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Schachweltmeisterschaft 1985

Aus AnthroWiki
Anatoli Karpow (rechts) und Garri Kasparow bei der WM 1985

Die Schachweltmeisterschaft 1985 in Moskau war ein als Neuauflage der abgebrochenen Schachweltmeisterschaft 1984 vom 3. September[1] bis 9. November 1985 ausgetragener Zweikampf zwischen Anatoli Karpow und Garri Kasparow um den Weltmeistertitel im Schach. Nach dem umstrittenen ergebnislosen Abbruch der vorangegangenen Weltmeisterschaft zwischen den beiden Kontrahenten wurde der Zweikampf mit Änderungen der Turnierbedingungen erneut angesetzt. Der Herausforderer Garri Kasparow besiegte den Weltmeister Anatoli Karpow nach 24 Partien und wurde so zum 13. Schachweltmeister, der mit 22 Jahren zugleich auch der jüngste war.[2]

Vorgeschichte

Turniermodus früherer Weltmeisterschaften

Die von der FIDE ab der Nachkriegszeit organisierten Zweikämpfe um die Weltmeisterschaft waren traditionell auf maximal 24 Partien angelegt, wobei Punktemehrheit zu erzielen war. Für die Schachweltmeisterschaft 1978 änderte die FIDE jedoch den Modus auf sechs zu erzielende Gewinnpartien (Remis waren nicht von Bedeutung), wonach dort insgesamt 32 Partien gespielt wurden (Karpow bezwang Viktor Kortschnoi 6:5). Schon damals gab es Stimmen, die eine Rückkehr zur Begrenzung auf 24 Partien forderten oder prophezeiten, etwa Hauptschiedsrichter Lothar Schmid,[3] der Modus wurde jedoch vorerst beibehalten.

Schachweltmeisterschaft 1984

Garri Kasparow hatte sich 1984 als Herausforderer des Schachweltmeisters Anatoli Karpow qualifiziert. Karpow ging schnell mit 4:0 in Führung, doch dann vermochte Kasparow mit Remisserien den Wettkampf in die Länge zu ziehen und Karpow dadurch zu belasten. Nach einem Doppelsieg in der 47. und 48. Partie hatte Kasparow auf 3:5 aufgeschlossen, doch nun wurde gegen seinen Willen der Wettkampf von FIDE-Präsident Florencio Campomanes abgebrochen. Als Begründung für den allseits kritisierten Abbruch gab Campomanes an, die Kräfte der Spieler schonen und sie vor physischen und psychischen Schäden bewahren zu wollen; die doppelte Partienanzahl der traditionellen 24 sei dazu die passende Gelegenheit. Als Ersatz wurde die Schachweltmeisterschaft 1985 mit dem früheren 24-Partien-Modus angesetzt.

Nach dem Abbruch

Campomanes 2008

Nach dem Abbruch wurden Fragen laut, ob Karpow überhaupt noch im Besitz des Weltmeistertitels sein konnte oder ein weiteres Interregnum bestünde. Kasparow betrachtete Karpow nicht mehr als Weltmeister.

Die Vorbereitungen des erneuten Zweikampfes wurden von willkürlich erscheinenden Entscheidungen Campomanes’ bestimmt, wodurch dieser und die FIDE-Gremien heftige Kritik ernteten. Besonders für die Nebeneinkünfte, die Campomanes und Alfred Kinzel Anatoli Karpow verschafften, wurden sie von Lothar Schmid heftig kritisiert, der als Schiedsrichter der Schachweltmeisterschaft 1972 stets Angebote von Mäzenen ausgeschlagen hatte, um den guten Ruf des Schachspiels zu wahren.[3]

Als Hauptschiedsrichter war von der FIDE Svetozar Gligorić vorgesehen, was jedoch von Kasparow kritisiert wurde. Nachdem bei einer Wahl Karpows und Kasparows, die jeweils sieben Namen nennen durften, nur Lothar Schmid von beiden Spielern als akzeptabler Schiedsrichter genannt wurde, trat Gligorić am 25. Juli zurück, wurde aber dennoch von der FIDE am 6. August erneut benannt. Vom 24. bis 31. August 1985 fand die Jahreshauptversammlung der FIDE statt. Campomanes wurde am Abend des 24. Augusts 1985 von Robert Hübner im Rahmen einer Fernsehpartie, die Hübner gegen Jan Timman spielte, befragt, ob Lothar Schmid Hauptschiedsrichter wird. Campomanes gab jedoch darauf keine befriedigende Antwort. Schmid musste schließlich aus beruflichen Gründen absagen. Die FIDE ernannte daraufhin auf ihrem Kongress Andrei Malchev und Vladas Mikėnas als Schiedsrichter und Alfred Kinzel als Vorstand des Schiedsrichterkomitees.[3] Auch weitere Wettkampfbedingungen wurden beim FIDE-Kongress festgelegt.[4]

