes Ortsdatum, d. i. eine Stelle im Raume, oder die Oberfläche eines Dinges, der ich das, was diese Empfindung ausdrückt, zuschreibe. Nur dann ist das nicht der Fall, wenn durch einen äußeren Einfluss das Sinnesorgan selbst in der ihm eigentümlichen Weise antwortet, wie wenn ich bei einem Schlag aufs Auge eine Lichtempfindung habe. Von diesen Fällen, in denen die Empfindungen übrigens niemals mit ihrer sonstigen Bestimmtheit auftreten, wollen wir absehen. Sie können uns ja, als Ausnahmefälle, über die Natur der Dinge nicht belehren. Habe ich die Empfindung des Rot mit einem bestimmten Ortsdatum, so werde ich zunächst an irgendein Ding in der Außenwelt als den Träger dieser Empfindung verwiesen. Ich kann mich nun ja wohl fragen: Welche räumlich-zeitlichen Vorgänge spielen sich in diesem Dinge ab, während es mir als mit der roten Farbe behaftet erscheint? Es wird sich mir dann zeigen, dass mechanische, chemische oder andere Vorgänge als Antwort auf meine Frage sich darbieten. Nun kann ich weitergehen und die Vorgänge untersuchen, die sich auf dem Wege von jenem Dinge bis zu meinem Sinnesorgane vollzogen haben, um die Empfindung der roten Farbe für mich zu vermitteln. Da können sich mir nun doch auch wieder nichts anderes als Bewegungsvorgänge oder elektrische Ströme oder chemische Veränderungen als solche Vermittler darstellen. Das gleiche Resultat müsste sich mir ergeben, wenn ich die weitere Vermittlung vom Sinnesorgane bis zur Zentralstelle im Gehirne untersuchen könnte. Was auf diesem ganzen Wege vermittelt wird, das ist die in Rede stehende Wahrnehmung des Rot. Wie sich diese Wahrnehmung in einem bestimmten Dinge, das auf dem Wege von der Erregung bis zur Wahrnehmung liegt, darstellt, das hängt lediglich von der Natur dieses Dinges ab. Die Empfindung ist an jedem Orte vorhanden, vom Erreger bis zum Gehirne, aber nicht als solche, nicht expliziert, sondern so, wie es der Natur des Gegenstandes entspricht, der an jenem Orte sich befindet.

Daraus ergibt sich aber eine Wahrheit, die geeignet ist, Licht zu verbreiten über die gesamte theoretische Grundlage der Physik und Physiologie. Was erfahre ich aus der Untersuchung eines Dinges, das von einem Prozesse, der in meinem Bewusstsein als Empfindung auftritt, ergriffen wird? Ich erfahre nicht mehr als die Art und Weise, wie jenes Ding auf die Aktion, die von der Empfindung ausgeht, antwortet, oder mit anderen Worten: wie sich eine Empfindung in irgendeinem Gegenstande der räumlichzeitlichen Welt auslebt. Weit entfernt, dass ein solcher räumlich-zeitlicher Vorgang die Ursache ist, der in mir die Empfindung auslöst, ist vielmehr das ganz andere richtig: der räumlich-zeitliche Vorgang ist die Wirkung der Empfindung in einem räumlich-zeitlich ausgedehnten Dinge. Ich könnte noch beliebig viele Dinge einschalten auf dem Wege von dem Erreger bis zu dem Wahmehmungsorgane: in jedem wird hierbei nur dasjenige vorgehen, was in ihm vermöge seiner Natur vorgehen kann. Deshalb bleibt aber doch die Empfindung dasjenige, was sich in allen diesen Vorgängen auslebt.

Man hat also in den longitudinalen Schwingungen der Luft bei der Schallvermittlung oder in den hypothetischen Oszillationen des Äthers bei der Vermittlung des Lichtes nichts anderes zu sehen als die Art und Weise, wie die betreffenden Empfindungen in einem Medium auftreten können, das seiner Natur nach nur der Verdünnung und Verdichtung beziehungsweise der schwingenden Bewegung fähig ist. Die Empfindung als solche kann ich in dieser Welt nicht finden, weil sie einfach nicht da sein kann. In jenen Vorgängen habe ich aber durchaus nicht das Objektive der Empfindungsvorgänge gegeben, sondern eine Form ihres Auftretens. Und fragen wir uns nun: Welcher Art sind denn jene vermittelnden Vorgänge selbst? Untersuchen wir sie denn mit anderen Mitteln als mit Hilfe unserer Sinne? Ja, kann ich denn meine Sinne selbst mit anderen Mitteln als nur wieder mit eben diesen Sinnen untersuchen? Ist die peripherische Nervenendung, sind die Windungen des Gehirnes durch etwas anderes gegeben denn durch Sinneswahrnehmung?

