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Parzufim
Als Parzufim (hebr. פרצוף, parzuf, „Gesicht“; Plural: parzufim; griech. πρόσωπον, prosopon „Gesicht, Miene, Blick, äußere Gestalt, Aussehen“, im weiteren Sinn aber auch „Maske, Rolle“ oder einfach nur „Mensch“) werden in der jüdischen Kabbala nach der Lehre Isaak Lurias (1534-1572) die fünf Gesichter, Gestalten oder archetypischen Personen bezeichnet, zu denen die 10 Sephiroth, die als Adam Kadmon zugleich das makrokosmische Urbild des Menschen sind, transformiert wurden, nachdem es im Zuge des Schöpfungsgeschehens zum sogenannten Bruch der Gefäße (Schvirat ha-Kelim) gekommen war. Die inneren sechs Sephiroth, von Chesed abwärts bis Jesod, waren zu schwach, um der Gewalt von Kav (oder Qav) (hebr. קו, Linie [des Lichts]), dem zum Strahl geformten schöpferischen göttlichen Licht, standzuhalten. Die Scherben der zerstörten Gefäße blieben in der Welt erhalten als leere, geistverlassene "Schalen" (Qlīpōt) und bilden seitdem die Grundlage des Bösen.
Um weitere Zerstörung zu verhindern, wurden die Gefäße der 10 Sephiroth aus dem Brennpunkt des Lichts gerückt und in fünf Gesichter verwandelt. Fünf ist die Zahl des Menschen, des Mikrokosmos, zugleich aber auch die Zahl des Bösen bzw. der Wahlfreiheit zwischen dem Guten und dem Bösen.
Kether, die erste Sephira, wurde zum Kopf (hebr. רֹאשׁ, Rosh) des Makroprosopon (hebr. אריך אנפין, Arik Anpin, langes oder großes Gesicht, „der Langmütige, Geduldige“) transformiert. Die verborgene, innerste und älteste Dimension von Kether, die Quelle des Göttlichen Willes und damit der Schöpfung, ist aber Atik Yomin (hebr. עתיק יומין atiq yomin), der „Heilige Alte“, der „Alte der Tage“; eng. „Ancient of Days“), wie er in der Apokalypse des Daniel erwähnt wird. In diesem Sinn gibt es also insgesamt sechs Gesichter. In der katholischen Theologie, so auch bei Thomas von Aquin, wird der „Heilige Alte“ als Vatergott aufgefasst. Diese Deutung kommt auch gelegentlich in den othodoxen Kirchen vor, sehr selten wird damit auch auf den Heiligen Geist hingewiesen - zumeist aber wird der „Heilige Alte“ als der Sohn Gottes, der Christus, aufgefasst.
„1 Im ersten Jahr Belsazars, des Königs von Babel, hatte Daniel einen Traum und Gesichte auf seinem Bett; und er schrieb den Traum auf und dies ist sein Inhalt: 2 Ich, Daniel, sah ein Gesicht in der Nacht, und siehe, die vier Winde unter dem Himmel wühlten das große Meer auf. 3 Und vier große Tiere stiegen herauf aus dem Meer, ein jedes anders als das andere. 4 Das erste war wie ein Löwe und hatte Flügel wie ein Adler. Ich sah, wie ihm die Flügel genommen wurden. Und es wurde von der Erde aufgehoben und auf zwei Füße gestellt wie ein Mensch, und es wurde ihm ein menschliches Herz gegeben. 5 Und siehe, ein anderes Tier, das zweite, war gleich einem Bären und war auf der einen Seite aufgerichtet und hatte in seinem Maul zwischen seinen Zähnen drei Rippen. Und man sprach zu ihm: Steh auf und friss viel Fleisch! 6 Danach sah ich, und siehe, ein anderes Tier, gleich einem Panther, das hatte vier Flügel wie ein Vogel auf seinem Rücken und das Tier hatte vier Köpfe, und ihm wurde große Macht gegeben. 7 Danach sah ich in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, ein viertes Tier war furchtbar und schrecklich und sehr stark und hatte große eiserne Zähne, fraß um sich und zermalmte, und was übrig blieb, zertrat es mit seinen Füßen. Es war auch ganz anders als die vorigen Tiere und hatte zehn Hörner. 8 Als ich aber auf die Hörner Acht gab, siehe, da brach ein anderes kleines Horn zwischen ihnen hervor, vor dem drei der vorigen Hörner ausgerissen wurden. Und siehe, das Horn hatte Augen wie Menschenaugen und ein Maul; das redete große Dinge. 9 Ich sah, wie Throne aufgestellt wurden, und einer, der uralt war, setzte sich. Sein Kleid war weiß wie Schnee und das Haar auf seinem Haupt rein wie Wolle; Feuerflammen waren sein Thron und dessen Räder loderndes Feuer. 10 Und von ihm ging aus ein langer feuriger Strahl. Tausendmal Tausende dienten ihm, und zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht wurde gehalten und die Bücher wurden aufgetan. 11 Ich merkte auf um der großen Reden willen, die das Horn redete, und ich sah, wie das Tier getötet wurde und sein Leib umkam und ins Feuer geworfen wurde. 12 Und mit der Macht der andern Tiere war es auch aus; denn es war ihnen Zeit und Stunde bestimmt, wie lang ein jedes leben sollte. 13 Ich sah in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht. 14 Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende. 15 Ich, Daniel, war entsetzt, und dies Gesicht erschreckte mich. 16 Und ich ging zu einem von denen, die dastanden, und bat ihn, dass er mir über das alles Genaueres berichtete. Und er redete mit mir und sagte mir, was es bedeutete. 