Logos

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Logos (griech. λόγος „Wort, Rede, Sinn“; lat. verbum) bedeutet Wort, ausgesprochener (griech. λόγος προφορικός logos prophorikos) oder unausgesprochener, rein innerlich gefassster Gedanke (griech. λόγος ἐνδιάθετος logos endiathetos)[1][2], Begriff, Definition, Vernunft, göttlicher, schöpferischer Gedanke, Weltgedanke, Weltvernunft, Weltgeist (lat. mens mundi[3]), Weltenwort. Die Stoiker sprechen vom logos spermatikos (griech. λόγος σπερματικός „Vernunftkeim“), der jedem vernunftbegabten Wesen innewohne. Anders als heute waren bei den Griechen Wort und Begriff noch kaum voneinander geschieden und Denken ein inneres, stummes Sprechen, gleichsam ein intellektuelles Selbstgespräch, das aber nicht nur im Menschen stattfindet, sondern auch in der Natur als die eigentliche Schöpferkraft waltet, ein Prinzip, das seine höchste Ausformung im Prolog des Johannesevangeliums findet („Im Anfang war das Wort“ Joh 1,1 LUT). Aber auch schon das Alte Testament lässt im Sechstagewerk die Schöpfung aus dem Wort der Elohim hervorgehen. Der Bedeutungsbogen des Logos reicht somit vom menschlichen Wort und der menschlichen Vernunft bis hin zum schaffenden Weltenwort, zum Wort Gottes, das identisch mit dem Christus ist.

Die drei Logoi

Siehe auch: Trinität

Drei Logoi umfasst der Logos im erweiterten Sinn, die Trinität nach christlicher Terminologie, die sich in Vater, Sohn und Heiligen Geist gliedert. Dem entspricht in der jüdischen Kabbala das Ain Soph, das oft dreigliedrig dargestellt wird, als Ain (אין), Ain Soph (אין סוף) und Ain Soph Aur ( אין סוף אוֹר). In dieser Dreigliederung wird das Ain als Nichts verstanden, das Ain Soph als das Grenzenlose und das Ain Soph Aur (wörtlich das nicht endliche Licht) als grenzenloses Licht.

“Das Erste, woraus alles andere hervorging, ist die unmanifestierte Gottheit. Aus dieser ging dann hervor das Zweite, das Leben oder auch die unmanifestierte schöpferische Substanz. Dieses Leben geht dann hindurch durch die mannigfaltigsten Formen und wird benannt in den Formen Akasha oder Mahat. Dieses Akasha oder Mahat enthält alles, was es an Formen des Lebens in der Welt gibt. Die ganzen Hierarchien der Throne, Cherubim, Seraphim, der Gewalten, Urkräfte, Erzengel und Engel gingen hervor durch das Leben und bilden die Formen, unter denen dies eine Leben erscheint.

Die erste Kraft, die unmanifestierte Gottheit, wird auch der Vater genannt; die zweite Kraft ist der Sohn, der zugleich Leben und schöpferische Substanz ist, und die dritte Kraft ist der Geist. Zusammen erscheinen diese drei Urkräfte also als Vater, Sohn und Geist, als Bewußtsein, Leben und Form. Die Kraft des Lebens steht unter der Leitung Michaels, dessen, der zur Sonne gehört, die Kraft der Form steht unter der Leitung Samaels, der zum Vulkan gehört, wo alles Leben umgesetzt sein wird in lebendige Formen. Die Kraft des Bewußtseins steht unter der Leitung Anaels, der alles umfaßt, was da ist.” (Lit.: GA 89, S. 256)

“Zu allen Zeiten hat der Okkultismus diese drei Logoi durch folgende Zeichen abgebildet:


Erster Logos
Gott

Zweiter Logos
Makrokosmos

Dritter Logos
Mikrokosmos

Man hat sie zusammengefaßt in der Zahl: 7-7-7, der esoterischen Ziffer der drei Logoi. Die exoterische Zahl ist die Multiplikation dieser drei im Entwickelungsplan liegenden Siebenheiten, nämlich 343.” (Lit.: GA 94, S. 92)