Am 1. Mai 1985 wurden die Gebote für den Austragungsort des Zweikampfes im FIDE-Büro in Luzern angesehen, wobei der Marseiller Stadtpräsident le Ferre persönlich anwesend war. Die Stadt Marseille hatte 1,6 Millionen Schweizer Franken geboten, während England und die Sowjetunion jeweils eine Million geboten hatten. Bei einer Pressekonferenz am 29. Mai in Madrid legte FIDE-Präsident Campomanes jedoch Moskau als Austragungsort fest.[3]

Vorbereitungen der Kontrahenten

Vom 15. bis 26. Juli 1985 nahm Karpow am OHRA-Schachfestival Amsterdam teil, das er mit 7 Punkten aus 10 Partien vor Timman (6,5) und Nunn (5,5) gewann.

Kasparow wählte Zweikämpfe gegen Robert Hübner und Ulf Andersson als Vorbereitung. Der Spiegel-Verlag war Sponsor des Zweikampfes gegen Hübner, den Kasparow vom 28. Mai zum 4. Juni 1985 mit 4,5:1,5 Punkten besiegte. Gegen Ulf Andersson, der auf Platz 15 der Weltrangliste gesetzt war, gewann Kasparow mit 4:2 Punkten. Bei seinen Besuchen in Deutschland und Jugoslawien hielt Kasparow dabei nicht mit Kritik an Campomanes und Kinzel zurück, worauf sowjetische Funktionäre erstaunt waren, da Kasparow Mitglied der Kommunistischen Partei war.[3] Ein Brief zu Kasparows Disput mit Gligorić wurde in Politika veröffentlicht.[4]

Wettkampfbedingungen

Piotr-Iljitsch-Tschaikowski-Konzertsaal 1955

Wie bereits bei mehreren Schachweltmeisterschaften in den 1950er Jahren[4][5] wurde im Tschaikowski-Konzertsaal in Moskau gespielt.

Für Karpow standen Wiktor Baturinski als Delegationschef sowie Igor Saizew, Efim Geller und Juri Balaschow als Sekundanten zur Verfügung. Kasparow wurde laut Manfred van Fondern von Marmedow als Delegationsleiter, seiner Mutter Kasparowa als Managerin sowie den Sekundanten Heorhij Tymoschenko und Alexander Nikitin unterstützt. Kasparows dritter Sekundant, András Adorján, erhielt kein Einreisevisum.[6] Mark Weeks gibt hingegen an, Kasparow habe Josif Dorfman als Sekundanten gewählt. Alexander Nikitin und Jewgeni Wladimirow seien Assistenten gewesen, während Juri Rasuwajew der Delegationsvorsitzende war.[4] Kasparow macht in seinem Buch keine Angaben zu seiner Delegation.

Als Austragungsmodus für diesen Wettkampf und spätere wurde beim FIDE-Kongress in Tunis festgelegt, dass auf Punktemehrheit in 24 Partien zu spielen sei und bei 12:12 der Weltmeister seinen Titel behalte. Darüber hinaus wurde für die kommende Weltmeisterschaft im Speziellen festgelegt, dass Karpow im Falle einer Niederlage weiterhin ein Revanchekampf zustände, da dieser Bestandteil des vergangenen Qualifikationsmodus 1982–1984 gewesen sei. Der Verlierer des Revanchekampfes würde direkt ins Kandidatenfinale gelangen, welches 24 Partien beinhalten sollte.[4] Die FIDE wurde für diese Änderungen heftig kritisiert, da sie Karpow zu sehr bevorteilten. So meinte beispielsweise Großmeister Ljubomir Ljubojević:

„Die WM der FIDE hat ihren Sinn verloren. Die Privilegien von Karpow sind jetzt unendlich.“[3]

Zu vielen weiteren Theman siehe auch

Folgen

Garri Kasparow mit Siegerkranz bei der Abschlusszeremonie

Kasparow nutzte die Zeit nach der Schachweltmeisterschaft für das Computerspiel Elite, machte sich aber auch in der Realität einen Ruf als Geschäftsmann. Kurz vor seinem Sieg über Karpow wurde bekannt, dass er mit Marina Nejolowa liiert ist. Kasparow bekam für seinen Sieg 696.000 Schweizer Franken, während Karpow 520.000 Schweizer Franken erhielt. Der frischgebackene Weltmeister plante, in das Geschäft mit Schachcomputern einzusteigen und dachte an die Errichtung von Schachdatenbanken.[2] Eine Kooperation mit dem Programmierer Matthias Wüllenweber führte daraufhin zum Datenbankprogramm ChessBase für den Atari ST. Wüllenweber gründete mit Frederic Friedel eine gleichnamige Firma, die als Marktführer für Schachdatenbanken hervortrat.[7]