17 Diese vier großen Tiere sind vier Königreiche, die auf Erden kommen werden. 18 Aber die Heiligen des Höchsten werden das Reich empfangen und werden's immer und ewig besitzen. 19 Danach hätte ich gerne Genaueres gewusst über das vierte Tier, das ganz anders war als alle andern, ganz furchtbar, mit eisernen Zähnen und ehernen Klauen, das um sich fraß und zermalmte und mit seinen Füßen zertrat, was übrig blieb; 20 und über die zehn Hörner auf seinem Haupt und über das andere Horn, das hervorbrach, vor dem drei ausfielen; und es hatte Augen und ein Maul, das große Dinge redete, und war größer als die Hörner, die neben ihm waren. 21 Und ich sah das Horn kämpfen gegen die Heiligen, und es behielt den Sieg über sie, 22 bis der kam, der uralt war, und Recht schaffte den Heiligen des Höchsten und bis die Zeit kam, dass die Heiligen das Reich empfingen. 23 Er sprach: Das vierte Tier wird das vierte Königreich auf Erden sein; das wird ganz anders sein als alle andern Königreiche; es wird alle Länder fressen, zertreten und zermalmen. 24 Die zehn Hörner bedeuten zehn Könige, die aus diesem Königreich hervorgehen werden. Nach ihnen aber wird ein anderer aufkommen, der wird ganz anders sein als die vorigen und wird drei Könige stürzen. 25 Er wird den Höchsten lästern und die Heiligen des Höchsten vernichten und wird sich unterstehen, Festzeiten und Gesetz zu ändern. Sie werden in seine Hand gegeben werden eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit. 26 Danach wird das Gericht gehalten werden; dann wird ihm seine Macht genommen und ganz und gar vernichtet werden. 27 Aber das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden, dessen Reich ewig ist, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen. 28 Das war das Ende der Rede. Aber ich, Daniel, wurde sehr beunruhigt in meinen Gedanken und jede Farbe war aus meinem Antlitz gewichen; doch behielt ich die Rede in meinem Herzen.“
Daniels Vision von den vier Tieren und dem Menschensohn findet sich in ähnlicher Gestalt auch in der Apokalypse des Johannes (Off 1,9-20 LUT).
Chochmah, die Weisheit, wurde zum Vater (hebr. אבא, Abba) als aktiv-männlichem Prinzip und Binah, der Verstand, zur Mutter (hebr. אִמָּא, Imma) als empfangendem weiblichen Prinzip. Die sechs zerbrochenen Sephiroth, mit ihrem Zentrum in der Sephira Tifereth (Schönheit), wurden umgebildet zum männlichen Kind, auch Mikroprosopon (hebr. זעיר אנפין, Zeir Anpin, kurzes oder kleines Gesicht, „der Kurzmütige, Ungeduldige“) genannt und beschrieben als voll verkörperte männliche Gestalt mit Kopf und Körper (hebr. גּוּף, Guph), die als eigentlicher Demiurg der Schöpfung wirkt. Malchuth aber, das Reich, wurde zum weiblichen Kind (hebr. נוקבא, Nukvah, weiblich; auch hebr. בַּת, Bath, Tochter, „das Weibliche des Kurzmütigen“) und ist zugleich der weibliche Aspekt und die Braut hebr. כַּלָּה, Kallah) des Zeir Anpin. Diese fünf Gesichter oder Personen sind seitdem in allen vier Welten, von der geistigen Welt bis hinunter zur physischen Welt, zu finden.
Aus diesen fünf Gesichtern emanierten die fünf Arten der Seele: Jechidah (Geistesmensch), Chaja (Lebensgeist), Neschamah (Geistselbst/Bewusstseinsseele), Ruach (Verstandesseele) und Nephesch (Empfindungsseele). Jede dieser fünf Seelen wurde zusammen mit den entsprechenden Organen Adams geschaffen. Und so wie es niedere und höhere Organe gibt, gibt es auch niedere und höhere Seelenarten. Jede menschliche Seele ist ein Funke (hebr. נִיצוֹץ, nitzotz) der Seele Adams. Durch den Sündenfall wurden diese Seelenarten durcheinandergebracht und selbst den reinsten wurde etwas von den geistverlassenen "Schalen" (Qlīpōt) beigemischt. Diese Verwirrung der Seelen wird nach Isaak Luria erst mit dem Erscheinen des Messias verschwinden. Bis dahin kann die Seele nicht zu ihrer Quelle zurückkehren und erlöst werden, sondern muss durch zahllose Wiedergeburten (Gilgul Neschamot, hebr. גִלְגּוּל נְשָמוֹת, wörtl. das Rollen der Seelen) wandern - nach Luria nicht nur in menschlichen Körpern, sondern auch in Tieren, Pflanzen und sogar in unbelebten Dingen wie Flüssen, Holz und Stein. Damit ist aber nicht die Reinkarnation des Geistes gemeint, sondern die alte orientalische Seelenwanderungslehre, die sich auf das Verhalten des Astralleibs nach dem Tod bezieht!
Nicht nur an seiner eigenen Vervollkommnung hat der Mensch dabei zu arbeiten, sondern im fortlaufenden Prozess des Tikkun Olam (hebr. תיקון עולם, wörtlich etwa das „Reparieren der Welt“) ist er auch dazu aufgerufen, an der Wiederherstellung der reinen Schöpfungsordnung mitzuarbeiten. Mehr noch, es entsteht dadurch - durch die Mitwirkung des Menschen - etwas Neues, Höheres, dass es in dieser Form noch niemals gegeben hat.
Weblinks
- Partzufim (englisch)