Das Verhältnis der drei Logoi zueinander

Vater, Sohn und Heiliger Geist

„... so sind [...] von den h. Theologen die Glaubensbekenntnisse aufgestellt und überliefert worden, damit wir im Herzen glauben und mit dem Munde bekennen, dass die göttliche Güte in drei Bestandheiten einer einzigen Wesenheit bestehe. Und zwar ist dies nicht ohne Berücksichtigung übersinnlicher Erkenntniss und vernünftiger Forschung geschehen. Indem sie nämlich, vom göttlichen Geist erleuchtet, die Eine unaussprechliche All-Ursache und den Einen einfachen und untheilbaren Ausgangspunkt ins Auge fassten, haben sie dies Einheit genannt. Indem sie weiterhin die Einheit selbst nicht in leerer Vereinzelung, sondern in wunderbar fruchtbarer Vielheit anschauten, haben sie drei Bestandheiten der Einheit gedacht: eine ungezeugte, eine gezeugte und eine hervorgehende. Das Verhalten der ungezeugten Bestandheit zur gezeugten nannten sie Vater; das Verhalten der gezeugten Bestandheit zur ungezeugten nannten sie Sohn; das Verhalten der hervorgehenden Bestandheit zur ungezeugten und gezeugten nannten sie heiliger Geist.“

Johannes Scottus Eriugena: Über die Einteilung der Natur[4]

Der Erste Logos, der Vater, ist die grenzenlose Quelle allen schöpferischen Tuns; Bewusstsein, Leben und Form sind in ihm noch ungeschieden. Indem er sich sein Spiegelbild - und damit sein Bewusstsein - erzeugt und an dieses aus freiem Entschluss sein Leben hinopfert, entsteht der zweite Logos.

Der Zweite Logos, der Sohn, ist genau dasselbe wie der erste Logos, nur dass er seine eigene unabhängige Existenz durch ein Opfer erhalten hat, und dass er dem ersten Logos dessen eigenes Wesen zurückspiegelt. In ihm lebt damit ein Zweifaches: sein eigenes Wesen und die Widerspiegelung des ersten Logos. Damit allein könnte aber noch kein Weltensystem in äußerer Form außerhalb der beiden Logoi entstehen. Eine weitere Spiegelung muss stattfinden, die nun auch das Verhältnis der beiden Logoi zueinander widerspiegelt.

Der Dritte Logos, der Heilige Geist, entsteht als Widerspiegelung der zwei andern Logoi und ihres Verhältnisses zueinander. Ob der dritte Logos, der Heilige Geist, dabei nur aus dem Vater hervorgeht, wie die Ostkirchen meinen, oder gemeinsam aus Vater und Sohn, wie es die Westkirche vertritt, führte ab dem Konzil von Toledo 589 zum sogenannten Filioque-Streit, der bis heute die christlichen Kirchen scheidet. Im dritten Logos lebt jedenfalls ein Dreifaches: das Spiegelbild des ersten Logos, das Spiegelbild dessen, was der erste Logos im zweiten Logos bewirkt hat, nämlich sein Leben, und das Spiegelbild von dem, was der zweite Logos dem ersten zurückstrahlt. In der hinduistischen Lehre werden sie Gunas genannt und sind nach der indischen Samkhya-Philosophie jene Kräfte, aus denen die Urmaterie, Prakriti, zusammengesetzt ist. Aus dieser Dreiheit kann aber durch Kombinationen eine noch größere Mannigfaltigkeit entstehen, zunächst als Siebenheit.

Sieben schöpferische Geister, die Jakob Böhme in seiner Aurora die sieben Quellgeister nennt, entspringen aus dem dritten Logos, denn alle drei Tätigkeiten des dritten Logos können zusammenwirken, oder paarweise je zwei oder jede für sich; das gibt sieben Kombinationsmöglichkeiten, die wesenhaft erscheinen und von denen der eine, der alle drei Tätigkeiten umfasst, der dritte Logos selbst ist. Damit ist die nächste Ebene weltschöpferische Wesen erreicht.

Indem diese sieben schöpferischen Geister nun stufenweise auf den drei Ebenen des Bewußtseins, des Lebens und der Form tätig werden, erscheinen sie wesenhaft als die 3 x 7 = 21 Prajapatis, die die unmittelbaren Schöpfer des äußeren Weltensystems sind. Tatsächlich ist die Sache noch etwas komplizierter, da der siebente Lebenszustand eigentlich schon zum nächsten Bewusstseinszustand zu zählen ist und ebenso der erste und letzte Formzustand. Damit gibt es in Wahrheit 10 Prajapatis des Bewusstseins[5], 6 Prajapatis des Lebens und 5 Prajapatis der Form (Lit.: GA 89, S. 177ff).