All das ist gleich subjektiv und gleich objektiv, wenn diese Unterscheidung überhaupt als berechtigt angenommen werden könnte. Jetzt können wir die Sache noch genauer fassen. Indem wir die Wahrnehmung von ihrer Erregung bis zu dem Wahmehmungsorgane verfolgen, untersuchen wir nichts anderes als den fortwährenden Übergang von einer Wahrnehmung zur andern. Das «Rot» liegt uns vor als dasjenige, um dessen willen wir überhaupt die ganze Untersuchung anstellen. Es weist uns auf seinen Erreger. In diesem beobachten wir andere Empfindungen als mit jenem Rot zusammenhängend. Es sind Bewegungsvorgänge. Dieselben treten dann als weitere Bewegungsvorgänge zwischen dem Erreger und dem Sinnesorgane auf usw. Alles dieses aber sind gleichfalls wahrgenommene Empfindungen. Und sie stellen nichts weiter dar als eine Metamorphose von Vorgängen, die, soweit sie überhaupt für die sinnliche Beobachtung in Betracht kommen, sich ganz restlos in Wahrnehmungen auflösen.

Die wahrgenommene Welt ist also nichts anderes als eine Summe von metamorphosierten Wahrnehmungen.“ (Lit.:GA 1, S. 267)

Ein wesentliches Hindernis zum Verständnis der Qualia ist, dass man sich seit John Locke daran gewöhnt hat, primäre und sekundäre Sinnesqualitäten zu unterscheiden. Die primären Qualitäten umfassen alles, was räumlich ausgedehnt, zählbar und im Raum beweglich ist, also in etwa das, was Descartes als res extensa bezeichnet hat. Allein diesen Qualitäten wird eine objektive, vom Menschen unabhängige Realität zugesprochen und praktisch allein sie sind seit Galilei Gegenstand der Naturwissenschaft geworden, weil sie den Vorzug haben gut messbar zu sein und sich aufgrund ihrer Zählbarkeit leicht in mathematische Formeln pressen zu lassen. Den sekundären Qualitäten wird hingegen nur ein subjektiver Charakter zugesprochen, wegen etwa Goethe mit seiner wenig verstandenen Farbenlehre energisch protestiert hat.

„Primäre Qualitäten nannte Locke zum Beispiel alles dasjenige, was sich auf die Gestalt der Körper, auf deren geometrische Eigentümlichkeit, auf das Zahlenmäßige bezieht, auf die Bewegung bezieht, auf die Größe und so weiter. Davon unterschied er dann alles dasjenige, was er die sekundären Qualitäten nennt, Farbe, Ton, Wärmeempfindung und so weiter. Und während er die primären Qualitäten in die Dinge selbst hineinverlegt, so daß er annimmt, es seien räumliche, körperliche Dinge da, welche Gestalt haben, geometrische Eigentümlichkeiten haben, Bewegungen haben, nimmt er an, daß alles dasjenige, was sekundäre Qualitäten sind, Farbe, Ton usw., nur Wirkungen auf den Menschen seien. Draußen in der Welt seien nur primäre Qualitäten in den Körpern. Irgend etwas, dem Größe, Gestalt, Bewegung zukommt, das aber finster, stumm und kalt ist, irgend etwas übt eine Wirkung aus, und diese Wirkung drückt sich eben aus darinnen, daß der Mensch einen Ton, eine Farbe, eine Wärmequalität usw. erlebt.“ (Lit.:GA 326, S. 85)