In seinem Buch Schachweltmeisterschaft 1985 warf Kasparow Campomanes vor, das Match durch den Abbruch des ersten Kampfes und die Festlegung der Bedingungen zu Gunsten Karpows manipuliert zu haben. Dennoch habe „die Gerechtigkeit“ gesiegt, da letztlich trotzdem die Partien und nicht die Organisation den Wettkampf entschieden haben.[8]

Karpow gelang es im Revanchekampf 1986 nicht, den Titel zurückzuerobern. Es folgten weitere Zweikämpfe der beiden Kontrahenten um den Weltmeistertitel, doch Kasparow blieb auch nach der von ihm initiierten Spaltung der Schachwelt 1993 bis zum Jahr 2000 klassischer und von der Mehrheit der Schachspieler akzeptierter Schachweltmeister, während Karpow nach dem Bruch Kasparows mit dem Weltschachbund FIDE 1993 von dieser den Weltmeistertitel zuerkannt bekam und somit FIDE-Weltmeister wurde. Im Jahr 2006 wurde die Trennung der Schachweltmeistertitel durch einen Vereinigungszweikampf wieder aufgehoben.

Der Fall Jungwirth

Besonderes Aufsehen erregte kurz nach der Schachweltmeisterschaft der Fall Jungwirth. Der NDR-Redakteur Helmut Jungwirth, ein Freund Anatoli Karpows, hatte vom Schachcomputerhersteller Novag für Werbeauftritte Karpows zwischen dem 13. Oktober 1978 und dem 17. Januar 1981 446.177,50 US-Dollar[9] (damals umgerechnet 1,2 Millionen DM,[3] 1986 umgerechnet 1 Million DM,[9] 1988 umgerechnet 800.000 DM[10]) auf deutsche und ausländische Konten erhalten.[3] Diese wurden auf Treukonten von Jungwirth ausgezahlt, doch dieser leitete das Geld nicht auf Karpows Konten weiter. Am 30. November 1988 wurde Jungwirth vom Landgericht Hamburg wegen Untreue und Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt, da er Karpows Geld für sich behalten hatte. Er hatte dies bestritten und behauptet, Karpow habe ihm das Geld geschenkt, was Karpow jedoch bestritt. Die Große Strafkammer hielt Karpows Aussage für glaubwürdig.[10] Eine verlorene Revision und ein erfolgloses Gnadengesuch konnten das Urteil nicht mehr ändern. Nachdem er seit Januar 1990 zwei Haftantritte versäumt hatte, wurde gegen Jungwirth am 19. April 1990 per Festnahme ein Vollstreckungshaftbefehl vollzogen.[11]

Karpow machte diesen Fall mitverantwortlich für seinen Titelverlust.[12]

Literatur

  • Garri Kasparow: Weltmeisterschaft 1985. Walter Rau Verlag, 1986.
  • Vladimir Budde, Lothar Nikolaiczuk: Schachweltmeisterschaft ’84 ’85. Band II. Joachim Beyer Verlag, Hollfeld 1985.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kasparow nennt in seinem Buch als eigentlichen Beginn den 9. September 1984 und sieht somit die abgebrochene Weltmeisterschaft 1984 und die Weltmeisterschaft 1985 als kontinuierlichen Wettkampf an.
  2. Hochspringen nach: 2,0 2,1  Bobby sei Dank. In: Der Spiegel. Nr. 47, 1985, S. 221–223 (online).
  3. Hochspringen nach: 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 Manfred van Fondern: Auf dem Weg zum 2. Titelkampf. In: Budde, Nikolaiczuk, S. 301–305.
  4. Hochspringen nach: 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 mark-weeks.com
  5. H. Mohaupt und H. Machatschek (jeweils Hrsg.): Weltmeisterschaftsturnier 1957. Sportverlag Berlin 1957, S. 5–9.
  6. Manfred van Fondern: Manchmal entscheidet das bessere Team. In: Budde, Nikolaiczuk, S. 335.
  7. Hartmut Metz interviewt Matthias Wüllenweber: Diktator Kasparow verhalf zu mehr Demokratie. Website der Rochade Kuppenheim, November 2000.
  8. Kasparow, S. I–V.
  9. Hochspringen nach: 9,0 9,1 Anatoli Karpows langer Kampf um 446177,50 Dollar. In: Abendblatt. 19. Dezember 1986.
  10. Hochspringen nach: 10,0 10,1 Haftstrafe für Helmut Jungwirth. In: Abendblatt. 1. Dezember 1988.
  11. Jungwirth verhaftet. (Memento vom 17. Februar 2013 im Webarchiv archive.is) In: Abendblatt. 21. April 1990.
  12.  Die Affäre kostete mich den Titel. In: Der Spiegel. Nr. 52, 1988, S. 134–140 (online).
Dieser Artikel basiert auf einer für AnthroWiki adaptierten Fassung des Artikels Schachweltmeisterschaft 1985 aus der freien Enzyklopädie de.wikipedia.org und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.