“Die Menschen fragen gewöhnlich zuerst: Wie ist alles entstanden? - Dies ist wohl die schwierigste Frage, die aber oft gestellt wird. Man kann davon nur eine annähernde Vorstellung geben. Vor allem muß man sich einmal klarmachen, daß es unser Verstand ist, der da fragt, wie die Dinge entstanden sind und sich ungefähr plausibel macht, wie man selbst die Welt geschaffen hätte, wenn man der Schöpfer gewesen wäre. Der Menschenverstand gehört aber schon zu denjenigen Dingen, die vom Logos stammen, und es ist klar, daß das Bewußtsein des Logos ein weit größeres ist; daher können wir den Logos nicht mit dem menschlichen Verstand beurteilen. Darum kann die Frage nicht so gestellt werden: Warum mußte die Welt aus dem Logos hervorgehen? –, sondern man kann nur fragen, wie sich das Hervorgehen der Welt aus dem Logos verhält, wie die Dinge entstanden sind, nicht warum – weil das Warum einen Zwang in sich schließen würde. Das Hervorgehen der Welt aus dem Logos muß eine freie Tat des Logos sein, nicht eine Tat der Notwendigkeit.

Durch ein Bild nur kann das Schöpferische des Logos bezeichnet werden, indem man sich ein Wesen und sein Spiegelbild vorstellt. Man muß sich sagen: In dem Spiegelbild ist alles das enthalten, was in dem Wesen selbst vorhanden ist. Es sieht genauso aus, aber es ist nicht lebendig, es enthält nicht das Lebensprinzip. Wollen wir begreifen, wie das Spiegelbild dem Wesen gleich werden kann, so müssen wir uns denken, es ist nur dadurch möglich, daß das Wesen sein Leben, seine Existenz, dem Spiegelbild abgibt — dann hat man den Begriff des ersten Opfers. Die Hingabe der eigenen Existenz, die Übertragung des eigenen Lebens an das Spiegelbild, das ist das ursprüngliche Opfer.

Genauso verhält es sich mit dem Logos. Der erste Logos verhält sich zum zweiten, wie wenn wir, vor dem Spiegelbild stehend, uns vornehmen, unser eigenes Leben an das Spiegelbild abzugeben. Die Hingabe des Lebens ist das ursprüngliche Opfer in freier Tat. Das ist die Tat des ersten Logos. Der zweite Logos ist genau dasselbe wie der erste Logos, nur daß er seine Existenz durch ein Opfer erhalten hat. Wenn man nun die Wirkung des zweiten Logos studiert, so findet man, daß das Wesen des zweiten Logos darin besteht, daß er das Wesen des ersten Logos nach dem ersten Logos hinstrahlt, zurückstrahlt. So ist der zweite Logos eine Widerspiegelung des ersten Logos, von dem er sein eigenes Leben erhalten hat, das Leben, welches vom ersten Logos ausströmte.

Zuerst spiegelt sich der erste Logos wider, dann gibt er dem Spiegelbild sein Leben. Während im ersten Logos alles sich nach außen richtet, die Existenz nach außen wirkt, hat der zweite Logos erstens die Existenz, die er erhalten hat und zweitens die Eigenschaft, seinen Inhalt zurückzustrahlen auf den ersten Logos. Damit haben wir nun im zweiten Logos eine Zweiheit. Das Leben und der Inhalt des zweiten Logos sind zweierlei. Der Inhalt ist dasselbe wie bei dem ersten Logos, aber das Leben ist etwas anderes als im ersten Logos:

Erster und zweiter Logos
Erster und zweiter Logos

Der Strich in der Mitte des zweiten Kreises bedeutet, daß im zweiten Logos Leben und Inhalt zweierlei sind, daß sie geteilt sind. Wenn es sich um den Inhalt handelt, ist Bild und Spiegelbild bei beiden gleich, das Leben aber ist zweierlei.

Dies würde als solches noch kein Weltsystem ergeben können, denn hier würde sich nur der eine Logos zum andern verhalten; eine Mannigfaltigkeit würde da nicht hineinkommen. Mannigfaltigkeit kann nur hineinkommen durch ein weiteres Opfer. Eine nochmalige Spiegelung muß stattfinden: das Verhältnis, das die beiden zueinander haben, muß sich auch spiegeln.