„Wessen Vorstellungsvermögen durch Descartes, Locke, Kant und die moderne Physiologie nicht vom Grund aus verdorben ist, der wird niemals begreifen, wie man Licht, Farbe, Ton, Wärme usw. bloß für subjektive Zustände des menschlichen Organismus ansehen und dennoch das Vorhandensein einer objektiven Welt von Vorgängen außerhalb des Organismus behaupten kann. Wer den menschlichen Organismus zum Erzeuger der Ton-, Wärme-, Farben- usw. -Geschehnisse macht, der muss ihn auch zum Hervorbringet der Ausdehnung, Größe, Lage, Bewegung, der Kräfte usw. machen. Denn diese mathematischen und mechanischen Qualitäten sind in Wirklichkeit mit dem übrigen Inhalte der Erfahrungswelt untrennbar verbunden. Die Abtrennung der Raum-, Zahl- und Bewegungsverhältnisse, sowie der Kraftäußerungen von den Wärme-, Ton-, Farben- und den anderen Sinnesqualitäten ist nur eine Funktion des abstrahierenden Denkens. Die Gesetze der Mathematik und Mechanik beziehen sich auf abstrakte Gegenstände und Vorgänge, die von der Erfahrungswelt abgezogen sind, und können daher auch nur innerhalb der Erfahrungswelt Anwendung finden. Werden aber auch die mathematischen und mechanischen Formen und Verhältnisse für bloß subjektive Zustände erklärt, dann bleibt nichts übrig, was dem Begriffe von objektiven Dingen und Ereignissen als Inhalt dienen könnte. Und aus einem leeren Begriffe können keine Erscheinungen abgeleitet werden.“ (Lit.:GA 1, S. 317)

Das Problem der Qualia resultiert daraus, dass man die Entstehung der sekundären Qualitäten irgendwie aus den primären Qualitäten, die man allein vor objektiv gegeben hält, ableiten will - und daran notwendigerweise scheitert. Wie unsinnig dieses Unterfangen ist, hat Rudolf Steiner deutlich aufgezeigt:

„Da der Mensch ein Ding unter Dingen ist, so müssen die Dinge natürlich auf ihn einen Eindruck machen, wenn er von ihnen etwas erfahren soll. Ein Vorgang außer dem Menschen muß einen Vorgang im Menschen erregen, wenn im Blickfeld die Erscheinung «rot» auftreten soll. Es fragt sich nur, was ist draußen, was ist drinnen? Draußen ist ein in Raum und Zeit ablaufender Vorgang. Drinnen ist aber zweifellos ein ähnlicher Vorgang. Ein solcher ist im Auge und setzt sich ins Gehirn fort, wenn ich «rot» wahrnehme. Der Vorgang, der «drinnen» ist, den kann ich nicht, ohne weiteres, wahrnehmen; ebensowenig, wie ich die Wellenbewegung «draußen» unmittelbar wahrnehmen kann, welche die Physiker der Farbe «rot» entsprechend denken. Aber nur in diesem Sinne kann ich von einem «draußen» und «drinnen» sprechen. Nur auf der Stufe des sinnlichen Erkennens hat der Gegensatz von «draußen» und «drinnen» Geltung. Es führt mich dieses Erkennen dazu, «draußen» einen räumlich-zeitlichen Vorgang anzunehmen, wenn ich diesen auch nicht unmittelbar wahrnehme. Und weiter führt mich das gleiche Erkennen dazu, in mir einen solchen Vorgang anzunehmen, wenn ich auch diesen nicht unmittelbar wahrnehmen kann. Aber ich nehme ja auch im gewöhnlichen Leben räumlich-zeitliche Vorgänge an, die ich nicht unmittelbar wahrnehme. Ich höre z. B. in meinem Nebenzimmer Klavier spielen. Ich nehme deshalb an, daß ein räumliches Menschenwesen am Klavier sitzt und spielt. Und nicht anders ist mein Vorstellen, wenn ich von Vorgängen in mir und außer mir spreche. Ich setze voraus, daß diese Vorgänge analoge Eigenschaften haben, wie die Vorgänge, die in den Bereich meiner Sinne fallen, nur daß sie, wegen gewisser Ursachen, sich meiner unmittelbaren Wahrnehmung entziehen. Wollte ich diesen Vorgängen alle Eigenschaften absprechen, die mir meine Sinne im Bereich des Räumlichen und Zeitlichen zeigen, so dächte ich in Wahrheit so etwas wie das berühmte Messer ohne Griff, dem die Klinge fehlt. Ich kann also nur sagen, «draußen» spielen sich räumlich-zeitliche Vorgänge ab; sie bewirken «drinnen» räumlich-zeitliche Vorgänge. Beide sind notwendig, wenn in meinem Blickfeld «Rot» erscheinen soll. Dieses Rot, insofern es nicht räumlich-zeitlich ist, werde ich vergeblich suchen, gleichgültig, ob ich «draußen» oder «drinnen» suche. Die Naturforscher und Philosophen, die es «drau- ßen» nicht finden können, sollten es auch nicht «drinnen» suchen wollen. Es ist in demselben Sinne nicht «drinnen», in dem es nicht «draußen» ist. Den gesamten Inhalt dessen, was uns die Sinnenwelt darbietet, für eine innere Empfindungswelt erklären, und zu ihr etwas «Äußeres» suchen, ist eine unmögliche Vorstellung. Wir dürfen also nicht davon sprechen, daß «rot», «süß», «heiß» usw. Zeichen seien, die als solche nur in uns erregt werden und denen «außen» etwas ganz anderes entspricht. Denn, was wirklich in uns als Wirkung eines äußeren Vorganges erregt wird, das ist etwas ganz anderes als was in unserem Empfindungsfeld auftritt. Will man das, was in uns ist, Zeichen nennen, so kann man sagen: Diese Zeichen treten innerhalb unseres Organismus auf, um uns die Wahrnehmungen zu vermitteln, die als solche, in ihrer Unmittelbarkeit, weder innerhalb noch außerhalb unser sind, sondern die vielmehr zu der gemeinschaftlichen Welt gehören, von der meine «Außenwelt » und meine «Innenwelt» nur Teile sind. Um diese gemeinschaftliche Welt erfassen zu können, muß ich mich allerdings zu der höheren Stufe des Erkennens erheben, für die es ein «Innen» und «Außen» nicht mehr gibt.“ (Lit.:GA 7, S. 94ff)

Ähnlich argumentiert auch der deutsche Psychiater und Philosoph Thomas Fuchs (*1958):

„Freilich lässt sich die Existenz von Sinnesqualitäten auch nicht widerlegen. Der Neurowissenschaftler kann nur feststellen, dass beim Wahrnehmen der Farbe Grün Licht bestimmter Wellenlänge auf die Retina fällt und eine Kaskade neuronaler Prozesse auslöst, ohne dass an irgendeiner Stelle die Farbe grün auftaucht – sowenig wie in den Beobachtungen des Physikers außerhalb des Körpers. Zweifellos bedarf es der Lichtwellen, die, von einem Gegenstand reflektiert, die Retina reizen, damit wir etwas sehen können, oder der Schallwellen, die unser Trommelfell in Schwingung versetzen, damit wir Töne hören. Aber wir sehen keine Lichtwellen und hören keine Schallwellen, sondern Farben und Töne. Die Tatsache, dass jene Wellen selbst nicht farbig bzw. laut sind, ist daher kein Grund, die Wirklichkeit von Farben und Töne zu bestreiten...

Dem Physiker kann es an sich gleichgültig sein, ob der Baum abgesehen von seiner materiellen Teilchenstruktur auch noch grün ist oder nicht. Die Frage taucht bei seinen Messungen und Theoriebildungen einfach nicht mehr auf. Die Bestreitung der Qualitäten ergibt sich daher nicht etwa aus einer physikalischen Notwendigkeit. Sie rührt vielmehr aus einem physikalistischen Weltbild, das die ursprünglich für bestimmte Zwecke willkürlich gewählten, quantifizierbaren Ausschnitte der Wirklichkeit, vor allem aber die daraus abgeleiteten theoretischen Konstrukte (Atome, Photonen, elektromagnetische Felder etc.) zur „eigentlichen“ Realität erhebt. Physikalische Beschreibungen und Erklärungen sollen nun für alle Bereiche der Lebenswelt gültig sein. Dann ist der grüne Baum nur noch ein großer Molekülhaufen, das Lied der Nachtigall in seinen Zweigen eine irreguläre Sequenz von Luftdruckschwankungen und die Freude des Wanderers, der ihr zuhört, ein bestimmtes neuronales Erregungsmuster...

Aber eine solche Welt ist nur eine gedachte Abstraktion von der Welt, die wir als Lebewesen bewohnen und erfahren – der Welt, die unser Organismus sich erschließt, um sich in ihr zu erhalten, in der er qualitative Unterschiede macht, die sich so auf der physikalischen Ebene nicht finden, und so die Umwelt in Bedeutsames und Relevantes strukturiert. So wird es auch möglich, dass die Dinge und Lebewesen sich uns zeigen, also in Farben, Klängen und Düften über sich hinaus und mit uns in Beziehung treten. Insofern sind die Sinnesqualitäten Resultate der Beziehung eines Lebewesens zu seiner Umwelt; doch diese Beziehung hat einen welterschließenden und insofern durchaus objektiven Charakter. Selbst die sogenannten primären Qualitäten der Physik werden uns nur über die sekundären überhaupt zugänglich.