Erstens spiegelt sich der erste Logos noch einmal zweitens spiegelt sich die Spiegelung. Dadurch entsteht dann der dritte Logos als die Widerspiegelung der zwei andern Logoi. Es enthält also der dritte Logos:

1. das Spiegelbild des ersten Logos
2. das Spiegelbild dessen, was der erste Logos im zweiten Logos bewirkt hat, nämlich sein Leben
3. das Spiegelbild davon, was der zweite Logos zum ersten zurückstrahlt.

Stellen wir uns nun vor: Der erste Logos ist gespiegelt in a. Wenn der erste Logos die nach außen strebende, schöpferische Tätigkeit ist, so ist sein Spiegelbild im dritten Logos gerade die umgekehrte Tätigkeit des ersten Logos. Im ersten Logos ist a das höchste geistige Weltlicht; im dritten Logos ist a die äußerste geistige Finsternis.

b ist im zweiten Logos das Leben, das der zweite Logos vom ersten Logos erhalten hat. Es ist nicht das Leben, das sich hinopfert, sondern dasjenige, das angenommen worden ist. Das Leben, das sich im ersten Logos hinopfert, ist die Liebe. Das Gegenteil davon im dritten Logos ist das absolute Verlangen, Sehnsucht, Streben nach Logos, b ist also im dritten Logos das absolute Verlangen.

c ist im zweiten Logos das Spiegelbild des ersten Logos, welches der zweite Logos zurückstrahlt.

Die drei Logoi in ihrem Verhältnis zueinander.
Die drei Logoi in ihrem Verhältnis zueinander.

Bei unserem eigenen Spiegelbild unterscheiden wir:

1. Das ausgestrahlte Bild, das aus der Finsternis zurückkommt.
2. Das, was wir hingegeben haben, kommt zurück als Verlangen.
3. Das Bild selbst, das wir selbst sind.

Dies entspricht im dritten Logos den drei Teilen:

a die geistige Finsternis = Tamas
b das absolute Verlangen = Rajas
c das einfache Spiegelbild des ersten Logos = Sattwa

Tamas, Rajas, Sattwa sind die drei Gunas, die drei Teile des dritten Logos.

Zunächst sind a, b und c vorhanden. Wenn a allein vorhanden ist, ist es eben Tamas. Wenn a - die geistige Finsternis oder Tamas - sich kombiniert mit b - Rajas, dem absoluten Verlangen -, kombiniert sich Finsternis mit Verlangen, und es ist ein Hinstreben nach dem ersten Logos. Wenn a und c - Tamas und Sattwa - kombiniert werden, haben wir das Bild des ersten Logos, aus der Finsternis heraus geschaffen. Ebenso können wir b mit c kombinieren. Es kann jedes für sich auftreten und mit einem der andern kombiniert werden. Alle drei miteinander kombiniert, sind, was der erste Logos selbst ist, Wir haben sieben mögliche Kombinationen der drei Gunas:

Die sieben möglichen Kombinationen der drei Gunas.
Die sieben möglichen Kombinationen der drei Gunas.

Dies sind also die sieben verschiedenen Kombinationen der Gunas. Man stelle sich diese sieben möglichen Kombinationen vor als das nächste weltschöpferische Prinzip, das aus den drei Gunas hervorgehen kann. Diese sieben Wesenheiten existieren wirklich. Es sind die sogenannten sieben schöpferischen Geister vor dem Throne Gottes, nach den drei Logoi die sieben nächsten schöpferischen Kräfte:

Die sieben möglichen Kombinationen der drei Gunas.
Die sieben möglichen Kombinationen der drei Gunas.

Aus diesen sieben schöpferischen Kräften geht dasjenige hervor, was wir als die Prajapatis bezeichnen. Indem jeder wieder diese Tatsache genau wiederholen kann auf untergeordneten Stufen des Bewußtseins, des Lebens und der Form, bekommen wir überall drei: also dreimal a, dreimal b, dreimal c, dreimal ab, dreimal ac, dreimal bc, dreimal abc, also zusammen dreimal sieben = 21 Prajapatis. Sie verhalten sich selbst jeder wie ein ursprünglicher Logos. Dadurch bekommen wir die 21 Schöpfer eines bestimmten Sonnensystems.” (Lit.: GA 89, S. 194ff)

Vater, Mutter und Sohn

Häufig wurden die drei Logoi auch in der Gestalt von Vater, Mutter und Sohn dargestellt.

„Alles Leben in mannigfaltigen Formen ist aus der Einheit, dem einen Logos hervorgegangen. In ihm ruht alle Mannigfaltigkeit noch ungeschieden, undifferenziert verborgen. So wie er erkennbar wird, sich als Selbst wahrnimmt, tritt er aus dem Absoluten, aus dem Unterschiedslosen heraus und schafft das Nicht-Selbst, sein Spiegelbild, den zweiten Logos. Dieses Spiegelbild beseelt und belebt er, es ist sein dritter Aspekt, der dritte Logos.

So wäre der erste Logos das Undifferenzierte, in dem Leben und Form ungeschieden ruhen, als der Vater zu betrachten. Mit seinem Dasein beginnt die Zeit; er trennt sein Spiegelbild von sich ab, die Form, das Weibliche, das er mit seinem Leben erfüllt, der zweite Logos; und aus dieser Beseelung geht der dritte Logos als Sohn, als belebte Form hervor. So haben sich alle Religionen ihren Gott in dreifacher Gestalt gedacht, als Vater, Mutter und Sohn. So Uranos und Gäa, die mütterliche Erde; und Kronos, die Zeit, ist als Sohn aus ihrem Schöße hervorgegangen; Osiris, Isis und Horus und so weiter.

Das Opfer des Logos ist: Der Geist steigt hernieder in die Materie, beseelt sein Spiegelbild, und damit ist auch der Welt belebter Formen ihr Dasein gegeben, die alle ihr Sonderdasein führen und den Zyklus der Evolution durchmachen, um als höchstentwickelte Individualitäten wieder eins mit dem Logos zu werden, der durch sie den Erfahrungsreichtum empfängt. Hätte er sich nicht ausgegossen, um alle diese Formen zu beleben, so würde es kein selbständiges Wachsen und Werden geben. Alle Bewegung, alles Entstehen würde kein Eigenleben haben, es würde sich nur regen und bewegen nach der Direktion des Gottes.“ (Lit.:GA 88, S. 167)

„Zuerst war die kosmische Grundlage durch das Zusammentreffen der beiden Eigenschaften Selbstigkeit und Selbstlosigkeit des ersten Logos geschaffen. Durch die zweite Strömung derselben, durch Harmonie geleitet, bildete sich die atomistische Essenz. Diese umhüllte sich mit der schon vorhandenen Muttersubstanz, und es kam die Atombildung zustande. Diese Atome, mit ihren Hüllen von verschiedenen Dichtigkeitsgraden, bildeten nun stufenweise die Materie, welche dem zweiten Logos, der das Spiegelbild des ersten ist, als Medium dienen konnte, um sein Spiegelbild derselben abzugeben. Der zweite Logos strömt nun in diese Materie, die auf ihrer ersten, der Nirwana-Stufe, von so feinster Beschaffenheit ist, daß er ungehindert und unverändert durch sie hindurchströmen kann. Er gelangt nun in die Budhi-Region; hier wird er aufgehalten, und wenn auch die Selbstlosigkeit in dieser Region so stark ist, daß sie den Logos nicht für ihr Reich festhalten will, so beansprucht sie ihn doch für ihren ganzen Kosmos. Hier beginnt nun das Opfer des Logos, die Stimme, der Ton geht aus ihm hervor: er will mit seinem Geiste die Materie beleben, daß seine Gedanken als selbständige Formen ihr Dasein haben sollen. Hier, wo der göttliche Gedanke Ton und Stimme wird, in der Budhi-Sphäre, ist für das Mittelalter das göttliche Reich. Mit Budhi umhüllt, strömt nun der Logos in die mentale Region, die sich in die Arupa- und Rupastufe teilt; hier hinein ergießt sich nun die göttliche Gedankenwelt, die vorbildlichen Ideen wogen durcheinander. Was später Sonderwesenheit wird und in der Budhi-Sphäre noch im Logos eingeschlossen ruht, wird hier als vorbildliche Idee ins Dasein gerufen. Diese Arupastufe der mentalen Sphäre ist die Ideenwelt Platos, die Vernunftwelt des Mittelalters. Auf der Arupastufe nehmen diese Ideen ihre ersten Gestalten an. Als göttliche Genien beginnen sie ihr Sonderdasein und schweben durcheinander, sie durchdringen einander noch als gleichartige Geistwesen. Es ist das himmlische Reich des Mittelalters.