Ist der Baum also tatsächlich grün? Das kommt darauf an, ob wir ihn als Teil unserer gemeinsamen Lebenswelt betrachten – dann können wir uns jederzeit auf seine Farbe einigen, sie ist also nicht etwa „nur subjektiv“ – oder aber in eine physikalische Konstruktwelt hinabsteigen, in der sich von den lebensweltlichen Qualitäten voraussetzungsgemäß nichts mehr findet. Weder ist die Farbe eine objektive Eigenschaft der materiellen Welt („naiver“ Realismus), noch ist sie bloßes Produkt einer Innenwelt (Konstruktivismus). Farben und andere Sinnesqualitäten sind Ausdruck einer Komplementarität von Lebewesen und Umwelt. Sie entstehen im Zusammenwirken von Wahrnehmungsvermögen und Objekteigenschaften. So lässt sich zeigen, dass die Ausbildung von Farbmustern bei Blütenpflanzen sich in ständiger Interaktion mit der Ausbildung des Farbsehens bei Insekten vollzog. Die Eigenschaft und ihre Wahrnehmung entstanden in verschiedenen Arten koevolutiv, im Rahmen eines übergreifenden ökologischen Systems[7].“ (Lit.: Fuchs, S. 45f)

Aus anthroposophischer Sicht liegt die eigentliche objektive Realität der Qualia in der Astralwelt begründet. Indem die Qualia vom menschlichen Astralleib aufgenommen werden, treten sie in den Erlebnishorizont des Bewusstseins ein. Sie sind grundlegende seelische Substanzen, die diese Seelenwelt aufbauen, so wie die physischen Substanzen die physische Welt aufbauen. Damit wird aber nicht auf einen grundsätzlichen Substanzdualismus hingewiesen. Wir nennen nur die räumlich ausgedehnten Dinge, indem wir von ihren sekundären Qualitäten wie Farbe, Klang usw. absehen, physisch und die sekundären Qualitäten seelisch. Tatsächlich gehören beide ein und derselben Welt an, die wir nur durch unsere Erkenntnisart in verschiedene Bereiche (physisch, seelisch) gliedern. Tatsächlich gibt es nirgendwo ein reales wahrnehmbares räumliches Ding[8], das sich in der Wechselwirkung mit dem Licht nicht auch farbig zeigen würde. Rudolf Steiner war daher stets ein Vertreter des Monismus, nur beging er nicht den Fehler, diesen ausschließlich auf das physisch-räumliche Geschehen zu beschränken.

„Was ist also die Wahrnehmung? Diese Frage ist, im allgemeinen gestellt, absurd. Die Wahrnehmung tritt immer als eine ganz bestimmte, als konkreter Inhalt auf. Dieser Inhalt ist unmittelbar gegeben, und erschöpft sich in dem Gegebenen. Man kann in bezug auf dieses Gegebene nur fragen, was es außerhalb der Wahrnehmung, das ist: für das Denken ist. Die Frage nach dem «Was» einer Wahrnehmung kann also nur auf die begriffliche Intuition gehen, die ihr entspricht. Unter diesem Gesichtspunkte kann die Frage nach der Subjektivität der Wahrnehmung im Sinne des kritischen Idealismus gar nicht aufgeworfen werden. Als subjektiv darf nur bezeichnet werden, was als zum Subjekte gehörig wahrgenommen wird. Das Band zu bilden zwischen Subjektivem und Objektivem kommt keinem im naiven Sinn realen Prozeß, das heißt einem wahrnehmbaren Geschehen zu, sondern allein dem Denken. Es ist also für uns objektiv, was sich für die Wahrnehmung als außerhalb des Wahrnehmungssubjektes gelegen darstellt.“ (Lit.:GA 4, S. 98f)

Die Sinnesqualitäten sind rein seelischer und nicht physischer Natur, aber wir erfahren sie zunächst nicht in ihrer reinen Gestalt, sondern nur abgeschattet an der Materie. Tatsächlich eröffnet sich der Blick für die Wirklichkeit der Qualia erst der imaginativen Anschauung, die durch entsprechende geistige Übungen erreicht werden kann.

„Mit Bezug auf die Sinneswahrnehmungen ist man aber in eine wahre wissenschaftliche Verwirrung gekommen. Die Menschen meinen vielfach - die Physiologen haben sich in dieser Beziehung sogar den Erkenntnistheoretikern und Philosophen im 19. Jahrhundert angeschlossen -, wenn wir zum Beispiel Rot sehen, so ist der äußere Vorgang irgendein Schwingungsvorgang, der sich fortpflanzt bis zu unserem Sehorgan, bis zum Gehirn. Dann wird ausgelöst das eigentliche Rot-Erlebnis. Oder es wird durch den äußeren Schwingungsvorgang ausgelöst der Ton Cis auf dieselbe Weise. Hier ist man in Verwirrung geraten, weil man dasjenige, was in uns, in unserer Körperbegrenzung lebt, gar nicht mehr von dem Äußeren unterscheiden kann. Hier spricht man durchaus davon, daß alle Sinnesqualitäten, Farben, Töne, Wärmequalitäten, eigentlich nur subjektiv seien; daß das äußere Objektive etwas ganz anderes sei.

Wenn wir nun geradeso, wie wir die drei Raumesdimensionen zunächst aus uns heraus bilden, um sie an und in den Dingen wieder zu finden, wenn wir ebenso dasjenige, was in uns sonst als Sinnesempfindung auftritt, aus uns selbst schöpfen und dann außer uns versetzen könnten, dann würden wir das erst in uns Gefundene in den Dingen ebenso finden, ja, auf uns zurückschauend, es wiederfinden, wie wir das als Raum in uns Erlebte in der Außenwelt finden und auf uns zurückschauend, uns selbst diesem Raume angehörend finden. Wir würden, wie wir die Raumeswelt um uns haben, eine Welt von ineinanderfließenden Farben und Tönen um uns haben. Wir würden sprechen von einer objektivierten farbigen, tönenden Welt, einer flutenden, farbigen, tönenden Welt, so wie wir von dem Raume um uns herum sprechen.

Das kann der Mensch aber durchaus erreichen, daß er diese Welt, die sonst für ihn nur vorliegt als die Welt der Wirkungen, kennenlernt als die Welt seiner eigenen Bildung. Wie wir unbewußt, einfach aus unserer menschlichen Natur heraus, uns die Raumesgestalt ausbilden, um sie dann in der Welt wiederzufinden, indem wir sie erst metamorphosiert haben, so kann der Mensch durch gewisse Übung - das muß er jetzt bewußt ausführen - dazu kommen, aus sich heraus den gesamten Umfang der Qualitäten enthaltenden Welt zu finden, um sie dann wiederzufinden in den Dingen, wiederzufinden zurückschauend auf sich selbst.

Was ich Ihnen hier schildere, das ist das Aufsteigen zu der sogenannten imaginativen Anschauung.“ (Lit.:GA 82, S. 58f)

Durch die Sinneswahrnehmung kommt der Astralleib in eine unmittelbare Beziehung zu dem uns umgebenden Wärme-, Licht-, Klang- und Lebensäther.