Diese Geistwesen kommen nun in die astrale Sphäre; hier, mit einem dichteren Stoffe umhüllt, erwacht durch die Berührung die Empfindung; sie empfinden sich jetzt erst als Sonderwesen, sie fühlen die Trennung. Es ist das elementare Reich, die Welt des Elementalen. Hinabgestiegen in die Äthersphäre wird diese Empfindung von innen nach außen gedrängt, sie quillt auf, dehnt sich und wächst durch die ätherische vegetabilische Kraft, um dann von der physischen Materie eingeschlossen und kristallisiert zu werden, weil hier das Selbstische noch in voller Kraft nach Begrenzung strebt. So ist die Empfindung im Mineralreich eingeschlossen und die göttlichen Ideen schlafen in erhabener Ruhe im keuschen Gestein. Der Stein - ein eingefrorener Gottesgedanke: «Die Steine sind stumm. Ich habe das ewige Schöpferwort in sie gelegt und verborgen; keusch und schamvoll halten sie es in sich beschlossen.» So lautet ein alter Druidenspruch, eine Gebetsformel. Äther- und physisches Reich oder Mineralreich werden im Mittelalter Mikrokosmos oder das kleine Reich genannt.

Beim Einströmen hat der Logos sich mit immer dichteren Hüllen umgeben, bis er im Gestein gelernt hat, sich fest zu begrenzen. Die Steine sind jedoch stumm, sie können das ewige Schöpf erwort nicht offenbaren. Die starre physische Hülle muß wieder abgeworfen werden; sie bleibt in ihrem Reich zurück, während nun die kristallischen Formen in ihrer weichen Ätherhülle sich ausdehnen, von innen heraus wachsen, das heißt leben können, denn Leben ist Wachstum; der Stein wird zur Pflanze. Und weiter aufsteigend streift der Logos auch diese Ätherhülle ab und kommt an die astrale Empfindungssphäre. Hier entfaltet sich durch Wechselwirkung der Berührung und Wahrnehmung die Tätigkeit; lebendig gestaltet sich aus Empfindung und Wollen das empfindende Tierdasein. So baut es sich, indem der Anstoß von außen als Empfindung nach innen wirkt, nach und nach seine Wahrnehmungsorgane aus. Es formen sich die Typen. Übergehend in das mentale Reich nimmt diese Empfindung sich selbst wahr, und mit dem Ich-Bewußtsein ist die Menschheitsstufe erreicht.“ (S. 168f)

Die Entwicklung des Logos-Begriffs

Die Lehre vom Logos als der alles durchdringenden Gottesvernunft und dem daraus hervortretenden schöpferischen Weltenwort reicht zurück bis in die urindische Zeit, deren Nachklang später in den Veden festgehalten wurde. Im Rig-Veda heißt das schöpferische Weltenwort »vak« (skrt., verwandt mit lat. vox). Im Zendavesta des Zarathustra, das seinen wahren Ursprung in der urpersischen Zeit hat, geht aus dem Urwesen Zeruane Akarene das Schöpferwort Honover (»ahuna-vairja«) hervor, durch das die Welt erschaffen wird. Und auch nach der Genesis, dem Schöpfungsbericht der Bibel, der durch Moses in der ägyptisch-chaldäischen Zeit verfasst wurde, sind die Elohim schöpferisch tätig durch das Wort. Im Johannes-Evangelium wird das schöpferische Weltenwort schließlich endgültig mit dem Christus identifiziert, der sich als Jesus Christus im ersten Drittel der griechisch-lateinischen Zeit auf Erden inkarniert hat: Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. (Joh 1,14 LUT)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Adam Kamesar: The Logos Endiathetos and the Logos Prophorikos in Allegorical Interpretation: Philo and the D-Scholia to the Iliad, in: Greek, Roman, and Byzantine Studies 44 (2004) pp. 163–181 pdf
  2. Max Pohlenz: Die Begründung der abendländischen Sprachlehre durch die Stoa. In: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-historische Klasse, Fachgruppe 1. Neue Folge, Band 3, Nr. 6, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1939, S. 151–198.
  3. Cicero: De natura deorum II, 22, 57f
  4. Johannes Scotus Erigena, Ludwig Noack (Übers.): Über die Eintheilung der Natur, Verlag von L. Heimann, Berlin 1870, Erste Abtheilung, S. 23f pdf
  5. Sie entsprechen nach H. P. Blavatsky: Die Geheimlehre, Band I: Kosmogenesis, S 380 den 10 Sephiroth der jüdischen Kabbala.