„Wenn wir jetzt zum Astralleib gehen: der Astralleib steht nun auch nicht etwa bloß durch den Ätherleib, sondern in unmittelbarer Beziehung zu gewissen Kräften, die auf uns wirken, wenn wir im Wachzustand sind. Nun, das ist wiederum ein Teil der Wärmekraft; die Wärme nämlich wirkt mit einem Teil auf den physischen Organismus und mit einem Teil auf den Ätherorganismus zurück. Dann ist der astralische Leib in unmittelbarer Beziehung zu den Lichtkräften. Aber da müssen Sie wissen, daß Lichtkräfte für Geisteswissenschaft etwas anderes sind als das, was die Physik heute darunter versteht. Wir wollen nicht auf Theorien eingehen, aber nicht wahr, dem, was die Welt rings um uns herum in Beleuchtung wahrnehmen kann, dem liegt natürlich etwas zugrunde, und zwar im Äther, so daß wir schon sagen können: Licht ist eine Ätherkraft. - Wir sprechen nun in der gewöhnlichen Wissenschaft heute von dem Licht, als in dem Beleuchteten enthalten. Geisteswissenschaft spricht so vom Licht: sie nennt Licht auch dasjenige, was andern Sinneswahrnehmungen zugrunde liegt, wie zum Beispiel das Licht der Tonwahrnehmungen. Wenn wir Tonwahrnehmungen haben, so ist die äußere Physik überhaupt nur versucht, als von dem äußeren Korrelat der Tonwahrnehmung, von der bewegten Luft zu reden. Die bewegte Luft ist nur das Medium des wirklichen Tonelementes. Das wirkliche Tonelement ist ein Ätherisches, und die Vibration der Luft ist nur die Wirkung dieses ätherischen Vibrierens. Licht lebt auch in der Geruchswahrnehmung. Kurz, für alle Wahrnehmungen liegt zugrunde ein viel Allgemeineres als Licht, als was man in der Physik heute Licht nennt. Es ist gewiß irreführend, das gebe ich Ihnen zu, daß so vom Licht gesprochen wird. Denn im Grunde genommen hat man so vom Lichte gesprochen in der alten Geisteswissenschaft bis zum 12., 13. nachchristlichen Jahrhundert. Dann hat sich das Verständnis dafür verloren, und man hat versucht, andere Ausdrücke anzuwenden, die aber noch unverständlicher sind. Deshalb sind die Bücher über Alchimie, die auf das 12. Jahrhundert folgen, so unverständlich. Für Sie ist von Bedeutung, daß man dies Licht nennt. Mit diesem Licht nun steht der astralische Leib in Verbindung mit alldem, was den Sinneswahrnehmungen unterliegt auf der Erde, nicht auf dem Umweg durch den Ätherleib, sondern direkt in Beziehung. Das ist ganz besonders interessant. Draußen lebt das Licht im Äther, aber wir haben auch Ätherisches in uns. Das Licht wirkt auf den Ätherleib. Aber mit diesem Licht, das in uns ist, kommen wir beim Aufwachen nicht allein in Beziehung, sondern mit Umgehung dieses Lichtes gliedern wir uns in das äußerlich strömende Licht ein. Ebenso ist es auch mit dem äußern, durch die Welt wirkenden Chemismus. Auch in den Chemismus gliedern wir uns ein auf eine unmittelbare Art. Und das ist besonders wichtig, denn damit wird gesagt, daß der Mensch wachend in eine Art kosmischen Chemismus eingegliedert ist. Nun kennt unsere heutige Wissenschaft nur den leblosen Chemismus, höchstens ein bißchen den organischen Chemismus, aber sie kennt gar nicht jenen Chemismus, der ein allgemeiner Weltenchemismus ist. In den gliedern wir uns ein, wenn wir aufwachen. Und ebenso gliedern wir uns ein in das allgemeine Weltenleben, in den Lebensäther; alles unmittelbar.

Und das, was ich Ihnen jetzt skizziert habe, das muß erreicht werden, wenn der Mensch so, wie ich es geschildert habe, nach und nach seinen zweiten Körper aus dem ersten aufbaut und auch den dritten aufbaut. Das alles muß erreicht werden, indem der Mensch in sich untertaucht, mit Durchdringung seines eigenen Wesens, in die irdischkosmischen Agenzien hinein. Er muß die Welt ergreifen können durch sich. Wir haben heute in unserer Wissenschaft noch eine solche Sache nur ganz klar auf einem einzigen Gebiet, wo in der Tat die Physik in ähnlicher Art vorgeht, wie man es auf vielen Gebieten wünschen könnte. Das ist die Augenorganisation.

Denken Sie, wenn man das Auge betrachtet, richtig wie ein knüppeldicker Physiker, wie eine physische Vorrichtung, ein physikalisches Instrument: man zeichnet ins Auge hinein genau dieselben Figuren, wenn man das Auge begreifen will, von Lichtbrechung durch die Linse, Bildung des objektiven Bildes und so weiter, nur daß man nicht übergehen kann zu der Art, wie das Seelische in das Physikalische eingreift. Aber das Ganze ist furchtbar interessant. Denn nun hat man, wenn man so physikalisch vorgeht, diese ganze Zeichnung da vor sich, und jetzt stockt man, jetzt will man durch das Gehirn hindurch an das Seelische heran. Schauen Sie sich einmal diese drolligen philosophischen Purzelbäume an, alle diese interessanten, aber in der Tat blitzdummen Theorien vom psychophysischen Parallelismus oder von der Wechselwirkung. In Wahrheit kommen eben im Auge die Ich-Organisation und der astralische Leib unmittelbar an das, was wir physisch zeichnen, heran, ergreifen innerhalb des Auges das Physische. Für das Auge ist man also nahe daran, den richtigen Tatbestand zu ergreifen, weil man dazu genötigt ist durch diese eigentümliche Absonderung des Auges, weil das Auge fast nach außen liegt und in der embryonalen Entwickelung von außen eingebaut wird. Beim Auge macht man das. Das ist aber beim ganzen Menschen der Fall. Man müßte den ganzen Menschen innerlich physikalisch, geist-physikalisch erfassen, so daß man zu den irdischen Kräften auch die flüchtigen Lichtkräfte hinzufügen kann. Man müßte innerhalb der menschlichen Organisation dasjenige, was eigentlich aus der Umgebung heraus am Menschen da vorhanden ist und was vom Menschen so unmittelbar ergriffen wird, das physikalisch Konstruierte, das müßte man erkennen.“ (Lit.:GA 317, S. 47ff)

Trivia

Thomas Metzinger, einer der wenigen deutschsprachigen Philosophen, die auf dem Gebiet der ansonsten angelsächsisch dominierten Philosophie des Geistes heute hervorragen, glaubt nicht an die Existenz eines Ich, sondern hält dieses für eine Modellkonstruktion des Gehirns, und hat eine entsprechende Theorie entworfen. In seinem Buch „Der Ego-Tunnel“ spricht er auch von seinen eigenen außerkörperlichen Erfahrungen und luziden Träumen, die er als typische Beispiele gehirnerzeugter Illusionen interpretiert.

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

DVD-Set

  • 2009: Philosophie des Bewusstseins - 15 Vorlesungen an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz vom Wintersemester 2007/8, Auditorium-Netzwerk, 5 DVDs (Video) (enthält zu einem Gutteil die Einführung in die Qualia-Forschung und -Diskussion in der Philosophie des Geistes, mit besonderem Bezug zu den Neurowissenschaften, sehr zu empfehlen. In dieser Vorlesung gibt es auch den Tipp von Metzinger, den Auffassungen Martine Nida-Rümelins Aufmerksamkeit zu widmen, denn sie nehme konträre Positionen zu den eigenen Ansichten ein.)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Walach, S. 340
  2. Anna-Katharina Dehmelt: »Alles in der Welt ist bewusst« Anthroposophische Meditation als Weg zur Erforschung des Bewusstseins, in: die Drei 4/2015, S. 10 academia.edu
  3. Charles S. Peirce: Collected Papers. Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge [1866] 1958-1966 (Nachdr.), § 223.
  4. „There are recognizable qualitative characters of the given, which may be repeated in different experiences, and are thus a sort of universals; I call these "qualia." But although such qualia are universals, in the sense of being recognized from one to another experience, they must be distinguished from the properties of objects. Confusion of these two is characteristic of many historical conceptions, as well as of current essence-theories. The quale is directly intuited, given, and is not the subject of any possible error because it is purely subjective. The property of an object is objective; the ascription of it is a judgment which may be mistaken; and what the predication of it asserts is something which transcends what could be given in any single experience.“
    Clarence Irving Lewis: Mind and the World Order. Outline of a Theory of Knowledge. Charles Scribner's sons, New York 1929, Dover, New York 1991 (Nachdr.), ISBN 0-486-26564-1 archive.org
  5. „But the passage from the physics of the brain to the corresponding facts of consciousness is inconceivable as a result of mechanics. Granted that a definite thought, and a definite molecular action in the brain, occur simultaneously; we do not possess the intellectual organ, nor apparently any rudiment of the organ, which would enable us to pass, by a process of reasoning, from the one to the other. They appear together, but we do not know why. Were our minds and senses so expanded, strengthened, and illuminated, as to enable us to see and feel the very molecules of the brain; were we capable of following all their motions, all their groupings, all their electric discharges, if such there be; and were we intimately acquainted with the corresponding states of thought and feeling, we should be as far as ever from the solution of the problem, How are these physical processes connected with the facts of consciousness?" The chasm between the two classes of phenomena would still remain intellectually impassable. Let the consciousness of love, for example, be associated with a right-handed spiral motion of the molecules of the brain, and the consciousness of hate with a left-handed spiral motion. We should then know, when we love, that the motion is in one direction, and, when we hate, that the motion is in the other; but the "WHY?" would remain as unanswerable as before.“
    John Tyndall: Scientific Materialism (1868), in: Fragments of Science, Band 2, 1902, pp. 94-95 archive.org
  6. Thomas Nagel: What is it like to be a bat? In: The Philosophical Review. Cornell University, Ithaca 83/1974, S. 435–450. ISSN 0031-8108
  7. Ehrlich, P. R., Raven, P. H.: Butterflies and plants: a study in coevolution, in: Evolution 18 (1964), pp. 586–608.
  8. Atome oder Elementarteilchen sind in diesem Sinn keine realen Dinge, sondern mehr oder weniger nützliche Gedankenkonstrukte der Physik.